Provider hat Sorgfalts- und Informationspflicht

Es besteht die vertraglich Nebenpflicht, für eine reibungslose Abwicklung des Vertragsverhältnisses zu sorgen.
Diese besteht für jeden Vertragspartner.

So muss ein Vertragspartner zum Beispiel auf Beschwerden kurzfristig eingehen können, um dem anderen Vertragspartner keinen Schaden zuzufügen.

Eine Fürsorgepflicht beinhaltet das interessengerechte Eingehen auf Beschwerden eines Vertragspartners.

AG Darmstadt
Urteil vom 24. Februar 2005
Az: 300 C 48/04

Zum Sachverhalt:

Die Kl. bestellte bei der Deutschen Telekom AG am 7. 6. 2002 die Einrichtung eines DSL-Anschlusses. Ausweislich des Auftragsformulars wurde kein T-Online Produkt extra in Auftrag gegeben. Nach Behauptung der Kl. hatte ihr Ehemann im T-Punkt den entsprechenden Auftrag erteilt und außerdem Formulare für die Neueinrichtung eines Internetzugangs bei der Bekl. mitgebracht. Da bereits seit längerer Zeit ein Internetzugang bestand, hatte die Kl. Bedenken, die Formulare für einen Neuzugang an die Bekl. zu übersenden. Deshalb telefonierte nach ihrer Behauptung ihr Sohn T im Juni 2002 mit der Deutschen Telekom AG. Dabei wurde ihm nach ihrer Behauptung zugesichert, dass die Umstellung auf die T-DSL Flatrate telefonisch erfolgen könne und nichts weiteres mehr veranlasst werden müsste. In der Folgezeit nutzte die Kl. den Internetzugang. Sie erhielt in der Zeit vom 19. 8. 2002 bis 17. 3. 2003 über die Deutsche Telekom AG allerdings Telefonrechnungen, in denen der Internetzugang nicht mit der Flatrate, sondern mit dem Tarif surftime 90 abgerechnet wurde.

Rechnungsdatum                     Betrag
   
19. 08. 2002                              220,01 Euro
   
16. 09. 2002                                  5,96 Euro    Gutschrift
   
15. 10. 2002                              160,93 Euro
   
14. 11. 2002                              168,82 Euro
   
13. 12. 2002                              198,50 Euro
   
20. 01. 2003                              333,25 Euro
   
17. 02. 2003                              238,47 Euro
   
17. 03. 2003                                68,20 Euro
   

In der Rechnung vom 16. 9. 2002 hatte die Bekl. den in der Rechnung vom 19. 8. 2002 errechneten Betrag von 185,12 Euro gutgeschrieben.

Unter dem 24. 8. 2002 beschwerte sich die Kl. per E-Mail bei der Deutschen Telekom AG. Der Inhalt dieses Beschwerdeschreibens ist zwischen den Parteien streitig. Die Bekl. antwortete allerdings unter dem 4. 12. 2002, dass die Berechnung in Ordnung sei. Die Kl. beschwerte sich weiter unter dem 15. 10. und 14. 11. 2002. Darauf antwortete die Deutsche Telekom AG für die Bekl. unter dem 13. 1. 2003, dass die Einwände nach Prüfung der Rechnungslegung unbegründet seien.

Die Kl. lässt sich für die Monate August 2002 bis März 2003 die bei Zugrundelegung einer Flatrate angefallenen Gebühren anrechnen und zieht diese von den in Rechnung gestellten Internetgebühren ab. Nachdem die Kl. zunächst 1532,75 Euro verlangt hat, hat sie die Klage teilweise zurückgenommen und beantragt die Bekl. zu verurteilen, an sie 1368,41 Euro zu zahlen.

Die Bekl. macht geltend, dass erst unter dem 21. 2. 2003 ein Antrag auf Tarifwechsel gestellt worden sei. Dieser sei kurzfristig erledigt worden, wie unstreitig ist.

Die Klage ist zulässig, sie ist auch teilweise begründet.
Aus den Gründen:

Die Kl. hat gegen die Bekl. Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 BGB wegen Verletzung von Vertragspflichten in der tenorierten Höhe.

Zur Frage der Vereinbarung einer Flatrate

Dies folgt allerdings entgegen der Auffassung der Kl. nicht daraus, dass die Bekl. ihre Verpflichtung zur Abrechnung einer Flatrate verletzt hätte. Auf Grund der Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, dass zwischen den Parteien die Abrechnung auf der Basis einer einheitlichen Flatrate vertraglich vereinbart worden wäre. Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass im T-Punkt lediglich der DSL-Zugang der Deutschen Telekom AG beauftragt und von dieser auch durchgeführt wurde. Die Einrichtung eines T-Online-Zugangs wurde, wie sich aus dem entsprechenden Formular und auch aus dem klägerischen Vortrag ergibt, gerade nicht beauftragt.

Die Kl. behauptet insoweit, der Zeuge T habe in einem nicht näher bezeichneten Telefongespräch die Umstellung des Tarifs auf eine Flatrate veranlasst. Die Vernehmung des Zeugen T reicht allerdings nicht aus, um eine entsprechende Überzeugung des Gerichts von dieser Tatsache zu gewinnen.

Der Zeuge T hat ausgesagt, dass er bei der Deutschen Telekom AG angerufen habe und ihm dort die Umstellung entsprechend mitgeteilt worden sei. Diese Umstände sind zu allgemein und weisen auch Unstimmigkeiten auf, um darauf eine Überzeugung zu gründen. So stellt sich für das Gericht schon die Frage, ob der Gesprächsteilnehmer überhaupt in der Lage war, eine solche Auskunft vorzunehmen.

Zum Verhältnis Deutsche Telekom AG und T-Online International AG

Es ist allgemein bekannt, dass die Deutsche Telekom AG und die T-Online International AG zum damaligen Zeitpunkt und auch noch heute zwei unterschiedliche juristische Personen waren, die grundsätzlich auch unterschiedliche Tätigkeitsfelder bearbeiten. So betrifft das Aufgabengebiet der Deutschen Telekom AG die Verlegung des DSL-Anschlusses, der diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt wird. Der Kunde ist nicht darauf angewiesen, ein Produkt der Deutschen Telekom AG oder der T-Online International AG zu benutzen, sondern kann den Provider für den Internetzugang frei wählen. Die T-Online International AG ist ein Internetprovider und hat mit der Verlegung des DSL-Anschlusses nichts zu tun. Soweit allerdings über die Deutsche Telekom AG Produkte der T-Online International AG vertrieben werden, oder die Deutsche Telekom AG in sonstiger Weise für die T-Online International AG tätig wird, handelt sie als Vertreterin oder Erfüllungsgehilfin, so dass ihre Handlungen oder Auskünfte gem. §§ 166, 278 BGB der Bekl. zuzurechnen sind.

Der Nutzer muss den Unterschied zwischen DSL und Flatrate kennen, er muss sich entsprechend vorher vor der Nutzung informieren (vgl. nur AG Darmstadt, Urt. v. 21. 1. 2004 – 305 C 150/03; Urt. v. 24. 11. 2003 – 310 C 274/03; Urt. v. 4. 2. 2003 – 300 C 237/02).

Fehler der Deutschen Telekom AG bei der Weiterleitung eines Flatrateantrags oder auch bei fehlerhafter Beratung gehen gem. § 278 BGB zu Lasten der Bekl. (AG Darmstadt, Urt. v. 6. 4. 2004 – 300 C 297/03; Urt. v. 10. 9. 2004 – 311 C 82/04; Urt. v. 26. 10. 2004 – 309 C 637/03; Urt. v. 27. 1. 2004 – 303 C 235/03; AG Karlsruhe, Urt. v. 19. 3. 2004 – 1 C 33/03; LG Darmstadt, Urt. v. 1. 9. 2004 – 25 S 68/04).

Danach bestünde also grundsätzlich die Möglichkeit, dass eine fehlerhafte Auskunft der Deutschen Telekom AG gegenüber dem Zeugen T erteilt worden wäre. Das Gericht hat solche Fälle bereits im Zusammenhang mit der Beratung im T-Punkt erlebt. Allerdings erscheint es unwahrscheinlich, dass Mitarbeiter der Deutschen Telekom AG, die überhaupt nicht in der Lage sind, entsprechende Tarifumstellungen für die Bekl. vorzunehmen, eine entsprechende Tarifumstellung zusagen.

Möglichkeit einer telefonischen Tarifumstellung ohne E-Mailbestätigung

Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, so wäre es doch ebenso unwahrscheinlich, dass es keine Bestätigung der Bekl. für einen Tarifwechsel gegeben hat, sondern lediglich telefonisch eine solche Umstellung vorgenommen wurde. Allerdings sind dem Gericht auch insoweit bereits Fälle bekannt geworden, dass allein eine telefonische Umstellung möglich war (vgl. nur die Fälle AG Darmstadt, Urt. v. 2. 6. 2004 – 307 C 510/03; Urt. v. 1. 4. 2004 – 304 C 219/03; Urt. v. 21. 10. 2003 – 302 C 53/03; Urt. v. 22. 11. 2004 – 308 C 54/04; Urt. v. 22. 11. 2004 – 308 C 54/04). Üblicherweise erhält der Kunde allerdings zumindest eine Bestätigung des Tarifwechsels per E-Mail durch die Bekl.

Würdigung der Zeugenaussage

Auch wenn nach dem vorher Gesagten grundsätzlich der von dem Zeugen geschilderte Ablauf möglich ist, so verbleiben doch erhebliche Zweifel, ob sich das Telefongespräch tatsächlich so abgespielt hat, wie der Zeuge dies geschildert hat. Die Angaben des Zeugen waren sehr vage, er konnte sich nur grob daran erinnern, Einzelheiten des Gesprächs waren nicht mehr erkennbar. Ebenso erscheint es fraglich, dass das Telefongespräch nach den Angaben des Zeugen vor Einrichtung des DSL-Anschlusses war. In diesem Fall wäre es nur schwer vorstellbar, weshalb bereits zu diesem Zeitpunkt eine automatische Umstellung auf die Flatrate erfolgen sollte. Das AG Darmstadt hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass zwar keine übertriebenen Anforderungen an eine Konkretisierung von Daten eines Telefonats mit einer Hotline gestellt werden dürfen. Dennoch kann der Beweis für eine telefonische Tarifumstellung nur dann als geführt angesehen werden, wenn die Vereinbarungen am Telefon eindeutig bekundet werden können und auch sicher ist, dass die dort gemachten Angaben von dem Zeugen richtig verstanden und gegebenenfalls auch richtig umgesetzt worden sind (AG Darmstadt, Urt. v. 21. 10. 2003 – 302 C 53/03; Urt. v. 22. 11. 2004 – 308 C 54/04; Urt. v. 22. 11. 2004 – 308 C 54/04). Dies ist in den Fällen bejaht worden, in denen der Zeuge als Informatiker tätig war und mit der Einrichtung eines Netzwerks betraut war (AG Darmstadt, Urt. v. 2. 6. 2004 – 307 C 510/03; ähnlich AG Darmstadt, Urt. v. 1. 4. 2004 – 304 C 219/03). Bei einer Gesamtwürdigung verbleiben bei der vorliegenden Zeugenaussage für das Gericht zu viele Zweifel, die angesichts der Erkrankung des Zeugen auch nicht durch eine persönliche Vernehmung beseitigt werden können.

Umfang der Beanstandungen durch die Kl.

Mangels Vertragsschlusses war die Bekl. mithin zunächst berechtigt, die Internetgebühren weiterhin nach dem bisherigen Tarif zu berechnen. Die Pflichtverletzung der Bekl. ist allerdings in ihrem Verhalten in der Folgezeit ab August 2004 zu sehen. Es ist teilweise unstreitig und steht im Übrigen auf Grund der Beweisaufnahme und der vorgelegten Unterlagen für das Gericht fest, dass sich die Kl. regelmäßig über die nach ihrer Auffassung zu hohen Gebührenrechnungen beschwert hat. Unstreitig sind die Beschwerden vom 24. 8., 15. 10. und 14. 11. 2002. Darüber hinaus liegen vor eine Beschwerde ohne Datum sowie handschriftliche Eintragungen auf der Rechnung vom 19. 8. 2002. Insoweit hat der Zeuge T bestätigt, dass entweder er oder die Kl. regelmäßig nach Erhalt der Rechnungen diese bei der Bekl. beanstandet haben, und zwar in der Form, wie dies auf der Rechnung vom 19. 8. 2002 geschehen ist, nämlich per Fax. Diese Angaben sind für das Gericht glaubhaft. Sie sind einerseits bestätigt durch die von der Bekl. eingeräumten Beanstandungen, zum anderen ist dies auch nachvollziehbar, da die Kl. offensichtlich davon ausging, auf der Basis einer Flatrate das Internet zu benutzen. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass die Beschwerden, die vorliegend ohne Datum vorliegen, an die Bekl. oder die Deutsche Telekom AG, was ausreichend wäre, übersandt worden sind. Es gibt keine Anhaltspunkte, weshalb die Kl. diese Schreiben nicht hätte losschicken sollen.

Dass die Bekl. bestreitet, sie erhalten zu haben, ist demgegenüber unerheblich, da es durchaus nicht ausgeschlossen ist, dass die Schreiben nicht zu den zuständigen Stellen gelangt sind. Bei der Zahl von mehreren Millionen Internetzugängen und dem Umfang der Tätigkeit der Deutschen Telekom AG hält es das Gericht für durchaus möglich und hat sich gerichtsbekannt in zahlreichen Fällen bestätigt, dass Schreiben nicht ordnungsgemäß zugeordnet worden sind oder sonstwie verloren gingen. Dass die Bekl. mit Beschwerden von Nutzern durchaus nicht so umgeht oder umgegangen ist, wie sich die Bf. dies vorstellen, ergibt sich vorliegend bereits aus dem Schreiben der Bekl. vom 4. 12. 2002, in dem diese auf das Beschwerdeschreiben vom 24. 8. 2002 reagiert hat. Zwar entschuldigt sich die Bekl. darin für die verzögerte Bearbeitung des Einwandes, diese Entschuldigung reicht aber keinesfalls aus. Es ist einem Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses grundsätzlich nicht zuzumuten, dass er mehr als drei Monate auf die Antwort warten muss, während die beanstandete Verhaltensweise in der Zwischenzeit fortgesetzt wird.

Das Gericht geht auch davon aus, dass das Beanstandungsschreiben vom 24. 8. 2002 sich darauf bezog, dass die Flatrate nicht eingerichtet war. Der Zeuge T hat glaubhaft bekundet, dass er davon ausgegangen ist, eine Flatrate eingerichtet zu haben, so dass es ihm in der Folgezeit auch nur darum ging, den entsprechenden Pauschalbetrag berechnet zu bekommen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb er sich in anderer Art und Weise über den Tarif hätte beschweren können. Die Ausführungen der Bekl. zu der Umstellung des Tarifs surftime 90 sind insoweit nicht nachvollziehbar.

Vertragliche Nebenpflichtverletzung durch verspätete Reaktion

Auf diese Beanstandungsschreiben hat die Bekl. nicht vertragsgemäß reagiert. Insoweit ist ihr eine Vertragspflichtverletzung vorzuwerfen. In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass ein Dauerschuldverhältnis, in dem regelmäßig und kurzfristig Waren, Leistungen und Geldzahlungen ausgetauscht werden, die vertragliche Nebenpflicht beider Vertragspartner enthält, für eine möglichst reibungslose und transparente Abwicklung des Vertragsverhältnisses zu sorgen. Dazu gehört, dass Störungen kurzzeitig beseitigt werden, damit auf keiner Seite durch die weiterlaufende Austauschbeziehung größere Schäden oder Ausfälle entstehen können. Jede Vertragspartei trifft insoweit eine Fürsorgepflicht, möglichst Schaden von der anderen Seite abzuwenden und deshalb kurzfristig auf Beschwerden der anderen Seite einzugehen. Vorliegend wäre es der Bekl. zuzumuten gewesen, binnen weniger Tage auf die Schreiben der Kl. zu reagieren. Dass dies möglich ist, ergibt sich bereits daraus, das gerichtsbekannt Anträge per Internet, Hotline oder im T-Punkt innerhalb weniger Tage bearbeitet und Zugänge freigeschaltet werden. Der Kunde kann als Vertragspartner der Bekl. erwarten, dass diese nicht nur im Rahmen ihrer Akquisitionstätigkeit schnell und reibungslos funktioniert, sondern dass dies auch im Bereich der Beschwerdebearbeitung der Fall ist. Denn jeder Kunde wird nicht weniger wertvoll, nur weil sein Vertragsverhältnis bereits besteht und er deshalb in gewisser Weise an die Bekl. gebunden ist. Als Vertragspflicht der Bekl. kann deshalb festgestellt werden, dass diese in der Lage sein muss, auf Beschwerden kurzfristig zu reagieren, um Schäden von dem Kunden durch Falschbearbeitung oder Fehlbuchungen abzuwenden.

Das Gericht verkennt allerdings nicht, dass in dem umfangreichen Geschäftsbetrieb der Bekl. und der Einschaltung der Deutschen Telekom AG als Inkassostelle und auch Empfangsstelle für Beschwerden etc. Kommunikationsstörungen und längere Laufzeiten für Nachrichten und Informationen auftreten können. Ebenso kann angenommen werden, dass im Bereich des Beschwerdemanagements nicht immer die Arbeit taggleich abgeschlossen werden kann. Personalabbau in diesem Bereich führt naturgemäß auch zur Kostensenkung, die wiederum dem Kunden zugute kommt und von diesem auch gewünscht wird. Dies darf sich allerdings lediglich in einem überschaubaren Rahmen bewegen, so dass der Bekl. zuzumuten ist, spätestens binnen drei Wochen auf Beschwerden zu reagieren. Mithin ist die Reaktion vom 4. 12. 2002 weitgehend zu spät.

Erfordernis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Beschwerden

Darüber hinaus erschöpft sich die vertragliche Fürsorgeverpflichtung der Bekl. nicht nur in einer zeitnahen Beantwortung von Beschwerden. Sie hat darüber hinaus auch inhaltlich so zu sein, dass sie konkret und detailliert auf die Beschwerden der Kunden eingeht. Dem Gericht sind aus anderen Verfahren und aus Presseveröffentlichungen zahlreiche Schreiben der Bekl. bekannt, in denen diese auf detaillierte Beschwerden lediglich damit antwortet, dass der Vorgang geprüft und für in Ordnung befunden worden sei, ohne dass auf einzelne Beschwerden weiter eingegangen wird. Dies zeigt sich auch im Schreiben vom 4. 12. 2002, wo im letzten Absatz darauf eingegangen wird, dass die Rechnung sorgfältig geprüft worden sei, die Entgelte aber korrekt berechnet worden seien. Das Schreiben vom 14. 1. 2003 der Deutschen Telekom AG ist noch pauschaler und enthält lediglich die Auskunft: Nach Prüfung der Rechnungslegung ist ihr Einwand unbegründet.

Eine solche Beschwerdebehandlung reicht grundsätzlich nicht aus, um den Bedürfnissen des Kunden Rechnung zu tragen, der in der Regel detaillierte Einwendungen erhebt, wie dies vorliegend der Fall war. Die Kl. hat ersichtlich immer wieder darauf hingewiesen, dass ihr eine Flatrate vertraglich zugesichert worden sei. Es wäre deshalb der Bekl. ohne weiteres möglich gewesen, die Kl. darauf hinzuweisen, dass nach ihren Unterlagen keine Flatrate vereinbart gewesen war. Aus den nichtssagenden Auskünften der Bekl. konnte die Kl. keinesfalls entnehmen, dass vorliegend schon das Vertragsverhältnis aus Sicht der Bekl. überhaupt nicht bestand. Sie musste vielmehr davon ausgehen, dass es vorliegend lediglich um die Frage der Berechnung ging. Die Kl. hatte deshalb zunächst keine Veranlassung, an der aus ihrer Sicht bestehenden vertraglichen Vereinbarung zu zweifeln. Das Gericht hält deshalb grundsätzlich fest, dass die Bekl. dadurch, dass sie lediglich pauschal mitgeteilt hat, ihre Rechnungsstellung sei in Ordnung, ihre nebenvertragliche Aufklärungs- und Fürsorgepflicht gegenüber der Kl. verletzt hat.

Verpflichtung zur sach- und interessengerechten Weiterbehandlung von Beschwerden

Schließlich trifft die Bekl. allerdings eine weitere Nebenpflicht aus dem Dauerschuldverhältnis. Jeder Vertragspartner ist aus seiner Verpflichtung, jede mögliche Schädigung der anderen Seite zu vermeiden, gehalten, diese über Missverständnisse oder Fehleinschätzungen aufzuklären und dafür zu sorgen, dass die bestmögliche Vertragsabwicklung für beide Seiten ermöglicht wird. Dazu gehört nicht nur, entsprechende Beschwerden sachgerecht zu beantworten. Nach Auffassung des Gerichts ist jeder Vertragspartner auch verpflichtet, die Schreiben der Gegenseite so auszulegen und zu beantworten, dass dieser eine sachgerechte Vertragsgestaltung ermöglicht wird. Dazu gehört für das Gericht auch, dass Beschwerden gleichzeitig daraufhin überprüft werden, welche optimale Vertrags- und Tarifgestaltung möglich ist, und solche Beschwerden auch zugleich als entsprechende Anträge interpretiert werden. Diese sind dann sachgerecht weiter zu behandeln und gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Kunden auch umzusetzen. Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass die Bekl. die Beschwerde der Kl., dass sie eine Flatrate vereinbart habe, so interpretieren musste, dass die Kl. jedenfalls ab sofort eine Flatrate eingerichtet haben wollte.

Es ist nicht ausreichend, lediglich darauf hinzuweisen, dass eine solche nicht bestand oder alles ordnungsgemäß war, sondern es war erforderlich, die Vertragsgestaltung daraufhin zu überprüfen, ob die Einrichtung einer Flatrate möglich war. Dass dies der Fall war, ergibt sich bereits daraus, dass im Februar 2003 eine entsprechende Umstellung erfolgte.

Eine Hinweis- und Aufklärungspflicht der Bekl. hat das AG Darmstadt bereits in verschiedenen Verfahren bejaht (AG Darmstadt, Urt. v. 26. 10. 2004 – 309 C 637/03; Urt. v. 26. 5. 2003 – 312 C 17/03; Urt. v. 16. 9. 2004 – 304 C 192/04; LG Darmstadt, Hinweisbeschl. v. 3. 11. 2004 – 25 S 131/04, jeweils zu Nachfragepflichten bei unklarem Antrag; AG Darmstadt, Urt. v. 6. 4. 2004 – 300 C 297/03 zur Aufklärungspflicht des Providers bei Rücksendung eines Einsteigerpakets; AG Darmstadt, Beschl. v. 21. 11. 2003 – 312 C 288/03 zur allgemeinen Hinweispflicht bei Erhebung von Einwendungen).

Schadensschätzung gem. § 287 ZPO

Schadensrechtliche Folge der Verletzung von Hinweis- und Aufklärungspflichten ist gem. § 249 BGB, dass der Geschädigte so zu stellen ist, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung der entsprechenden Pflichten gestanden hätte. In vorliegendem Fall kann eindeutig davon ausgegangen werden, dass die Kl. unverzüglich auf der Einrichtung einer DSL-Flatrate bestanden hätte, die technisch und auch vertraglich ohne weiteres einzurichten war. Unter Berücksichtigung der dargestellten Informationslauf- und Bearbeitungszeiten kann im Rahmen einer Schätzung gem. § 287 ZPO davon ausgegangen werden, dass spätestens Ende September 2002 die Umstellung auf die Flatrate hätte erfolgt sein können. Mithin wäre ab Oktober 2002, das bedeutet entsprechend der Rechnung vom 14. 11. 2002, lediglich die Pauschalgebühr der Flatrate angefallen.

Ausgehend von der Klageforderung war die Kl. deshalb zur Zahlung der Gebühren für die Rechnung bis einschließlich Oktober 2002 verpflichtet. Dies macht eine Summe von 358,99 Euro aus, wobei die von der Kl. angenommenen Beträge – Rechnungsbetrag minus Flatrate, zzgl. MwSt. – zu Grunde zu legen sind ([194,20 – 19,85 + 135,12] + 16%). Die weiteren Gebühren aus den Rechnungen November 2002 bis März 2003, die über die Flatrate hinausgehen, sind der Kl. durch die Bekl. als Schaden zu ersetzen, da diese Gebühren bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung durch die Bekl. nicht angefallen wären. Dies macht einen Betrag von insgesamt 1018,70 Euro inklusive 16% Mehrwertsteuer aus.

Mitverschulden des Geschädigten

Dieser Schadensersatzanspruch der Kl. ist allerdings gem. § 254 BGB durch ein Mitverschulden gemindert. Dieses Mitverschulden setzt das Gericht mit einem Drittel der Schadensersatzforderung an. § 254 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung des Schadensersatzanspruchs hinnehmen muss. Die Kürzung des Anspruchs hängt nach § 254 BGB von dem Maß der Mitverursachung ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorliegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach Abs. 2 gilt dies auch dann, wenn sich das Verschulden des Geschädigten darauf beschränkt, dass er es unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern.

Diese Grundsätze greifen im vorliegenden Fall ein. Die Kl.bzw. der Zeuge T haben den Internetzugang weiter intensiv genutzt und entsprechende Gebühren produziert, obwohl ihnen angesichts des Verhaltens der Bekl. klar sein musste, dass es offensichtlich mit der Einrichtung der Flatrate Schwierigkeiten gab. Auch wenn sie sich regelmäßig beschwert haben, konnten sie doch nicht davon ausgehen, dass sich alles in ihrem Sinne aufklären würde. Sie mussten damit rechnen, dass es aus irgendwelchen Gründen Schwierigkeiten gegeben hatte, die dazu führten, dass die gewünschte Flatrate nicht eingerichtet worden war. Entsprechend mussten sie entweder verstärkt mit der Bekl. Kontakt aufnehmen, den Anschluss kündigen oder in jedem Fall die Nutzung nur auf das Notwendigste beschränken, um den Schaden gering zu halten.

Ein solches Mitverschulden hat das AG Darmstadt bereits in verschiedenen Fällen angenommen: Wenn eine Mitteilung eines Providers nicht eindeutig ist, ist der Kunde verpflichtet nachzufragen (AG Darmstadt, Urt. v. 26. 10. 2004 – 309 C 637/03). Der Kunde muss auf Nachfrage des Providers reagieren (AG Darmstadt, Urt. v. 21. 1. 2005 – 313 C 860/04). Der Kunde ist verpflichtet, nach Tarifwechsel die eingehenden Rechnungen daraufhin zu überprüfen (AG Darmstadt, Urt. v. 12. 5. 2004 – 305 C 356/03; Urt. v. 10. 9. 2004 – 311 C 82/04; LG Darmstadt, Urt. v. 1. 9. 2004 – 25 S 68/04). Ein Mitverschulden ist weiter angenommen worden, wenn trotz hoher Rechnungen eine Verbindung vermehrt genutzt wird (AG Darmstadt, Urt. v. 26. 3. 2004 – 312 C 446/03).

Begrenzung des Mitverursachungsanteils

Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Allerdings hat das erkennende Gericht das Mitverschulden der Kl. nicht wie üblich mit 50%, sondern lediglich mit einem Drittel angenommen. Der Zeuge T hat glaubhaft bekundet, wie bereits oben ausgeführt, dass die Kl. sich regelmäßig über die Rechnungen beschwert hat, so dass die Hauptverantwortung für die entstehenden Kosten bei der Bekl. liegt, die offensichtlich in keiner Weise adäquat reagiert hat. Außerdem hatte die Kl. erlebt, dass die Bekl. eine Rechnung gutgeschrieben hatte, wobei das Gericht davon ausgeht, dass dies nicht wegen der Einrichtung der Flatrate, sondern wegen Umstellungen des Tarifs auf surftime 90 der Fall gewesen ist (jedenfalls ist hinsichtlich der Gutschrift nicht zu erkennen, dass lediglich die Gebühr der Flatrate übrig geblieben wäre). Die Kl. konnte also davon ausgehen, dass die Bekl., wenn sie denn ihren Fehler feststellen würde, die zuviel verlangten Gebühren wieder stornieren würde. Bei einer Gesamtschau erscheint mithin die Verteilung der Mitverursachungsanteile von 2/3 zu Lasten der Bekl. und 1/3 zu Lasten der Kl. angemessen.

Bei Inanspruchnahme von Mehrwertdiensten kommt kein Vertrag mit Plattformbetreiber zustande

Zwischen dem Inhaber eines Telefonanschlusses, von dem aus ein Mehrwertdienst
angewählt wird, und dem Verbindungsnetz- sowie dem Plattformbetreiber
kommt kein Vertrag über die Erbringung von Verbindungsleistungen
zustande, wenn die Mitwirkung des Betreibers an der Herstellung
der Verbindung nach außen nicht deutlich wird.

Ein Entgeltanspruch wird in diesen Fällen auch nicht durch § 15 Abs. 1
Satz 1 TKV begründet.


BGH
Urteil vom 28. Juli 2005
Az.: III ZR 3/05

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofes nachlesen.

Artikel 12 – Die Rechtsfolgen der Abnahme

Die Abnahmearten und deren Rechtsfolgen-Ausschluß der Mängelhaftung, Lauf der Gewährleistungsfrist und Vergütungsanspruch.

In den beiden vorangegangen Artikeln dieser Serie wurden die Abnahmeverweigerung und der Mangelvorbehalt behandelt. Dieser Beitrag soll nun den Themenbereich zur Abnahme mit der Erläuterung weiterer Abnahmearten und den Rechtsfolgen der Abnahme beenden.

Die VOL kennt drei Arten der Abnahme: die förmliche, die Fiktion der Abnahme und die Abnahme von Teilleistungen. Die letztgenannte wurde bereits im vorhergegangenen Artikel dieser Serie beschrieben.

Die förmliche Abnahme ist die Erklärung des Auftraggebers, daß der Vertrag der Hauptsache nach erfüllt ist. Dies ist unabhängig von eventuell in einem Abnahmeprotokoll festzuhaltenden Mängeln. So ist die Abnahme, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben oder vertraglich vereinbart ist, auch ein einklagbares Recht des Auftragnehmers. Gesetzlich vorgeschrieben ist sie z. B. im Werkvertragsrecht (§ 640 Abs. 1 BGB), sie kann aber auch in den Ausschreibungsbedingungen oder den Zusätzlichen, Ergänzenden oder Besonderen Vertragsbedingungen festgelegt sein.

Handelt es sich demgegenüber nicht um einen Werkvertrag und ist auch keine Vereinbarung über die Abnahme in den Vertragsunterlagen getroffen worden, dann kann auch ohne ausdrückliche Abnahmeerklärung eine Inbenutzungnahme der Leistung dieselbe Folge haben. Abzugrenzen ist hier jedoch von einem „Probebetrieb“, welcher die Funktionstüchtigkeit der Leistung prüfen soll. Um eine genaue Grenzziehung zu gewährleisten, ist das Recht zu einer probeweisen Benutzung bereits in den Vertragsunterlagen festzuhalten. Diese „fiktive Abnahme“ schützt den Auftragnehmer u. a. vor Schwierigkeiten in der Beweisführung, nämlich ob ein Mangel erst durch die Benutzung durch den Auftraggeber entstanden ist oder bereits vorher angelegt war. Ebenfalls muß der Auftragnehmer nicht erst auf Abnahme klagen, um einen fälligen Zahlungsanspruch zu erhalten.

Durch die Abnahme entfällt die Haftung des Auftragnehmers für erkennbare Mängel, für welche der Auftraggeber sich seine Rechte, z. B. in einem Protokoll, nicht vorbehalten hat. Es beginnt ab diesem Zeitpunkt auch die Verjährung der Gewährleistungsansprüche zu laufen und der Anspruch des Auftragnehmers auf Zahlung der Vergütung wird fällig. Ebenfalls geht, wie in einem der vorherigen Artikel der Serie ausführlicher behandelt, der Übergang der Gefahr des zufälligen Unterganges der Leistung ab diesem Zeitpunkt auf den Auftraggeber über. Soweit Teilleistungen abgenommen werden, wirken, wenn nicht im Vertrag etwas anderes vereinbart ist, auch für diese die Folgen der Abnahme. So kann es dazu kommen, daß die Gewährleistungsfrist für einen Teil einer Gesamtleistung bereits zeitiger als für den Rest der Leistung zu laufen beginnt und demzufolge auch eher endet. Desgleichen kann für einen Teil der Leistung der Anspruch auf Vergütung bereits vor dem Vergütungsanspruch für das Gesamtwerk entstanden sein.

Das Beispiel aus der Praxis:
Bei einer im Wege der Ausschreibung beschafften Lieferung von Schulbüchern für den Mathematikunterricht der Klasse 5 war keine Regelung hinsichtlich der Abnahme getroffen worden. Die Bücher wurden am 15.08.1999 geliefert und am 17.08.1999 in Benutzung genommen. Obwohl es bereits bei der Abnahme erkennbar gewesen wäre, daß die Bücher auf dreißig Seiten unbedruckt waren, wurde es erst am 20.08.1999 durch den Auftraggeber bemerkt. Für diesen Mangel waren somit die Sachmängelansprüche ausgeschlossen.

Im Laufe der weiteren Benutzung stellte sich am 10.01.2000 heraus, daß ihre Heftung unzureichend ausgeführt war. Dadurch konnten die Bücher nicht das gesamte Schuljahr hindurch genutzt werden, da sie der Beanspruchung nicht standhielten. Dieser Mangel war jedoch nicht von Anfang an zu erkennen, da erst durch die Benutzung die zu geringe Verleimung zutage trat.

Durch die Inbenutzungnahme am 17.08.1999 stand dem Auftragnehmer ab diesem Zeitpunkt der Vergütungsanspruch zu, da zu diesem Datum die „fiktive Abnahme“ erfolgte. Auch begann die Verjährungsfrist für die Sachmängelansprüche nach § 14 VOL/B zu laufen, diese war auch am 10.01.2000 noch nicht abgelaufen.

Der Auftragnehmer konnte daher bereits ab 17.08.1999 seine Vergütung fordern. Nach der Geltendmachung der mangelhaften Heftung, welche am 10.01.2000 erkannt wurde, war er jedoch zur Erfüllung seiner Pflichten aus Sachmängelhaftung nach den Regelungen des § 14 VOL/B verpflichtet.

Artikel 11 – Verweigerung der Abnahme

Wann kann der Auftraggeber die Abnahme wegen bestehender Mängeln verweigern und ist eine Abnahme nur von Teilen der Leistung möglich?

Im vorhergehenden Heft wurde dargelegt, daß die Abnahme der entscheidende Zeitpunkt für den Vorbehalt von Mängelgewährleistungsrechten ist. Sind nämlich Mängel zu diesem Zeitpunkt bereits erkannt, müssen diese auch in einem Abnahmeprotokoll verzeichnet und sich die Rechte daraus vorbehalten werden.

Jedoch kann der Auftraggeber auch wegen Mängeln des Werkes oder der Leistung nach § 13 Nr. 2 Absatz 1 VOL/B die Abnahme verweigern, wenn es sich um „wesentliche“ Mängel handelt. Im Gegenzug dazu ist bei „nicht wesentlichen“ Mängeln die Abnahmeverweigerung ausgeschlossen, wenn durch den Auftragnehmer seine Pflicht zur Beseitigung des Mangels ausdrücklich anerkannt wird. Wenn der Auftragnehmer dieses Anerkenntnis jedoch verweigert, kann der Auftraggeber allerdings auch bei „nicht wesentlichen“ Mängeln die Abnahme ablehnen.

Wann nun solche „wesentlichen“ oder „nicht wesentlichen“ Mängel vorliegen, kann nicht generell dargestellt werden. Dies richtet sich jeweils nach dem Einzelfall. Zumindest liegt ein „nicht wesentlicher“ Mangel dann vor, wenn dem Auftragnehmer zuzumuten ist, die Leistung als im wesentlichen vertragsgemäß anzunehmen. Dies ist der Fall, wenn er sich hinsichtlich der bestehenden Mängel durchaus auf die ihm zustehenden Gewährleistungsrechte verweisen lassen muß und die Leistung nach dem im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch für ihn nicht völlig ungeeignet ist. Im Zweifel muß darüber, ob ein wesentlicher Mangel vorliegt, ein Gutachter entscheiden.

Wenn durch den Auftraggeber die Leistung nicht abgenommen wird, sind die dafür geltenden Gründe dem Auftragnehmer mitzuteilen. Damit verbunden soll eine Frist zur Nachbesserung und erneuten Vorstellung zur Abnahme gestellt werden. Verzögerungen, die durch eine solche Nachbesserung entstehen und vom Auftragnehmer verschuldet sind, gehen zu seinen Lasten. Er kann sich lediglich damit zur Wehr setzen, daß er die Leistung ordnungsgemäß erfüllt habe und die Abnahmeverweigerung ungerechtfertigt sei.

Kann der Auftraggeber mit in sich abgeschlossenen Teilen der Leistung etwas anfangen, kann er auch Teilleistungen abnehmen, für welche dann die Gewährleistungsfrist zu laufen beginnt. Ebenso kann eine solche Abnahme erfolgen, wenn Teile der Leistung im weiteren Fertigungsgang in eine Gesamtleistung so eingebaut werden, daß sie nicht mehr zugänglich sind. Sie können dann bei einer Abnahme des Gesamtgegenstandes nicht mehr geprüft und daher auch nicht mehr abgenommen werden. Unter Teilleistungen werden allerdings auch Einzelteile einer Leistung verstanden.

Das Beispiel aus der Praxis:
Aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung hatte ein Auftragnehmer technische Prüfgeräte zu liefern. Diese waren nach der Leistungsbeschreibung für die volle Funktionsfähigkeit so auf einem Sockel aufzubringen, das sie bei Aufstellung in einer vorgegebenen Toleranz horizontal und vertikal eingestellt werden konnten. Weiterhin hatte der Auftragnehmer auch Hard- und Software für die Auswertung der mit den Geräten vorzunehmenden Prüfungen zu liefern.

Zum Abnahmetermin wurde festgestellt, daß die gelieferten Prüfgeräte starr auf dem Sockel befestigt waren, so daß eine Einstellung wie gefordert nicht erfolgen konnte. Durch diesen Mangel waren die Geräte, welche sonst keine Fehler aufwiesen, für den Auftraggeber nach dem im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch ungeeignet. Er verweigerte aus diesem Grund berechtigt die Abnahme, teilte ihn dem Auftragnehmer mit und setzte eine Frist von 14 Tagen zur Nachbesserung und erneuten Vorstellung der Geräte zur Abnahme. Bis zu diesem Zeitpunkt mußte er sich für die bei ihm nicht erbringbaren technischen Prüfungen jedoch externer Dienstleister bedienen. Diese stellten gegenüber dem Auftraggeber die in den 14 Tagen erfolgten Leistungen in Rechnung. Der Auftragnehmer war verpflichtet, die aufgewendeten Kosten zu ersetzen, da die Abnahmeverweigerung seitens des Auftraggebers berechtigt erfolgte.

Die ebenfalls vom Auftragnehmer gelieferte Hard- und Software war jedoch in Ordnung, so daß sie durch den Auftraggeber bereits abgenommen werden konnte. Für diesen Teil der Leistung begann die Gewährleistungsfrist zu laufen und der Auftragnehmer konnte auch bereits Zahlung verlangen. Dafür hatte der Auftraggeber dem Auftragnehmer auch keine Mehrkosten in Rechnung gestellt, da er solche auch nicht ersetzt bekommen hätte.

Artikel 10 – Die Abnahme

Die Abnahme – lediglich die Erklärung des Auftraggebers, daß der Auftragnehmer den Vertrag erfüllt hat?

Die Regelungen über die Abnahme in § 13 VOL/B sind eine der wichtigsten des gesamten Vertragsrechtes der öffentlichen Auftragsvergabe. Spätestens mit der Abnahme geht die ursprüngliche Haftung des Auftragnehmers für die zufällige Verschlechterung oder den Untergang der Leistung auf den Auftraggeber über. In § 13 Nr. 1 VOL/B wird darauf verwiesen, daß für den Übergang der Gefahr die gesetzlichen Vorschriften gelten. Dies bedeutet, daß es bei Vorliegen eines Kaufvertrages der Zeitpunkt der „Übergabe“, bei einem Werkvertrag der der „Abnahme“ ist.

Soll nun die Leistung auf Verlangen des Auftragnehmers versandt werden, so geht bereits ab dem Zeitpunkt der Übergabe an den Lieferanten die Gefahr auf den Auftraggeber über. Ebenfalls kann die Gefahr schon vor Abnahme oder Übergabe auf den Auftraggeber übergehen, wenn auf dessen Wunsch der im Vertrag dafür vorgesehene Termin verschoben wird.

Unabhängig davon, ob es sich um einen Werk- oder Kaufvertrag handelt, stellt § 13 VOL/B hinsichtlich der Mängelgewährleistungsrechte auf den Zeitpunkt der „Abnahme“ ab. Diese Bezeichnung umfaßt sowohl die Abnahme bei einem Werkvertrag als auch die Übergabe bei einem Kaufvertrag. So kommt es durch die Abnahme der erbrachten Leistung durch den Auftraggeber „als vertragsgemäß“ zu einem Ausschluß der Mängelgewährleistungsrechte unter folgenden Vorraussetzungen: Wenn der Auftraggeber die Mängel „erkannt“ und seine Rechte nicht „wegen eines bestimmten Mangels vorbehalten“ hat, entfällt die Haftung des Auftragnehmers für diese Mängel.

Was sind nun Mängel bei der durch den Auftragnehmer zu erbringenden Leistung? Der Begriff des Mangels in der VOL ist dem gesetzlichen, wie er in § 633 BGB für den Werkvertrag und in § 434 BGB für den Kaufvertrag bestimmt ist, gleichzusetzen. Danach liegt ein Mangel vor, wenn das Werk oder die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Es kommt also vor allem auf die Vereinbarungen im Vertrag an, welchen besonders hohe Bedeutung beizumessen sind. Soweit Beschaffenheiten jedoch nicht oder unzureichend vereinbart sind, kommt es darauf an, ob es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder – bei Fehlen einer Regelung – für die gewöhnliche Verwendung eignet.

Es ist somit immer die vertragliche Vereinbarung vorrangig, die Parteien sollen selbst festlegen können, welche Merkmale der zu liefernde Gegenstand oder die zu erbringende Leistung haben soll. Lediglich bei fehlenden und lückenhaften Beschreibungen wird auf die „Üblichkeit“ zurückgegriffen.

Das Beispiel aus der Praxis:
Durch ein Unternehmen sollten für die Ausstattung einer Behörde sowohl 10 PC-Systeme als auch die für das Verwalten der anfallenden Daten notwendige Software inklusive Handbuch geliefert werden. Nach dem Vertrag sollten die PCs in der Behörde zur Erstellung von Planungszeichnungen mit hohem Grafikaufwand Verwendung finden. Die Auftraggeberin erbat die Übersendung der PC durch einen von ihr ausgewählten privaten Zustelldienst. Dabei schloß jedoch der Auftragnehmer den Transportvertrag mit dem Lieferunternehmen im eigenen Namen ab.

Bei dem Transport vom Auftragnehmer zur Auftraggeberin verursachte der Fahrer des Lieferfahrzeuges einen Unfall. Durch diesen wurden 5 der 10 gelieferten Monitore beschädigt.

Der Auftragnehmer war ab dem Zeitpunkt des Beladens des Transporters trotz eigenen Vertrages mit diesem Unternehmen von der Haftung befreit. Er muß somit die 5 zerstörten Monitore nur gegen Zahlung einer weiteren Vergütung erneut liefern. Die Auftraggeberin konnte nicht kostenfreie Neulieferung vom Auftragnehmer verlangen.

Allerdings hatte der Auftragnehmer die PC-Systeme nicht mit einer zur Erstellung von Planungszeichnungen ausrechenden Grafikkarte ausgestattet. Ebenfalls hatte er auch der Nachlieferung nicht das vereinbarte Handbuch beigefügt. Aus dem geschlossenen Vertrag ergab sich, wozu die Auftragnehmerin die Systeme verwenden wollte. Da sie jedoch nicht die Anforderungen erfüllten, lag hier ein Mangel vor. Dieser konnte durch den Auftragnehmer nachgebessert werden, jedoch war der Vertrag bis zur vereinbarten Lieferung des Handbuches für die erstellte Software nicht erfüllt.

Artikel 9 – Vertragsstrafen

Richtige Vereinbarung von Vertragsstrafen und angemessene Obergrenzen.

In Verträgen, welche durch die öffentliche Ausschreibung geschlossen werden, sind Vertragsstrafen nicht von vornherein Vertragsbestandteil, können aber nach § 11 VOL/B Gegenstand der Vereinbarung sein. Wenn nun solche in der Ausschreibung durch die öffentliche Hand vereinbart werden sollen, muß die entsprechende Regelung entweder in den BVB, ZVB oder anderen, Vertragsbestandteil werdenden Ausschreibungsunterlagen, enthalten sein.

Jedoch reicht allein eine solche Einbeziehung in den Vertrag nicht aus. Die Vertragsstrafen müssen nach der Rechtssprechung auch eine Reihe von Bedingungen erfüllen, um überhaupt wirksam vereinbart zu sein. So kommt es nämlich des Öfteren vor, daß überhaupt keine wirksame Vereinbarung vorliegt, bzw. eine solche durch die Gerichte aufgehoben wird.

Damit man weiß, wann eine solche Vereinbarung auch wirksam ist, muß man sich erst einmal den Charakter der Vertragsstrafe verdeutlichen. Diese stellt keinen Selbstzweck dar, sondern soll den Auftragnehmer anhalten, die von ihm geschuldete Leistung vertragsgemäß zu erfüllen. Weiterhin stellt sie auch einen „pauschalierten Schadensersatz“ dar, womit bis zur Höhe der fällig gewordenen Vertragsstrafe ein solcher Schaden durch den Auftraggeber nicht nachgewiesen werden muß.

Nach § 12 VOL/A sollen Vertragsstrafen nur für die Überschreitung von Ausführungsfristen ausbedungen werden. Dieser Bereich ist also der Hauptanwendungsfall.

Sind z. B. für die Überschreitung mehrerer nacheinanderfolgender Ausführungstermine Vertragsstrafen vereinbart und ist es dem Auftragnehmer nicht möglich, bei Überschreitung bereits des ersten Ausführungstermins bei aller Anstrengung die weiteren einzuhalten, so ist die Vereinbarung der weiteren Vertragsstrafen unwirksam, der Auftragnehmer muß lediglich die erste zahlen.

Auch dürfen Vertragsstrafen nur in angemessener Höhe vereinbart werden. Wenn für jeden Tag der Überschreitung ein bestimmter Satz vereinbar t ist, muß dieser auch angemessen sein. Feste Regeln gibt es dafür jedoch nicht. So hat der Bundesgerichtshof 1,5 % je Arbeitstag für unwirksam erklärt, 0,1 % je Arbeitstag und höchstens 10 % der Angebotssumme jedoch für wirksam gehalten.

Die Vertragsstrafe ist selbstverständlich nur verwirkt, wenn der Auftragnehmer mit seiner Leistung verschuldet in Verzug gerät. Liegt es dagegen am Auftraggeber, daß die Erfüllung nicht oder nicht fristgemäß erfolgen kann, z. B. weil er die zur Ausführung nötigen Konstruktionspläne nicht rechtzeitig geliefert hat, kann er selbstverständlich vom Auftragnehmer auch keine Vertragsstrafe verlangen.

Das Beispiel aus der Praxis:
Bei der Durchführung eines Lieferauftrages wurde für Verzögerungen eine Vertragsstrafe von 0,1 % je Arbeitstag, höchstens jedoch 5 % der Auftragssumme vereinbart. Bei der Lieferung sollte der Auftraggeber Begleitpersonal stellen. Aufgrund von Streiks kam es zu einer Verzögerung der Auslieferung auf Seiten des Auftragnehmers um zwanzig Tage. Diese Verzögerung wurde von ihm auch ordnungsgemäß angezeigt, so daß er ein Recht auf die angemessene Verschiebung des Lieferzeitpunktes hatte. Zum neu festgesetzten Liefertermin konnte der Auftraggeber jedoch nicht das von ihm zu stellende Personal aufbringen, um die Lieferung zu begleiten. Daher mußte die Lieferung um weitere zehn Tage verschoben werden.

Zu diesem neu vereinbarten Termin konnte der Auftragnehmer jedoch nicht das notwendige Transportfahrzeug stellen, so daß erst fünf Tage später die Lieferung erfolgte.

Der Auftraggeber machte nun 3,5 % der Auftragssumme als Vertragsstrafe geltend. Diese berechnete er aus den zwanzig Tagen Verzögerung durch den Streik, die daran anschließenden zehn Tage Verzögerung wegen ihm fehlenden Personals und den weiteren fünf Tagen aufgrund des nicht bereitgestellten Transportfahrzeuges.

Der Auftraggeber konnte jedoch lediglich für die vom Auftragnehmer verschuldeten fünf Tage Verzögerung Vertragsstrafe verlangen. Sowohl die ersten zwanzig als auch die nachfolgenden zehn Tage hatte dieser nicht zu verschulden. Somit konnte der Auftraggeber vom Auftragnehmer lediglich 0,5 % der Auftragssumme fordern.

Artikel 8 – Kündigung durch Auftragnehmer

Kündigungsrecht des Auftragnehmers und Abrechnung der erbrachten Leistungen.

In der letzten Ausgabe wurde dargelegt, wann der Auftraggeber ein Kündigungsrecht hat. Jedoch stehen auch dem Auftragnehmer Ersatzrechte zu bzw. hat er die Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen. Voraussetzung ist, daß der Auftraggeber mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten in Verzug gerät. Welche Pflichten dies sind, richtet sich hauptsächlich nach dem konkreten Vertrag. Generell kann man jedoch folgende Grundpflichten, welche für eine Vielzahl von Verträgen gelten, nennen:

Der Auftraggeber hat bei Verträgen die vereinbarte Vergütung zu entrichten. Nicht nur die Zahlung nach Ende des Vertrages sondern vielfach auch vereinbarte Abschläge gehören hierzu. Weiter hat auch der Auftraggeber Leistungen und Zuarbeiten zu erbringen. So kann es dazu kommen, daß zur Leistungserbringung erforderliche Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt werden oder eine ordnungsgemäße und fristgerechte Bereitstellung von Zulieferungen nicht erfolgt. Auch die rechtzeitige Abnahme der Auftragnehmerleistungen durch den Auftraggeber gehört zu seinen Pflichten.

Welche Folgen die Verletzung dieser Pflichten hat richtet sich danach, ob der Auftraggeber seine Mitwirkung mit oder ohne Verschulden unterläßt. So kann bei verschuldeter Nichtzahlung der Auftragnehmer vom Auftraggeber Verzugszinsen verlangen. Ebenfalls kann er in einem solchen Fall bis zur Zahlung die Ausführung der weiteren Arbeiten einstellen. Weiterhin kann er dem Auftraggeber eine angemessene Frist zur Zahlung setzen, nach deren Ablauf er die Zahlung ablehnt. Danach kann er vom Vertrag zurücktreten bzw. Schadensersatz verlangen.

Wenn nun der Auftraggeber eine notwendige Mitwirkung ohne sein Verschulden unterläßt, kann auch in einem solchen Fall der Auftragnehmer die vereinbarte Leistung nicht vertragsgemäß erbringen. Er muß dann, um sich vom Vertrag lösen zu können, eine angemessene Frist setzen mit der Erklärung, daß er nach deren Ablauf mit sofortiger Wirkung kündigen werde.

Wenn nun eine solche Kündigung erfolgt ist, sind die erbrachten Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen. Dies bereitet bei Kaufverträgen in Teillieferungen mit fest zugeordneten Preisen regelmäßig keine Probleme. Schwierig wird dies lediglich bei Verträgen, bei denen eine klare Trennung nach Teilleistungen nicht erfolgen kann. Dies sollte daher schon bereits bei Vertragsschluß beachtet und entsprechende Abrechnungsregelungen in diesen aufgenommen werden.

Weiter hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf angemessene Entschädigung dafür, daß er Arbeitskräfte und Kapital bereithält und in seinen Erwartungen hinsichtlich des errechneten Gesamtgewinns enttäuscht wird.

Das Beispiel aus der Praxis:
In einer Ausschreibung der Gemeinde G. wurde vereinbart, Abschlagszahlungen nach Leistungsstand zu erbringen. Trotz ordnungsgemäßer Fertigstellung und Anzeige der ersten 50 % der Ausführungen an die Auftraggeberin verweigerte diese grundlos die Zahlung. Der Auftragnehmer, welcher die Zahlungen für seinen Gewerbebetrieb fest eingeplant hatte und aufgrund der Nichtzahlung einen Kredit aufnehmen mußte, konnte die zusätzlichen Darlehenskosten von der Auftraggeberin ersetzt verlangen. Weiterhin setzte er, da eine ordnungsgemäße Vertragsdurchführung nicht mehr in Betracht kam, der Auftragnehmerin eine Zahlungsfrist und trat nach deren erfolglosen Ablauf vom Vertrag zurück.

Bei einem auf einer weiteren Ausschreibung beruhenden Vertrag sollte die Auftraggeberin Spezialtransporttechnik für die Lieferung von Sondermaschinen bereitstellen, welche sie selbst in ihrem Fuhrpark vorhielt. Das Transportfahrzeug wurde jedoch bei einem vorhergehenden Einsatz durch einen Verkehrsunfall beschädigt und war aufgrund dessen einsatzunfähig. Eine vertragsgemäße Erbringung der Leistung war dem Auftragnehmer daraufhin nicht mehr möglich, sowohl er als auch die Auftraggeberin konnten kein Ersatzfahrzeug beschaffen. So war es für den Auftragnehmer notwendig den Vertrag zu kündigen, um seine Abrechnung erstellen zu können. Danach konnte er sowohl die bisher erbrachte Leistung, die Anfertigung der Spezialmaschine, als auch eine angemessene Entschädigung (für den Wegfall der Vergütung für den Einbau) als entgangenen Gewinn verlangen.

Artikel 7 – Vertragsdurchführung

Welche Auswirkungen können Insolvenzverfahren über das Unternehmen des Auftragnehmers bzw. Wettbewerbsabreden bei der Ausschreibung auf die Vertragsdurchführung haben?

Ein Insolvenzverfahren über das Unternehmen des Auftragnehmers bedeutet nicht, daß automatisch die Verträge mit dem öffentlichen Auftraggeber beendet sind. Vielmehr hat sowohl das Unternehmen als auch der Auftraggeber ein Interesse daran, daß der Vertrag erfüllt wird und Zahlungen an das Unternehmen fließen.

Jedoch kann es aufgrund der dem Insolvenzverfahren zugrundeliegenden Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens z. B. zu Engpässen in der Lieferung benötigter Materialien oder in der Beschäftigung der zur Vertragsdurchführung erforderlichen Arbeitskräfte kommen. In solchen Fällen ist es dem Auftraggeber nach § 8 Nr. 1 VOL/B gestattet, entweder vom Vertrag zurückzutreten oder ihn zu kündigen. Dieses Recht besteht, sobald die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt ist. Es kann aber eben auch nur dann geltend gemacht werden, wenn durch die Insolvenz die Vertragserfüllung gefährdet ist.

Ein ebensolches Recht sich vom Vertrag zu lösen hat der Auftraggeber, wenn der Auftragnehmer sich bei der Vergabe an einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des „Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ beteiligt hat. Eine solche Beteiligung liegt z. B. vor, wenn durch Preisabsprachen unter Bietern ein echter Preiswettbewerb behindert wurde oder Preise abredegemäß zu hoch angeboten worden sind.

Wenn der Auftraggeber sich dafür entscheidet, den Vertrag aufzulösen, kann er dies entweder durch die Erklärung eines Rücktrittes oder die Kündigung des Vertrages tun. Bei einem Rücktritt sind die gegenseitig gewährten Leistungen zurückzugewähren. Das ist auf Seiten des Auftraggebers regelmäßig bereits geleistetes Geld in Form von Abschlagszahlungen. Insoweit besteht eine Rückzahlungspflicht des Auftragnehmers. Es kann sich aber auch um überlassene Materialien zum Einbau und zum Verbrauch handeln. Der Rücktritt wird daher nur dann gewählt werden, wenn entweder der Auftragnehmer noch keine Leistungen erbracht oder der Auftraggeber an den erbrachten kein Interesse hat. Bei einer Kündigung sind dagegen die bisherigen Leistungen nach ihrem Verhältnis zur Gesamtleistung abzurechnen. Dies gilt wiederum nur für Leistungen, für welche der Auftraggeber Verwendung hat, nicht verwendbare Leistungen sind zurückzugewähren. Zusätzlich kann der Auftraggeber für die Nichterfüllung der noch offenen Leistungen Schadensersatz verlangen. Der dabei zu ersetzende Schaden kann z. B. in den Mehrkosten liegen, welche durch die Beauftragung eines anderen Unternehmens mit der Fertigstellung entstehen. Bei diesem Schadensersatzanspruch gibt es keine Begrenzung, so daß er auch entgangenen Gewinn umfaßt.

Das Beispiel aus der Praxis:
Eine städtische Ausschreibung war auf die Vergabe von Einsammeln, Sortieren und Verwerten von Haushaltsmüll für zwei Jahre gerichtet. Über das den Zuschlag erhaltende Unternehmen wurde nach eineinhalb Jahren Vertragslaufzeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Zwar konnte das Unternehmen nach ca. einem Jahr saniert werden, jedoch kam es durch Zahlungsschwierigkeiten zwischenzeitlich dazu, daß zur Einsammlung des Mülls notwendige Fahrzeuge nicht mehr repariert werden konnten. Diese fielen daraufhin aus. Ebenfalls konnten die an den Sortierbändern stehenden Arbeiter nicht mehr bezahlt werden. Die Folge war, daß der Müll nicht mehr im vorgesehenen regelmäßigen Turnus abgeholt wurde.

Die Stadt, welche gegenüber ihren Einwohnern zur Abholung verpflichtet war, mußte nunmehr eine Lösung des Problems suchen. Sie kündigte daher den Vertrag mit dem Unternehmen und setzte kurzfristig den in der Ausschreibung Zweitplatzierten für die Entsorgung ein.

Durch diesen schnellen Einsatz mußte das nunmehr müllentsorgende Unternehmen Investitionen tätigen und Kredite aufnehmen, welche weit über die im normalen Verfahren entstehende Kosten hervorriefen. Diese Kosten legte das Unternehmen in seinen Preisen auf die Stadt um. Die Stadt wiederum konnte die ihr im Gegensatz zum ursprünglichen Vertrag entstandenen Mehrausgaben von dem in Insolvenz gefallenen Unternehmen zurückverlangen. Da die Sanierung des insolventen Unternehmens auch gelang, war der Anspruch der Stadt durchsetzbar, sie konnte ihre Mehrkosten geltend machen.

Artikel 6 – Leistungsstörungen

Was passiert, wenn der Auftragnehmer verspätet oder gar nicht leistet?

Wenn der Auftragnehmer durch eigenes Verschulden verspätet leistet (Verzug), finden nach dem Wortlaut des § 7 Nr. 1 VOL/B „die gesetzlichen Regelungen Anwendung“. Diese haben durch die Schuldrechtsreform, welche Anfangs des Jahres 2002 in Kraft getreten ist, Änderungen erfahren. Nachfolgend sind die neuen Regelungen eingearbeitet.

Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber jeglichen, bei diesem eintretenden, Verzugsschaden zu ersetzen. Ein solcher kann u. a. durch die Zerstörung der Sache, welche der Auftragnehmer zu leisten verpflichtet ist, entstehen. Die Schadensersatzverpflichtung ist auch bei einer durch Zufall eingetretenen Zerstörung, wenn sie nach dem Verzugszeitpunkt liegt, denkbar. Wenn als Schaden entgangener Gewinn geltend gemacht wird, ist jedoch durch die VOL/B die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz begrenzt. Das gilt ebenfalls für den Gewinn, der durch die Nichterfüllung (die Leistung kann oder will nicht mehr durch den Auftragnehmer erbracht werden) dem Auftraggeber entgeht. Die Schadensersatzpflicht kann auch durch Vertrag weiter begrenzt werden.

Wenn der Auftragnehmer seine Leistung nicht mehr erfüllen kann oder will, muß der Auftraggeber ihm eine angemessene Frist zur Erfüllung der Leistung setzen (Nachfrist). Ist diese nun erfolglos verstrichen, kann er sich vom Vertrag lösen und Schadensersatz verlangen. Eine solche Fristsetzung ist jedoch entbehrlich, wenn der Auftragnehmer sich bereits ernsthaft und endgültig geweigert hat, die Leistung zu erfüllen.

Wird nun Schadensersatz gleich welcher Art gefordert, muß der Auftragnehmer die ihm zur Ausführung überlassenen Unterlagen (z. B. Zeichnungen und Berechnungen) unverzüglich zurückgeben. Im Gegenzug ist der Auftraggeber verpflichtet, dem Auftragnehmer ebenfalls unverzüglich eine Aufstellung über die Art seiner Ersatzansprüche zu übermitteln. Stellt ein anderer Unternehmer das Werk fertig oder liefert die Leistung, sind die dafür aufgewendeten Mehrkosten durch den Auftragnehmer zu ersetzen. Der Auftraggeber hat diese innerhalb von drei Monaten nach Abrechnung mit dem neuen Vertragspartner dem ursprünglichen Auftragnehmer mitzuteilen.

Nach den neuen Regelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes kann nunmehr der Auftraggeber bei Verzug oder Nichterfüllung der Leistung durch den Auftragnehmer zusätzlich zu dem bereits genannten Schadensersatz vom Vertrag zurücktreten. Rücktritt heißt, daß die bereits empfangenen Leistungen rückabgewickelt werden. So müssen z. B. Zwischenzahlungen zurückgeleistet, ebenfalls aber auch bereits erbrachte Lieferungen oder Leistungen zurückgegeben werden. Das alles jedoch nur, wenn dies nach der Natur der Sache möglich ist. So wäre es z. B. bei Dienstleistungen größtenteils ausgeschlossen.

Das Beispiel aus der Praxis:
Im Rahmen einer Ausschreibung hatte sich ein Unternehmen dazu verpflichtet, dem Auftraggeber bis zu einem festgelegten Termin Tische und Stühle zur Ausstattung von Schulungsräumen zu liefern. Das Unternehmen konnte nun diesen Termin wegen fehlerhafter Ablaufplanung im eigenen Betrieb nicht einhalten. Der Auftraggeber mußte deshalb für schon festgelegte Schulungstermine Ausweichräume anmieten. Bei der Anlieferung kam es zu einem unverschuldeten Verkehrsunfall, bei welchem die zu liefernden Tische und Stühle zerstört wurden. Der Auftragnehmer war trotzdem weiter verpflichtet, die vertraglich vereinbarten Leistungen vorzunehmen. Die bis zur neuen Herstellung und Anlieferung der Tische und Stühle beim Auftraggeber durch die Anmietung von Ersatzräumen entstandenen Kosten hatte der Auftragnehmer zu tragen.

Nun konnte er aufgrund des Austausches von Maschinen in seinem Unternehmen zwar noch die vereinbarten Stühle, jedoch nicht mehr die Tische liefern. Das teilte er dem Auftraggeber mit, welcher sich daraufhin vom Vertrag löste und die Tische in einem anderen Unternehmen teurer herstellen lassen mußte. Der Auftragnehmer war nunmehr verpflichtet, die ihm übergebenen Zeichnungen wieder herauszugeben, damit das neu beauftragte Unternehmen die Tische maßgerecht herstellen konnte. Ebenfalls mußte der Auftragnehmer die dem Auftraggeber durch die Beauftragung des neuen Unternehmens entstehenden Mehrkosten ersetzen. Im Gegenzug dazu war es die Pflicht des Auftraggebers, einerseits unmittelbar nach Beauftragung des neuen Unternehmens dem Auftragnehmer mitzuteilen, daß er die Mehrkosten der Herstellung zu tragen habe. Andererseits mußten diese Mehrkosten innerhalb von drei Monate nach Fertigstellung und Abrechnung mit dem neuen Unternehmen dem Auftragnehmer in Rechnung gestellt werden.

Artikel 5 – Rechte des Auftragnehmers

Rechte des Auftragnehmers bei unverschuldeter Verzögerung der Leistungsausführung

Im letzten Teil der Serie wurde darauf hingewiesen, welche Pflichten sich für den Auftragnehmer ergeben, wenn die Leistungsausführung behindert wird und dies überwiegend in seinem Verantwortungsbereich liegt. Dagegen soll nunmehr dargestellt werden welche Rechte er hat, wenn die Behinderung ihm nicht zugerechnet wird.

Die Verzögerungen sind dem Auftragnehmer u. a. bei „höherer Gewalt“ nicht zuzurechnen. Sie ist gegeben, wenn ein von außen auf den Betrieb einwirkendes außergewöhnliches Ereignis stattfindet, welches unvorhersehbar ist und selbst bei Anwendung äußerster Sorgfalt ohne Gefährdung des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmens nicht abgewendet werden kann. Beispielhaft sind z. B. Erdbeben, Blitzschlag, Brandstiftung oder Explosionen zu nennen.

Ebenfalls sind z. B. Streik und rechtlich zulässige Aussperrungen Gründe, die eine Unterbrechung rechtfertigen und nicht dem Auftragnehmer zuzurechnen sind. Dabei muß die Aussperrung jedoch nach Arbeitsrecht zulässig gewesen sein. Das gleiche gilt, wenn solche Behinderungen bei Unterauftragnehmern und Zulieferern auftreten und der Auftragnehmer, egal aus welchem Grund, gehindert ist, Ersatzbeschaffungen vorzunehmen.

Es sind zwei mögliche Folgen der Behinderung zu unterscheiden: Einerseits ist durch die Behinderung noch keine Unterbrechung der Leistungsausführung von länger als drei Monaten eingetreten. In diesen Fällen ist die Frist, wie sie sich aus dem Vertrag ergibt, „angemessen“ zu verlängern (§ 5 Absatz 2 Nr. 1 VOL/B). Eine angemessene Verlängerung ist dabei auf jeden Fall die Zeit der Unterbrechung. Um diese Zeit ist also die ursprüngliche Ausführungsfrist hinauszuschieben. Ein Verzug des Auftragnehmers mit seiner Leistung tritt somit bis zum Ablauf dieser neuen Ausführungsfrist nicht ein.

Andererseits kann bei einer Behinderung von länger als drei Monaten sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber kündigen oder ganz bzw. teilweise vom Vertrag zurückzutreten. Es wird bei einer so langen Dauer der Unterbrechung davon ausgegangen, daß der herbeigeführte Zustand für die Parteien nicht länger hinzunehmen ist. Man muß bedenken, daß die Parteien trotz der Nichtausführbarkeit zu den gegenseitigen Leistungen noch verpflichtet sind. Der Auftragnehmer muß die vertraglich vereinbarte Leistung weiterhin erfüllen, der Auftraggeber eventuell die Möglichkeiten und Örtlichkeiten zur Verfügung stellen und die volle Vergütung zahlen. Diese Pflichten sind für die Zeit der Behinderung zwar aufgeschoben, die Parteien sind dieser jedoch nicht enthoben. Sie müssen sich von der Leistungspflicht also durch Kündigung oder Rücktritt befreien. Wenn eine Abgrenzung zwischen in sich geschlossenen Teilen der Leistung getroffen werden kann und die Hinderungsgründe nur auf einen Teil der Leistung bezogen sind, kann auch eine Teilkündigung oder ein Teilrücktritt in Betracht kommen. Die Erklärungen haben schriftlich zu erfolgen und müssen binnen 30 Tagen nach Ablauf der genannten Dreimonatsfrist dem Vertragspartner zugehen.

Das Beispiel aus der Praxis:
Durch ein Unternehmen sollten medizinische Geräte hergestellt und an ein kommunales Krankenhaus bis zum 15.03.2001 geliefert werden. Dabei waren mehrere verschiedene komplexe Diagnosegeräte, unter anderem ein Kernspintomograph und ein fest zu installierendes Röntgengerät zu liefern. Teile der Geräte des Kernspintomographen bezog das Unternehmen von Unterauftragnehmern, welche sich auf deren Herstellung spezialisiert hatten. Nun kam es bei einem der Unterauftragnehmer am 10.03.2001 zu einem Streik mit der Folge, daß dort die Produktion der benötigten Teile stillstand. Dieser Streik zog sich bis zum 10.04.2001 hin, in welcher Zeit der Unternehmer den Kernspintomographen nicht fertigstellen und liefern konnte. Ein Bezug der Teile bei einem anderen Unternehmen war nicht möglich, da nur die eine Firma sie herstellte. Ebenfalls brannte am 12.03.2001 durch einen Blitzschlag die Werkhalle ab, in welcher die Röntgengeräte beim Auftragnehmer hergestellt wurden. Deren Wiederaufbau zog sich bis zum 30.07.2001 hin, so daß er nicht in der Lage war, die Röntgengeräte rechtzeitig zu liefern. Diesen Teil des Vertrages kündigte er am 15.06.2001 schriftlich.

Eine Abtrennung einzelner vertraglicher Leistungen ist hier aufgrund der Abgeschlossenheit der einzelnen Teile, bezogen nur auf Kernspintomograph und Röntgengerät, möglich. Da die Lieferung des Kernspintomographen nicht länger als drei Monate verzögert war, konnte weder durch den Auftraggeber noch den Auftragnehmer gekündigt werden. Vielmehr durfte die Lieferung noch bis zum 15.04.2001 erfolgen ohne daß der Auftragnehmer in Verzug geriet. Den Teil des Vertrages, welcher das Röntgengerät betraf, kündigte er fristgemäß innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der drei Monate in der ordnungsgemäßen Form mit der Folge, daß er von der Verpflichtung zu dieser Leistung frei wurde.