Artikel 10 – Die Abnahme

Die Abnahme – lediglich die Erklärung des Auftraggebers, daß der Auftragnehmer den Vertrag erfüllt hat?

Die Regelungen über die Abnahme in § 13 VOL/B sind eine der wichtigsten des gesamten Vertragsrechtes der öffentlichen Auftragsvergabe. Spätestens mit der Abnahme geht die ursprüngliche Haftung des Auftragnehmers für die zufällige Verschlechterung oder den Untergang der Leistung auf den Auftraggeber über. In § 13 Nr. 1 VOL/B wird darauf verwiesen, daß für den Übergang der Gefahr die gesetzlichen Vorschriften gelten. Dies bedeutet, daß es bei Vorliegen eines Kaufvertrages der Zeitpunkt der „Übergabe“, bei einem Werkvertrag der der „Abnahme“ ist.

Soll nun die Leistung auf Verlangen des Auftragnehmers versandt werden, so geht bereits ab dem Zeitpunkt der Übergabe an den Lieferanten die Gefahr auf den Auftraggeber über. Ebenfalls kann die Gefahr schon vor Abnahme oder Übergabe auf den Auftraggeber übergehen, wenn auf dessen Wunsch der im Vertrag dafür vorgesehene Termin verschoben wird.

Unabhängig davon, ob es sich um einen Werk- oder Kaufvertrag handelt, stellt § 13 VOL/B hinsichtlich der Mängelgewährleistungsrechte auf den Zeitpunkt der „Abnahme“ ab. Diese Bezeichnung umfaßt sowohl die Abnahme bei einem Werkvertrag als auch die Übergabe bei einem Kaufvertrag. So kommt es durch die Abnahme der erbrachten Leistung durch den Auftraggeber „als vertragsgemäß“ zu einem Ausschluß der Mängelgewährleistungsrechte unter folgenden Vorraussetzungen: Wenn der Auftraggeber die Mängel „erkannt“ und seine Rechte nicht „wegen eines bestimmten Mangels vorbehalten“ hat, entfällt die Haftung des Auftragnehmers für diese Mängel.

Was sind nun Mängel bei der durch den Auftragnehmer zu erbringenden Leistung? Der Begriff des Mangels in der VOL ist dem gesetzlichen, wie er in § 633 BGB für den Werkvertrag und in § 434 BGB für den Kaufvertrag bestimmt ist, gleichzusetzen. Danach liegt ein Mangel vor, wenn das Werk oder die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Es kommt also vor allem auf die Vereinbarungen im Vertrag an, welchen besonders hohe Bedeutung beizumessen sind. Soweit Beschaffenheiten jedoch nicht oder unzureichend vereinbart sind, kommt es darauf an, ob es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder – bei Fehlen einer Regelung – für die gewöhnliche Verwendung eignet.

Es ist somit immer die vertragliche Vereinbarung vorrangig, die Parteien sollen selbst festlegen können, welche Merkmale der zu liefernde Gegenstand oder die zu erbringende Leistung haben soll. Lediglich bei fehlenden und lückenhaften Beschreibungen wird auf die „Üblichkeit“ zurückgegriffen.

Das Beispiel aus der Praxis:
Durch ein Unternehmen sollten für die Ausstattung einer Behörde sowohl 10 PC-Systeme als auch die für das Verwalten der anfallenden Daten notwendige Software inklusive Handbuch geliefert werden. Nach dem Vertrag sollten die PCs in der Behörde zur Erstellung von Planungszeichnungen mit hohem Grafikaufwand Verwendung finden. Die Auftraggeberin erbat die Übersendung der PC durch einen von ihr ausgewählten privaten Zustelldienst. Dabei schloß jedoch der Auftragnehmer den Transportvertrag mit dem Lieferunternehmen im eigenen Namen ab.

Bei dem Transport vom Auftragnehmer zur Auftraggeberin verursachte der Fahrer des Lieferfahrzeuges einen Unfall. Durch diesen wurden 5 der 10 gelieferten Monitore beschädigt.

Der Auftragnehmer war ab dem Zeitpunkt des Beladens des Transporters trotz eigenen Vertrages mit diesem Unternehmen von der Haftung befreit. Er muß somit die 5 zerstörten Monitore nur gegen Zahlung einer weiteren Vergütung erneut liefern. Die Auftraggeberin konnte nicht kostenfreie Neulieferung vom Auftragnehmer verlangen.

Allerdings hatte der Auftragnehmer die PC-Systeme nicht mit einer zur Erstellung von Planungszeichnungen ausrechenden Grafikkarte ausgestattet. Ebenfalls hatte er auch der Nachlieferung nicht das vereinbarte Handbuch beigefügt. Aus dem geschlossenen Vertrag ergab sich, wozu die Auftragnehmerin die Systeme verwenden wollte. Da sie jedoch nicht die Anforderungen erfüllten, lag hier ein Mangel vor. Dieser konnte durch den Auftragnehmer nachgebessert werden, jedoch war der Vertrag bis zur vereinbarten Lieferung des Handbuches für die erstellte Software nicht erfüllt.