Rügeobliegenheit

 
Der Bieter muss auch bei mehrstufigem Verwaltungshandeln frühzeitig (gegebenenfalls auf der erste Stufe) rügen.
 

amtlicher Leitsatz:

1. Vollzieht sich auf Seiten einer kommunalen Vergabestelle der Prozess zur Auswahl eines Bieters in einem Verhandlungsverfahren in mehreren aufeinander aufbauenden Stufen (hier: Verabschiedung einer Beschlussvorlage durch die Verwaltungsspitze der Antragsgegnerin und spätere Beschlussfassung des Stadtrats hierüber), so wird die Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 GWB nicht erst durch den Abschluss des Auswahlverfahrens auf der letzten Stufe bestimmt, sondern bereits durch zur Kenntnis des Bieters gelangtes fehlerhaftes Vergabeverhalten auf der früheren Stufe ausgelöst.

2. Eine zulässige Rüge setzt die Bezeichnung konkreter Tatsachen voraus, aus denen sich – zumindest schlüssig – die Behauptung des Bieters ableiten lässt, dass sich darin ein Vergabeverstoß des Auftraggebers verwirklicht.

3. Der Ablauf der Informationsfrist nach § 13 VgV beendet das Vergabeverfahren nicht, solange der Auftraggeber von der ihm danach freistehenden Möglichkeit, den Vertrag über die ausgeschriebenen Leistungen abzuschließen, tatsächlich keinen Gebrauch gemacht hat.

4. Verhandlungen über den Inhalt der zu erbringenden Leistung sind in einem Verhandlungsverfahren nach VOF, auch soweit dadurch von Vorgaben der Ausschreibung abgewichen wird, zulässig, solange die Vergabestelle nicht an die beteiligten Verhandlungspartner unterschiedliche Änderungswünsche heranträgt und der nach wirtschaftlichen und technischen Kriterien zu beurteilende Wesenskern der Ausschreibung gewahrt bleibt (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 03.12.2003, VergR 2004, 225).

 
OLG Dresden
Beschluss vom 21.10.2005
WVerg 5/05

Genaue Abgrenzung hinsichtlich des Bauleistungsanteils von Verträgen über Wartung und Instandsetzung

 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2006 – Verg 35/06

1. Verträge über die Wartung und Instandsetzung sind hinsichtlich des Bauleistungsanteils genau abzugrenzen.

2. Allein die Tatsache, dass der Instandsetzungsanteil ca. 25 % beträgt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die VOB/A Anwendung findet.

3. Wenn der Auftrag neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, findet die VOL/A Anwendung.

 

 

Entscheidung im Volltext:

Fundstellen: IBR 2007, 44; IBR 2007, 45
 

18.10.2006

Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluss

Verg 35/06

GWB § 99 Abs. 1, 4, 6 Satz 2, § 107 Abs. 3 Satz 1, 2; VgV § 2 Nr. 2, 4, 5; VOL/A § 1a Nr. 2 Abs. 1, § 7a Nr. 2 Abs. 3, § 17 Nr. 1 Abs. 2

1. Verträge über die Wartung und Instandsetzung sind hinsichtlich des Bauleistungsanteils genau abzugrenzen.
2. Allein die Tatsache, dass der Instandsetzungsanteil ca. 25% beträgt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die VOB/A Anwendung findet.
3. Wenn der Auftrag neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, findet die VOL/A Anwendung.
4. Die falsche Vergabeart unterliegt überhaupt nur dann der Rügeobliegenheit, wenn sie aus der Vergabebekanntmachung erkannt werden konnte.
5. Die Kenntnis der falschen Vergabeart setzt erst mit Hinzuziehung juristischen Sachverstandes ein.
6. Die geforderten Eignungsnachweise sind in der Vergabebekanntmachung anzugeben.
7. Die Forderung eines bereits länger als zwei Jahre gültigen QM-Zertifikates ist unzulässig.
8. Der Ausschluss eines Angebots, trotz eines individuell gesetzten Vertrauenstatbestandes, ist nicht vergaberechtskonform.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2006 – Verg 35/06

Gründe:

I. Als Unternehmen der B…, dem das Gebäudemanagement obliegt, schrieb die Antragsgegnerin im Februar 2006 die Wartung von gefahrenmelde-, informations- und sicherheitstechnischen Anlagen (Brandmeldeanlagen, elektroakustische Anlagen, Einbruchmeldeanlagen, Videoüberwachungsanlagen, Rauch-Wärme-Abzugsanlagen sowie Brand- und Rauschutztüren) in zum Geschäftsbereich der B… gehörenden Gebäuden im Wege einer nationalen Bekanntmachung öffentlich aus. Es sollten bei zehn Losen "Rahmenwartungsverträge" über Wartung und Instandhaltung geschlossen werden. Die Antragsgegnerin legte dem Vergabeverfahren die VOB/A zugrunde. Die Vergabebekanntmachung enthielt u.a. den Hinweis:

Angaben zu Maßnahmen der Qualitätssicherung müssen auf Anforderung erfolgen.

In den Verdingungsunterlagen forderte die Antragsgegnerin in Bezug auf eine Qualitätsmanagementsicherung mit dem Angebot die Vorlage eines

gültigen und seit mehr als zwei Kalenderjahren bestehenden QMS-Zertifikats nach DIN ISO 9001/DIN ISO 9002:1994 bzw. aktueller DIN EN ISO 9001:2000 einer anerkannten Zertifizierungsstelle.

Die Antragstellerin reichte mit ihrem Angebot Zertifikate über ein Qualitätsmanagement (QM-Zertifikate) ein, die – bezogen auf den Zeitpunkt der Vergabebekanntmachung und bei Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe – noch nicht zwei Jahre gültig waren.

Die Submission ergab, dass wegen Unvollständigkeit sowie Fehlens geforderter Eignungsnachweise keines der 13 eingegangenen Angebote wertbar war. Aufgrund dessen hob die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren auf und führte – ohne erneute Vergabebekanntmachung – ein beschränktes Verfahren durch. Sie teilte dies den Bietern mit (Schreiben vom 4.4.2006) und forderte sie auf, bestimmte, individuell noch nicht beigebrachte Eignungsnachweise nachzureichen. Auch das an die Antragstellerin gerichtete Schreiben nannte verschiedene, noch beizubringende Eignungsnachweise. Die Vorlage eines (seit mehr als zwei Jahren gültigen) QM-Zertifikats war darin aber nicht aufgeführt.

Anschließend gab die Antragsgegnerin die Verdingungsunterlagen heraus, so u.a. auch an die Antragstellerin. Neben dem Angebot der Antragstellerin gingen elf weitere Angebote ein. Das Angebot der Antragstellerin ist bei allen zehn Losen das preisgünstigste. Nach zwei Bietergesprächen mit der Antragstellerin, deren Gegenstand die Preise und die Kalkulation waren, erteilte die Antragsgegnerin am 9.6.2006 der Beigeladenen zu 1 den Zuschlag auf die Lose 1, 4, 6 und 8, der Beigeladenen zu 2 den Zuschlag auf die Lose 2 und 7 sowie der Beigeladenen zu 3 den Zuschlag auf die Lose 3 und 5. Unterdessen ließ die Antragstellerin durch Anwaltsschreiben vom 23.5.2006 rügen, dass es sich bei den ausgeschriebenen Leistungen nicht um Bau-, sondern um Dienstleistungen handele, so dass – da in diesem Fall der maßgebende Schwellenwert überschritten sei – eine europaweite Bekanntmachung habe erfolgen müssen. Unter dem 12.6.2006 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, ihr Angebot werde von der Wertung ausgeschlossen, da kein seit zwei Jahren gültiges QM-Zertifikat vorgelegt worden sei. Die Antragstellerin ließ dies mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 13.6.2006 beanstanden und stellte am 26.6.2006 einen Nachprüfungsantrag. Nach Zustellung des Nachprüfungsantrags erteilte die Antragsgegnerin unter dem 28.6.2006 der Beigeladenen zu 4 den Zuschlag auf die Lose 9 und 10.

Im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren stritten die Verfahrensbeteiligten über den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin sowie darüber, ob die ausgeschriebenen Leistungen als Bau- oder als Dienstleistungen einzuordnen sind, ob die Antragstellerin insoweit sowie mit Blick auf das gewählte Verfahren einer nationalen Ausschreibung einer Rügeobliegenheit unterlag und ob sie dieser rechtzeitig nachgekommen war. Mit ihrem Hauptantrag begehrte die Antragstellerin die Verpflichtung der Antragsgegnerin, das von ihr eingereichte Angebot zu werten. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene traten dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen und beantragten, den Nachprüfungsantrag zu verwerfen.

Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag. Nach ausführlicher Prüfung stimmte sie der Antragstellerin zwar darin zu, dass die ausgeschriebenen Leistungen als Dienstleistungen zu qualifizieren seien. Jedoch erkannte die Vergabekammer eine Verletzung der Rügeobliegenheit durch die Antragstellerin, da schon aufgrund der Vergabebekanntmachung im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung zu erkennen gewesen sei, dass die Antragsgegnerin die Rechtsnatur der Verträge fehlerhaft eingeordnet habe. Daraus leitete die Vergabekammer ab, die Antragstellerin sei nicht nur mit der Beanstandung einer unrichtigen rechtlichen Einordnung des Vertrages und der Wahl eines fehlerhaften Verfahrens, sondern zugleich mit allen weiteren Beanstandungen, die mit der Wahl der Verfahrensart bestimmungsgemäß zusammenhingen, ausgeschlossen. Die Vergabekammer folgte darin der Entscheidung des KG vom 17.10.2002 (2 Kart Verg 13/02, NZBau 2003, 338, 339 = VergabeR 2003, 50, 51) und nahm an, die Antragstellerin sei deswegen so zu behandeln, als erreiche der ausgeschriebene Auftrag nicht den für die Anwendung des Vergaberechtsregimes maßgebenden Schwellenwert. Der gerügte Vergaberechtsverstoß könne deswegen mit einem Nachprüfungsantrag nicht zulässig angegriffen werden.

Die Antragstellerin hat gegen die Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen, mithin insbesondere die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Angebot zu werten.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin hat den Auftrag rechtsfehlerhaft als Bauauftrag verstanden und infolgedessen, und zwar wegen des dann höheren Schwellenwerts, von einer europaweiten Ausschreibung abgesehen. Aufgrund der objektiv gegebenen Sachlage ist das Nachprüfungsverfahren eröffnet, da Gegenstand der Beschaffung Dienstleistungen sind. Die Nachprüfung des Verfahrens ergibt, dass die Antragstellerin oder deren Angebot vergabefehlerhaft von der Wertung ausgeschlossen worden ist.

1. a) Das Nachprüfungsverfahren ist statthaft, da der in Rede stehende öffentliche Auftrag dem Vergaberechtsregime des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegt. Dies ist – kurz zusammengefasst – immer dann anzunehmen, wenn von einem öffentlichen Auftraggeber ein öffentlicher Auftrag vergeben werden soll, der den maßgebenden Schwellenwert erreicht oder übersteigt, und keiner der in § 100 Abs. 2 GWB oder sonst normierten Ausnahmetatbestände gegeben ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Maßgebend ist insoweit die objektive Sachlage.

(1.) Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB, da die B…, eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 367 S. 1 SGB III), die Aufsicht über ihre Leitung ausübt.

(2.) Bei den ausgeschriebenen Aufträgen handelt es sich um öffentliche Dienstleistungsaufträge nach § 99 Abs. 1 und 4 GWB, die den maßgebenden Schwellenwert von 130.000 Euro (§ 2 Nr. 2 VgV) um ein Mehrfaches übersteigen. Die Aufträge aus den Losen und die Auftragswerte der Einzelaufträge sind zusammenzurechnen (§ 2 Nr. 5, Nr. 4 VgV). Die Vergabekammer hat die Rechtsnatur der Aufträge im Ergebnis und in der Begründung mit Recht als Dienstleistung und nicht als Bauleistung beurteilt. Insoweit kann auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden (S. 14 bis 20). Zur Vermeidung von Wiederholungen sollen nur die auch dem Senat wesentlich erscheinenden Überlegungen nochmals angegeben werden. Die Begriffsbestimmung bei Bau- und Dienstleistungen ist autonom vorzunehmen. Sie entspricht nicht der im deutschen Recht geltenden Unterscheidung zwischen Werk- und Dienstleistungen, sondern beruht auf dem Begriffsverständnis der EG-Vergaberichtlinie 2004/18/EG und der Vorläuferrichtlinien. Die Abgrenzung richtet sich nach § 99 Abs. 6 S. 2 GWB. Danach gilt ein öffentlicher Auftrag, der neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, als Dienstleistungsauftrag. Die Abgrenzung ist einer generalisierenden Bewertung, insbesondere einer solchen anhand bestimmter Anteile von Bau- und Dienstleistungen am Auftragswert entzogen. Die Wertanteile erfüllen insoweit lediglich eine Orientierungs- und Kontrollfunktion. Entscheidend kommt es darauf an, aufgrund einer Analyse der kennzeichnenden und in den Verdingungsunterlagen dokumentierten rechtlichen sowie wirtschaftlichen Gesamtumstände den Schwerpunkt des Auftrags zu ermitteln (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.3.2003 – Verg 49/02, BA 14 ff. m.w.N.). Im Streitfall nehmen nach eigener Schätzung der Antragsgegnerin die – neben reinen Wartungsarbeiten – überhaupt nur als Bauleistungen in Frage kommenden Instandsetzungsarbeiten einen Anteil von etwa 25 % am Gesamtauftragswert ein. Der Wertanteil ist zutreffend in ein Verhältnis zum Gesamtauftragswert zu setzen. Er deutet auf erste Sicht nicht darauf hin, dass Bauleistungen mehr als bloße Nebenleistungen sind. Dies fügt sich darin ein, dass die der Wartung unterliegenden Anlagen bereits vorhanden sind. Gemäß Nr. 2.1.4 des Entwurfs eines Wartungsvertrages soll der Auftragnehmer u.a. Instandsetzungsarbeiten im Zusammenhang mit der Wartung vorzunehmen haben. Der Aufwand soll auf eine Arbeitsstunde und 50 Euro für Material begrenzt sein (Nr. 2.2.3 des Vertragsentwurfs). Nach Art und Umfang scheiden diese Arbeiten für Bauleistungen aus. Daneben sollen nach Nr. 2.1.5 des Vertragsentwurfs Instandsetzungsarbeiten auf Anforderung des Auftraggebers geleistet werden. Solche bei Bedarf und auf besonderen Auftrag auszuführende Instandsetzungsarbeiten können zwar Bauleistungen sein, sofern sie wesentliche Bedeutung für den Bestand baulicher Anlagen haben oder mit deren teilweiser Erneuerung verbunden sind. Jedoch wird daran deutlich, dass Instandsetzungsarbeiten, die als Bauleistungen qualifiziert zu werden verdienen, einen mindestens tendenziell deutlich geringeren Anteil am Gesamtauftragswert haben, als dem geschätzten Anteil der gesamten Instandsetzungsarbeiten daran entspricht. In erster Linie soll der Auftragnehmer durch regelmäßige Wartung, Überprüfung und gegebenenfalls Instandsetzungen geringeren Umfangs einen störungsfreien Betrieb der Anlagen sicherstellen. Daraus folgt die rechtliche Einordnung als Dienstleistungsauftrag. Es handelt sich um Leistungen bei Instandhaltung und Reparatur, die gemäß dem Anhang I A, Kategorie 1, der VOL/A, Abschnitt 2, genauso wie nach Anhang II der Richtlinie 2004/18/EG als Dienstleistungen zu qualifizieren sind. Solche Dienstleistungen sind nach § 1 a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nach den Bestimmungen des zweiten Abschnitts zu vergeben.

(3.) Das Nachprüfungsverfahren ist nicht wegen wirksamer Zuschlagserteilung ausgeschlossen. Der den Beigeladenen zu 1, 2 und 3 jeweils am 9.6.2006 erteilte Zuschlag ist gemäß § 13 S. 6 VgV nichtig, da er erfolgte, bevor die Antragstellerin unter dem 12.6.2006 darüber informiert worden war, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll. Der Zuschlag an die Beigeladene zu 4 erging, nachdem der Nachprüfungsantrag am 26.6.2006 zugestellt worden war. Mithin verstieß der am 28.6.2006 erteilte Zuschlag gegen das gesetzliche Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 2 GWB. Er ist gemäß § 134 BGB nichtig.

b) Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt und hat der Rügeobliegenheit genügt.

(1.) Die Antragsbefugnis der Antragstellerin (§ 107 Abs. 2 GWB) ergibt sich aus dem im Angebot dokumentierten Interesse am Auftrag. Außerdem behauptet die Antragstellerin, durch den Ausschluss ihres Angebots von der Wertung in Bieterrechten verletzt zu sein, da die Antragsgegnerin für einen Ausschluss das Fehlen eines länger als zwei Jahre gültigen QM-Zertifikats nicht habe heranziehen dürfen. Infolgedessen droht der Antragstellerin ein Schaden. Ihr Angebot hat wegen des Preisvorsprungs vor Angeboten der Wettbewerber Chancen auf den Zuschlag. Dagegen ist infolge der rechtlich unzutreffenden Einordnung des Auftrags durch die Antragsgegnerin sowie der darauf beruhenden nationalen Bekanntmachung und Anwendung lediglich innerstaatlicher Vorschriften über das Vergabeverfahren im Streitfall ausnahmsweise eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften zu verneinen. Die Antragstellerin hat trotz der genannten Mängel Kenntnis von der Ausschreibung erhalten und hat sich daran durch Einreichen eines Angebots beteiligt. Von Rechtsverstößen beim Ausschluss des Angebots des Antragstellerin sowie bei der Zuschlagserteilung abgesehen ist es im Vergabeverfahren – soweit aufgrund des Sach- und Streitstandes zu erkennen ist – zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen. Die Antragsgegnerin hat ein förmliches Verfahren nach Maßgabe des ersten Abschnitts der VOB/A abgehalten. So betrachtet hat die Antragstellerin wegen der genannten Mängel eine Rechtsverletzung und Beeinträchtigung ihrer Zuschlagschancen folgerichtig selbst ausgeschlossen.

(2.) Die Antragstellerin hat der Rügeobliegenheit entsprochen (§ 107 Abs. 3 S. 1 GWB). Sie hat den von der Antragsgegnerin unter dem 12.6.2006 bekanntgegebenen Ausschluss ihres Angebots unverzüglich am 13.6.2006 beanstanden lassen. Die Antragstellerin hat durch Anwaltsschreiben vom 23.5.2006 auch die rechtlich fehlerhafte Einordnung des Auftrags als Bauauftrag und das Unterbleiben einer europaweiten Vergabebekanntmachung gerügt. Ihr kann weder vorgeworfen werden, jene Rüge nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Frist ausgesprochen zu haben (§ 107 Abs. 3 S. 2 GWB), noch sind ihr wegen einer Verletzung der Rügeobliegenheit alle mit dieser Beanstandung zusammenhängenden Rügen abgeschnitten.

aa) Die Antragstellerin unterlag wegen der unzutreffenden rechtlichen Behandlung des Auftrags und der deswegen unterbliebenen europaweiten Bekanntmachung keiner Rügeobliegenheit. Zu rügen sind nach § 107 Abs. 3 GWB nur solche Verstöße gegen Vergabevorschriften, aus denen der Antragsteller im Sinne der Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB eine Verletzung seiner Bieterrechte und eine Beeinträchtigung seiner Zuschlagschancen herleitet. Da in Bezug auf die dargestellten Rechtsverstöße eine Verletzung von Bieterrechten der Antragstellerin ausscheidet, und auch ihre Aussicht auf den Zuschlag nicht beeinträchtigt worden ist, musste die Antragstellerin diese nicht rügen.

bb) Wer dies anders sieht, kann der Antragstellerin nicht entgegenhalten, die Obliegenheit zur Rüge verletzt zu haben. In diesem Zusammenhang kann eine Präklusion nur auf die Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 2 GWB gestützt werden, wonach der Antragsteller die aufgrund der Bekanntmachung erkennbaren Verstöße gegen Vergabevorschriften spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber zu beanstanden hat. In diesem Zusammenhang hat die Vergabekammer mit Recht auf den Inhalt der Bekanntmachung vom Februar 2006 abgestellt. Diese bildet mit dem Verfahren der beschränkten Ausschreibung, richtigerweise mit dem nichtoffenen Verfahren, dem keine erneute Vergabebekanntmachung vorangegangen ist, deren Wertungsergebnis von der Antragstellerin aber beanstandet wird, eine funktionale Einheit. Erst aus den Vergabeunterlagen erkennbare Rechtsverstöße lösen die Rügeobliegenheit hingegen nicht aus. § 107 Abs. 3 S. 2 GWB ist – seinem klaren Wortlaut entsprechend – nicht erweiternd auszulegen.

Eine fehlerhafte Bestimmung der Rechtsnatur des Auftrags und die Folgen waren für die Antragstellerin jedoch nicht feststellbar zu erkennen. Die Vergabekammer hat die Erkennbarkeit nach einem objektiven Maßstab, d.h. anhand einer von einem durchschnittlichen, verständigen Bewerber oder Bieter zu erwartenden üblichen Sorgfalt, beurteilt. Dem ist – auch wenn Solches in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zuweilen vertreten worden ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.7.2000, NZBau 2001, 462; BayObLG, Beschl. v. 23.11.2000 – Verg 12/00) – nicht zuzustimmen. Den Maßstab für die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes bilden die individuellen Verhältnisse des Antragstellers (vgl. KG, Beschl. v. 11.7.2000, BauR 2000, 1620; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2000 – Verg 18/00; Wiese in Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, § 107 GWB Rn. 85). Der innere Grund dafür ist in dem Umstand zu sehen, dass die Rügeobliegenheit materiell wie prozessual eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellt, der in der durch die Anforderung der Bewerbungs- oder Vergabeunterlagen begründeten schuldrechtlichen Sonderverbindung zum Auftraggeber wurzelt. Der Grundsatz von Treu und Glauben konstituiert Obliegenheiten (und Nebenpflichten) indes nicht ohne Rücksicht darauf, ob eine Erfüllung zumutbar ist. Zumutbarkeit ist stets individuell nach den Verhältnissen des in der Obliegenheit stehenden Beteiligten zu beurteilen. Nur zumutbaren Obliegenheiten ist nachzukommen. Ist das Bestehen einer Obliegenheit nicht individuell erkennbar, ist eine Erfüllung nicht zumutbar und muss auch nicht erfüllt werden. In der Sache führt der abweichende Ansatz der Vergabekammer freilich zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Wer die Erkennbarkeit anhand eines objektivierten Maßstabs prüft, wird tendenziell sogar eher dazu gelangen, diese zu verneinen.

Im vorliegenden Fall waren der Fehler bei der rechtlichen Einordnung des Auftrags und die Folgen für das Vergabeverfahren aufgrund der Bekanntmachung weder bei Anwendung eines objektiven noch eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabs zu erkennen. Die Bekanntmachung vom Februar 2006 gab darüber keinen zureichenden Aufschluss. Sie erlaubte nicht zu prüfen und zu beurteilen, ob der ausgeschriebene Auftrag ein Bau- oder Dienstleistungsauftrag war. Eine derartige Prüfung war sowohl einem durchschnittlich versierten, verständigen Bieter als auch der Antragstellerin, gemessen an ihren individuellen Erkenntnismöglichkeiten, unmöglich. Die Vergabebekanntmachung enthielt keine dafür ausreichenden Beurteilungsgrundlagen. Die für eine Abgrenzung erforderlichen Tatsachenangaben gingen erst aus den Verdingungsunterlagen in Verbindung mit dem Entwurf eines Wartungsvertrages hervor. Und auch dann war aber weder von einem durchschnittlich erfahrenen Bieter noch von der Antragstellerin, gemessen an den behaupteten individuellen Unternehmensverhältnissen, zu erwarten, dass die Fehlerhaftigkeit der Bestimmung der Auftragsnatur und des beschrittenen Vergabeverfahrens erkannt werden konnte. Der bloße Hinweis der Beigeladenen darauf, bei der Antragstellerin handele es sich um ein bei Ausschreibungen langjährig erfahrenes Unternehmen, belegt nicht das Gegenteil. Die Rechtsverstöße waren nur unter Aufwendung juristischen Sachverstands erkennbar, ohne dass die Antragstellerin vergaberechtlich gehalten war, solchen Sachverstand durch Zuziehung eines Rechtsanwalts zur Aufklärung über die Erkenntnismöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Ihre Annahme, der Rechtsverstoß sei erkennbar gewesen, hat auch die Vergabekammer lediglich mit Mutmaßungen und Unterstellungen sowie anhand von Kenntnissen begründet, die erst aus den Vergabeunterlagen erworben werden konnten (BA 23 f.).

Die Annahme, dass in einem derartigen Fall vom Bieter zu erkennen und gemäß § 107 Abs. 3 S. 2 GWB auch zu rügen sei, dass die Vergabebekanntmachung entgegen § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. c VOL/A keine zureichenden Angaben über Art und Umfang der Leistung enthalte (so OLG Bremen, Beschl. v. 18.5.2006 – Verg 3/05, VergabeR 2006, 502, 505), ist für praxisfremd zu halten, ohne dass die Ansicht des Senats eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gebietet (§ 124 Abs. 2 GWB). Bei umfangreichen und – wie im Streitfall – vielgestaltigen Aufträgen muss der Auftraggeber nicht sämtliche Leistungsmerkmale, welche erlauben, die Bestimmung der Rechtsnatur des Auftrags nachzuvollziehen, in die Vergabebekanntmachung aufnehmen. Im vorliegenden Fall hätte dies bedeutet, dass großenteils der Inhalt der Vergabeunterlagen und des Entwurfs eines Wartungsvertrags in der Bekanntmachung anzugeben gewesen wäre. Derart umfangreiche Angaben sind bei dem Zweck, den die Vergabebekanntmachung erfüllen soll, nämlich die am Auftrag interessierten Unternehmen über die Umstände zu unterrichten, die für ihre Entschließung, sich am Wettbewerb zu beteiligen, wichtig sein können, nicht geboten. Der Senat ist der Meinung, dass die genannten Einzelheiten im vorliegenden Einzelfall in die Bekanntmachung nicht aufzunehmen waren und die Rüge einer Unvollständigkeit der Vergabebekanntmachung unbegründet war.

Ungeachtet dessen pflichtet der Senat ebensowenig der auf die Entscheidung des KG vom 17.10.2002 – 2 Kart Verg 13/02, NZBau 2003, 338, 339 = VergabeR 2003, 50, 51) gestützten und neuerdings im Vorabentscheidungsersuchen des OLG Bremen (Beschl. v. 18.5.2006 – Verg 3/05, VergabeR 2006, 502, 505) an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wiederholten Rechtsauffassung der Vergabekammer bei, wonach bei Nichtbeachtung der Rügeobliegenheit im Fall einer erkennbar unzutreffenden Wahl des Vergabeverfahrens der Antragsteller nicht nur hinsichtlich dieses Vergabefehlers, sondern mit allen weiteren Beanstandungen präkludiert sei, die mit der Verfahrenswahl bestimmungsgemäß zusammenhängen, dieses mit der Folge, dass ihm das Vergabenachprüfungsverfahren nicht eröffnet sei. Eine derartige Interpretation widerspricht dem Wortlaut und Sinn von § 107 Abs. 3 GWB. Nach dieser Norm ist nur eine Beanstandung solcher konkreten Vergaberechtsverstöße in einem Vergabenachprüfungsverfahren ausgeschlossen, die entgegen einer gesetzlich begründeten Obliegenheit vom Antragsteller nicht unverzüglich oder fristgemäß gerügt worden sind. Diese Auffassung des Senats ist für die Entscheidung freilich nicht tragend, da in Bezug auf den hier behandelten Vergaberechtsverstoß schon das Bestehen einer Rügeobliegenheit zu verneinen ist.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

a) Die Forderung eines Nachweises in der Form eines länger als zwei Jahre gültigen QM-Zertifikats betraf die Eignung der Bewerber. Sie war, was mit den Verfahrensbeteiligten im Senatstermin erörtert worden ist, vergaberechtlich unzulässig. Gemäß § 7 a Nr. 2 Abs. 3 VOL/A hat der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung anzugeben, welche Nachweise zur Darlegung der Eignung von den Bewerbern vorzulegen sind. Nach § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. m, Nr. 3 Abs. 1 lit. l VOL/A hat er danach nur noch die Wahl festzulegen, ob die Nachweise mit dem Angebot oder (erst) auf Anforderung einzureichen sind (vgl. auch die insoweit übereinstimmende Rechtlage nach § 17 Nr. 1 Abs. 1 lit. s, § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A). Der Auftraggeber ist an solche Festlegungen gebunden. Er darf bei den Eignungsanforderungen in den Verdingungsunterlagen keine Nachforderungen stellen, sondern die aufgrund der Vergabebekanntmachung verlangten Eignungsnachweise nur konkretisieren. Darüber ging der Inhalt der Verdingungsunterlagen im Streitfall hinaus. Die Vorlage eines QM-Zertifikats, noch dazu mit einer bestimmten Gültigkeitsdauer, wurde darin von der Antragsgegnerin erstmals gefordert. Die Forderung ist vergaberechtlich zu beanstanden und infolgedessen nicht wirksam, denn sie stellt keine bloße Konkretisierung dar. Insofern ist schon der in der Vergabebekanntmachung enthaltene Hinweise, auf Anforderung seien Angaben zu Maßnahmen der Qualitätssicherung zu machen, unbestimmt und gar nicht konkretisierungsfähig. Da die Antragstellerin einen in ihrem Unternehmen gewahrten Qualitätssicherungsstandard durch Vorlage eines Zertifikats nicht zu belegen hatte, schadet ihr auch nicht, Zertifikate beigebracht zu haben, die den gestellten Anforderungen nicht entsprachen.

b) Ungeachtet des Rechtssatzes, wonach der Auftraggeber wegen zwingender Ausschlussgründe ein Angebot oder einen Bewerber jederzeit, und zwar auch dann, sofern – wie hier – die Angebotswertung im Übrigen darüber bereits hinweggegangen ist, aus der Wertung zu nehmen hat, durfte die Antragsgegnerin die Antragstellerin wegen eines ungenügenden QM-Zertifikats vom Vergabeverfahren ferner nicht ausschließen, weil sie hiermit gegen einen individuell gesetzten Vertrauenstatbestand verstieß. Nach Aufhebung des offenen Verfahrens leitete die Antragsgegnerin das nichtoffene Verfahren mit einem Anschreiben vom 4.4.2006 an die bisherigen Bieter und nun als Bewerber anzusehenden Unternehmen ein, in dessen Anlage unter der Überschrift "noch beizubringende Eignungsnachweise" die Nachreichung bestimmter Eignungsnachweise gefordert wurde. In dem an die Antragstellerin gerichteten Schreiben wurde die Beibringung eines QM-Zertifikats nicht verlangt. Dadurch hat die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin Vertrauen darauf erzeugt, dass – sofern die jetzt noch angeforderten Unterlagen nachgereicht würden – die verlangten Eignungsnachweise vollständig vorlägen. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 4.4.2006 nebst der Anlage war von den Bewerbern, wie von der Antragstellerin, gerade auch vor dem Hintergrund zu lesen und zu verstehen, dass unvollständige Eignungsnachweise und Angebote das vorgeschaltete offene Verfahren hatten scheitern lassen, und von der Antragsgegnerin ersichtlich nunmehr der Versuch unternommen werden sollte, dergleichen Aufhebungsgründe im nichtoffenen Verfahren zu vermeiden. Dass die Bewerber das Schreiben vom 4.4.2006 und die Anlage so verstünden, war für die Antragsgegnerin erkennbar. Die Antragstellerin hat sich dem ihr erteilten Hinweis entsprechend verhalten und hat nur noch die nachgeforderten Unterlagen eingereicht. Dabei durfte sie annehmen, dass die zum Nachweis eines Qualitätssicherungsstandards von ihr vorgelegten Zertifikate von der Antragsgegnerin als ausreichend angesehen wurden, obwohl diese objektiv die geforderte mehr als zweijährige Gültigkeitsdauer nicht aufwiesen. Denn die Antragsgegnerin konnte von dieser ohnedies vergaberechtswidrigen Forderung abgerückt sein und den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum dahin ausgeübt haben, dass die Qualität der Leistung im Unternehmen der Antragstellerin gesichert war. Bei dieser Sachlage war der Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren überraschend. Die Ausschlussentscheidung beruht auf einer vergaberechtlich zu beanstandenden Verletzung in Anspruch genommenen Vertrauens. Infolgedessen hat das Ergebnis der bisherigen Angebotswertung keinen Bestand. Die Wertung ist von der Antragsgegnerin zu wiederholen, wobei die Antragstellerin oder deren Angebot wegen der unterbliebenen Vorlage eines gültigen und seit mehr als zwei Jahren bestehenden QM-Zertifikats nicht ausgeschlossen werden darf. Die darin liegende geringfügige Abschwächung des Hauptantrags der Antragstellerin begründet kein Teilunterliegen. Der Antrag ist im vorgenannten Sinn zu verstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 S. 1 und 2 sowie Abs. 4 S. 1 und 2 GWB sowie auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 159 VwGO und 91, 100 Abs. 1 ZPO. Da die Beigeladene zu 1 sich mit eigenen Anträgen und mit Sachvortrag sowohl am Verfahren der Vergabekammer als auch am Beschwerdeverfahren beteiligt hat, ist es gerechtfertigt, sie als Unterliegende mit zu den Verfahrenskosten und den Aufwendungen und außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin heranzuziehen, dies kraft gesetzlicher Anordnung in § 128 Abs. 3 S. 2 GWB freilich nur bei den Kosten der Vergabekammer als Gesamtschuldner neben der Antragsgegnerin und im Übrigen nach Kopfteilen (vgl. OLG Düsseldorf NZBau 2000, 440, 444).

Die Streitwertfestsetzung gründet sich auf § 50 Abs. 2 GKG.

 

Artikel 15 – Verlängerte Gewährleistungsfristen

Die gesetzlichen Gewährleistungsfristen sind erheblich verlängert worden. Gelten diese Änderungen nun auch bei öffentlichen Aufträgen?

Seit dem 01.01.2002 ist durch den Gesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die Frist, in der Mängelbeseitigungsansprüche verjähren, von sechs Monaten auf zwei bzw. fünf Jahre verlängert worden. Dies gilt für Mängel von Kaufsachen bzw. für Mängel, die durch den Einbau von Baumaterialien hervorgerufen werden.

Die VOL/B benennt in ihrem § 14 Nr. 4 diese Frist jedoch noch mit dem Zeitraum von sechs Monaten. Damit stellt sie eine Verkürzung zu der gesetzlichen Regelung des BGB dar. Nun kann eine solche kurze Frist zwar wirksam vereinbart werden, sie benachteiligt jedoch den Auftraggeber, da er ein Recht auf die für ihn günstigeren zwei bzw. fünf Jahre hat. Aus diesem Grund haben das Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit, das Staatsministerium des Innern und das Staatsministerium der Finanzen in einer Bekanntmachung vom 22.04.2002 (Sächs. Amtsblatt vom 27.06.2002) bestimmt, daß bei Vertragsabschlüssen in den besonderen Vertragsbedingungen bis zur Änderung der VOL/B die Gewährleistungsfrist auf zwei Jahre verlängert werden soll. Ist das nicht beachtet worden, gilt die alte Gewährleistungsfrist von sechs Monaten für die bisher abgeschlossenen Verträge.

Durch die erwartete Änderung der VOL/B wird die Regelung mit einem Verweis auf die gesetzlichen Fristen des BGB angepaßt. Ab diesem Zeitpunkt gelten diese ohne ausdrückliche Vereinbarung lediglich durch die Einbeziehung der VOL.

Nun gibt es in der bisherigen Regelung des § 14 Nr. 4 VOL/B noch zwei Besonderheiten, welche der bisherigen kurzen Frist geschuldet sind. Einerseits wird die vereinbarte Frist um die Zeitdauer verlängert, in der der mangelhafte Gegenstand nicht bestimmungsgemäß genutzt werden kann. Dies ist in der Regel die Zeit, in der der Mangel zu einem Ausfall der Nutzung des gelieferten Gegenstandes führt und in welcher repariert wird. Die Verlängerung wiederum wird durch die VOL auf das Doppelte der ursprünglichen Frist begrenzt, um sie nicht endlos laufen zu lassen. Andererseits gilt neben der Gewährleistungsfrist noch eine Verjährungsfrist. Während in der Gewährleistungsfrist die auftretenden Mängel dem Auftragnehmer anzuzeigen sind, ist in der Verjährungsfrist die Durchsetzung des Rechtes auf Mängelbeseitigung, gegebenenfalls vor einem Gericht, notwendig. Das Recht auf Mängelbeseitigung verjährt nämlich innerhalb von sechs Monaten nach der Anzeige an den Auftragnehmer. Wenn also der Auftraggeber dem Auftragnehmer einen entdeckten Mangel anzeigt, kann ab diesem Zeitpunkt sechs Monate lang darüber verhandelt werden, ob dieser auf Verschulden des Auftragnehmers oder des Auftraggebers zurückzuführen ist. Wird in der Zeit keine Einigung erzielt, muß der Auftraggeber Klage auf Beseitigung der angeblichen Mängel erheben. Tut er dies nicht und erhebt die Klage eventuell erst nach sieben Monaten, ist der Anspruch auf Beseitigung verjährt und die Klage wird durch das Gericht abgewiesen werden.

Das Beispiel aus der Praxis:
Der im Wege einer Ausschreibung beschaffte Feuerwehrlöschzug wurde durch den Auftragnehmer am 01.03.2001 an den Auftraggeber übergeben. Am 10.08.2001 wurde festgestellt, daß die Ölwanne des Fahrzeugs undicht wurde, das Öl lief aus. Der Auftraggeber zeigte dies dem Auftragnehmer am 15.08.2001 an und forderte ihn zur kostenlosen Reparatur auf. Der Auftragnehmer verweigerte nach einer Inspektion die Reparatur auf seine Kosten mit dem Hinweis, daß die Ölwanne nicht durch einen Fehler in der Herstellung undicht geworden war, sondern durch Fahrweise und ungenügende Wartung. Das wiederum bestritt der Auftraggeber. Da das Fahrzeug auch mit diesem Defekt weiter benutzt werden konnte und der Auftraggeber auf dessen Einsatz nicht verzichten wollte, kam es bis zum 15.02.2002 zu keiner Einigung und damit Reparatur. Am 15.09.2001 stellte der Auftraggeber einen weiteren Mangel an der Innenraumbeleuchtung fest, welchen er dem Auftragnehmer am gleichen Tag anzeigte. Am 20.02.2002 erhob der Auftraggeber Klage auf Beseitigung der Mängel und bot Sachverständigengutachten an.

Die Gewährleistungsfrist lief, da nichts anderes vereinbart war, am 01.09.2001 ab. Für den am 15.09.2001 angezeigten Mangel war die Gewährleistungsfrist verjährt, der Auftragnehmer konnte dessen Beseitigung verweigern. Der Mangel an der Ölwanne war vom Auftraggeber rechtzeitig am 15.08.2001 angezeigt worden. Ab diesem Zeitpunkt lief die Verjährungsfrist von sechs Monaten, in welcher der Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden mußte. Daher war die Klage vom 20.02.2002 um fünf Tage verspätet und wurde durch das Gericht abgewiesen.

Artikel 14 – Die Mängelrechte der Vertragsparteien

Die Vertragsparteien haben bei einem Mangel der gegenseitig zu erbringenden Leistungen genau definierte Rechte

Hat die Leistung des Auftragnehmers einen Mangel – wann das der Fall ist, wurde im vorhergehenden Artikel dieser Serie beschrieben -, stehen sowohl dem Auftraggeber als auch dem Auftragnehmer Rechte zu. Die Regelungen in § 14 Nr. 2 VOL/B verweisen auf die „gesetzlichen Vorschriften“. Damit sind die Regelungen in § 439 BGB für Kaufverträge und § 635 BGB für Werkverträge gemeint.

Im Kaufrecht kann der Käufer nach seiner Wahl entweder die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Dieses Wahlrecht gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Es muß vielmehr eine Verhältnismäßigkeitsprüfung dahingehend erfolgen, ob die gewählte Alternative ökonomisch akzeptabel ist. Der Verkäufer (Auftragnehmer) kann daher die vom Käufer (Auftraggeber) gewünschte Mangelbeseitigung oder Nachlieferung verweigern, wenn deren Erfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Beim Werkvertrag verhält es sich ähnlich. Der Unternehmer (Auftragnehmer) kann, wenn der Besteller (Auftraggeber) die „Nacherfüllung“ wählt, von vornherein nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen.

Für beide Vertragsarten gilt: Verlangt der Auftraggeber vom Auftragnehmer die vorgenannte „Nacherfüllung“, kann er ihm gleichzeitig eine angemessene Frist zu deren Ausführung setzen. Werden in dieser die Leistungen nicht erbracht, kann der Auftraggeber die Mängel selbst beseitigen oder durch einen Dritten beseitigen lassen. Die dabei entstandenen Kosten kann er dem Auftraggeber in Rechnung stellen.

Zusätzlich kann nach der VOL der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Frist zur Nacherfüllung mit der Maßgabe setzen, daß er nach deren Ablauf die Mangelbeseitigung ablehnt. Dieser Hinweis muß jedoch ausdrücklich mit der Fristsetzung erfolgen. Ist das beachtet und der Mangel nicht beseitigt, hat der Auftraggeber die Wahl- er kann die Vergütung mindern, vom Vertrag zurücktreten sowie Schadensersatz verlangen.

Von den Möglichkeiten der Minderung der Vergütung, des Rücktritts vom Vertrag und vom Schadensersatz kann der Auftragnehmer dabei grundsätzlich nebeneinander Gebrauch machen. D. h., der Auftraggeber kann die dem Auftragnehmer zustehende Vergütung um den Betrag mindern, um den die Leistung durch den bestehenden Mangel weniger wert ist. Daneben kann jedoch auch den Schaden ersetzt verlangen, welcher ihm durch die mangelhafte Leistung entstanden ist.

Ebenfalls kann er vom Vertrag zurücktreten, wobei die bisher erbrachten Leistungen wie z. B. Teillieferungen und Teilzahlungen zurückzugewähren sind. Auch besteht die Möglichkeit, den Schadensersatzanspruch geltend machen.

Aus wirtschaftlichen Gründen ist der Schadensersatzanspruch jedoch entgegen den Regelungen im BGB auf Schäden beschränkt, die am Gegenstand des Vertrages selbst entstehen. Damit können weitergehende Ansprüche, wie z. B. entgangene Gewinne durch den Ausfall der Nutzung der Leistung, nicht geltend gemacht werden.

Das Beispiel aus der Praxis:

Für eine Schule wurde Küchenbedarf ausgeschrieben. Dabei sollten u. a. Geschirr, Küchen- und Reinigungsmaschinen geliefert werden. Die Ausführung der Leistung, nämlich die Lieferung und Installation der Geräte, sollte bis zum 15.02. erfolgen. An diesem Tag wollte der Auftraggeber die Leistungen abnehmen. Bei dem Test der Geräte stellte er fest, daß die Spülmaschine einen technischen Defekt hatte und eine der fest installierten Kochpfannen sich entgegen dem Angebot nicht kippen ließ. Daraufhin setzte der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Frist zur Beseitigung der Mängel bis zum 29.02.

Hinsichtlich der mangelhaften Pfanne verlangte er die Lieferung und Installation einer neuen. Der Auftragnehmer verweigerte zu Recht die Neulieferung, da der Mangel bereits durch eine Reparatur am Gelenk behoben werden konnte. Als die ökonomische Alternative mußte er in diesem Fall die Pfanne kostenlos reparieren. In bezug auf die Spülmaschine hatte der Auftraggeber die Frist mit dem Hinweis gesetzt, daß er danach die Mangelbeseitigung ablehne. Der Auftragnehmer fand in der vorgegebenen Zeit die Ursache für den Mangel nicht. Daraufhin trat der Auftraggeber hinsichtlich der Spülmaschine vom Vertrag zurück. Der Auftragnehmer mußte diese beim Auftraggeber abholen und die bereits erhaltene Teilzahlung zurücküberweisen.

Artikel 13 – Sachmängelansprüche

Sachmängelansprüche und neue gesetzliche Verjährungsfristen

Durch die seit Anfang des Jahres 2002 in Kraft getretenen Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind auch die Regelungen des Gewährleistungsrechtes bei der Auftragsvergabe, speziell der § 14 VOL/B, betroffen. Die größte Veränderung ergibt sich mit der Verlängerung der Gewährleistungsfrist von sechs Monaten auf zwei Jahre!

Durch die oben erwähnten Änderungen ist der Begriff Gewährleistung in § 14 VOL/B durch die Bezeichnung Sachmängelansprüche ersetzt worden. Nach der neuen Regelung hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber die Leistung so zu verschaffen, daß sie die im Vertrag vereinbarte Beschaffenheit hat. Es kommt also hauptsächlich darauf an, was die Vertragsparteien vereinbart haben. Dabei ist einerseits das im Vertrag z. B. durch ein Leistungsverzeichnis schriftlich Festgelegte heranzuziehen, andererseits kann eine solche Vereinbarung aber auch mündlich getroffen worden sein. Eine mündliche Vereinbarung wird im Bereich der öffentlichen Ausschreibungen jedoch nur geringe Bedeutung haben, da grundsätzlich vom Wortlaut der Ausschreibung auszugehen ist.

Nun sollten die Vertragsparteien zwar im Vertrag so viel wie möglich schriftlich fixieren, um spätere Streitigkeiten über vereinbarte Beschaffenheiten der Leistung zu vermeiden. Jedoch kann in vielen Fällen nicht alles in den Vergabeunterlagen aufgeführt sein. Daher gilt, wenn eine vertragliche Beschaffenheit für eine Leistung vereinbart ist, daß ein Mangel dann nicht vorliegt, „wenn die Leistung nach der im Vertrag vorausgesetzten Verwendung“ geeignet ist. Sollte auch eine solche Verwendung nicht vertraglich vereinbart worden sein, dann ist die Leistung mangelfrei, wenn „sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Leistungen der gleichen Art üblich ist und die der Auftraggeber nach der Art der Leistung erwarten kann“.

Die „im Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ muß nicht ausdrücklich in demselben niedergeschrieben sein. Es ist vielmehr das heranzuziehen, was vom Auftraggeber beabsichtigt und dem Auftragnehmer bekannt ist. Die Leistung muß also gerade zu dem Zweck einsetzbar sein, zu welchem sie der Auftraggeber einsetzen wollte und dies dem Auftragnehmer – in welcher Form auch immer – bekannt gemacht hatte. Eine solche Bekanntmachung kann auch in den der Ausschreibung beigefügten Parametern zur Beschaffenheit liegen.

Wenn solche Verwendungen dem Auftragnehmer nicht bekannt gemacht sind, ist auf die „gewöhnliche Verwendung“ der Leistung abzustellen. Dabei geht man davon aus, was bei Leistungen der gleichen Art üblich ist und vom Auftraggeber nach der Art der Leistung erwartet werden kann. Dazu gehört, daß das Werk den anerkannten Regeln des Fachs entspricht. Dies sind z. B. die DIN- Normen, Sicherheitsbestimmungen, Unfallverhütungsvorschriften u. a. Ist das nicht der Fall, liegt ein Mangel wegen der Abweichung von der gewöhnlichen Verwendung auch ohne Eintritt eines Schadens vor.

Das Beispiel aus der Praxis:
Die Ausschreibungsunterlagen einer Stadt sahen die Lieferung von neuen Transportfahrzeugen vor. Die Beschreibung des Auftrages forderte, daß die Fahrzeuge u. a. folgende Eigenschaften besitzen sollten: eine Anhängelast von mindestens 700 kg und eine Dachlast von mindestens 100 kg. Außerdem war in der Ausschreibung dargestellt, daß sie zum Personentransport eingesetzt werden sollten.

Die Lieferung der Fahrzeuge durch den Auftragnehmer erfolgte in dem vorgegebenen Zeitraum. Aufgrund der kurzen Lieferfrist waren nur Fahrzeuge mit zwar 900 kg Anhängelast jedoch nur einer Dachlast von 70 kg lieferbar. Der Auftragnehmer rüstete die Fahrzeuge mit Sitzen für den Personentransport aus, diese besaßen jedoch keine Verankerung für Sicherheitsgurte. Durch ein Versehen war die Hauptuntersuchung zum Zeitpunkt der Ablieferung der Fahrzeuge an den Auftraggeber bereits 9 Monate alt.

Die verminderte Dachlast stellte einen Mangel dar, da diese Beschaffenheit vertraglich vereinbart war. Die erhöhte Anhängerlast glich diesen Mangel nicht aus. Die nicht vorhandenen Verankerungen für Sicherheitsgurte waren, da die vertraglich vereinbarte Verwendung Personentransporte vorsah, als Mangel der Leistung anzusehen. Ohne solche Gurte konnte jedoch der Auftraggeber nicht die gesetzlich vorgesehenen Bestimmungen (§ 35 a StVZO) einhalten. Über den Zeitpunkt der Hauptuntersuchung war in der Ausschreibung nichts vermerkt. Es sollte sich jedoch um Neufahrzeuge handeln, welche üblicherweise eine zum Zeitpunkt der Übergabe an den Auftraggeber neue oder nur wenige Tage alte Hauptuntersuchung haben. Die gewöhnliche Verwendung war daher in diesem Bereich nicht mehr gegeben, ein Mangel lag vor.

Artikel 12 – Die Rechtsfolgen der Abnahme

Die Abnahmearten und deren Rechtsfolgen-Ausschluß der Mängelhaftung, Lauf der Gewährleistungsfrist und Vergütungsanspruch.

In den beiden vorangegangen Artikeln dieser Serie wurden die Abnahmeverweigerung und der Mangelvorbehalt behandelt. Dieser Beitrag soll nun den Themenbereich zur Abnahme mit der Erläuterung weiterer Abnahmearten und den Rechtsfolgen der Abnahme beenden.

Die VOL kennt drei Arten der Abnahme: die förmliche, die Fiktion der Abnahme und die Abnahme von Teilleistungen. Die letztgenannte wurde bereits im vorhergegangenen Artikel dieser Serie beschrieben.

Die förmliche Abnahme ist die Erklärung des Auftraggebers, daß der Vertrag der Hauptsache nach erfüllt ist. Dies ist unabhängig von eventuell in einem Abnahmeprotokoll festzuhaltenden Mängeln. So ist die Abnahme, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben oder vertraglich vereinbart ist, auch ein einklagbares Recht des Auftragnehmers. Gesetzlich vorgeschrieben ist sie z. B. im Werkvertragsrecht (§ 640 Abs. 1 BGB), sie kann aber auch in den Ausschreibungsbedingungen oder den Zusätzlichen, Ergänzenden oder Besonderen Vertragsbedingungen festgelegt sein.

Handelt es sich demgegenüber nicht um einen Werkvertrag und ist auch keine Vereinbarung über die Abnahme in den Vertragsunterlagen getroffen worden, dann kann auch ohne ausdrückliche Abnahmeerklärung eine Inbenutzungnahme der Leistung dieselbe Folge haben. Abzugrenzen ist hier jedoch von einem „Probebetrieb“, welcher die Funktionstüchtigkeit der Leistung prüfen soll. Um eine genaue Grenzziehung zu gewährleisten, ist das Recht zu einer probeweisen Benutzung bereits in den Vertragsunterlagen festzuhalten. Diese „fiktive Abnahme“ schützt den Auftragnehmer u. a. vor Schwierigkeiten in der Beweisführung, nämlich ob ein Mangel erst durch die Benutzung durch den Auftraggeber entstanden ist oder bereits vorher angelegt war. Ebenfalls muß der Auftragnehmer nicht erst auf Abnahme klagen, um einen fälligen Zahlungsanspruch zu erhalten.

Durch die Abnahme entfällt die Haftung des Auftragnehmers für erkennbare Mängel, für welche der Auftraggeber sich seine Rechte, z. B. in einem Protokoll, nicht vorbehalten hat. Es beginnt ab diesem Zeitpunkt auch die Verjährung der Gewährleistungsansprüche zu laufen und der Anspruch des Auftragnehmers auf Zahlung der Vergütung wird fällig. Ebenfalls geht, wie in einem der vorherigen Artikel der Serie ausführlicher behandelt, der Übergang der Gefahr des zufälligen Unterganges der Leistung ab diesem Zeitpunkt auf den Auftraggeber über. Soweit Teilleistungen abgenommen werden, wirken, wenn nicht im Vertrag etwas anderes vereinbart ist, auch für diese die Folgen der Abnahme. So kann es dazu kommen, daß die Gewährleistungsfrist für einen Teil einer Gesamtleistung bereits zeitiger als für den Rest der Leistung zu laufen beginnt und demzufolge auch eher endet. Desgleichen kann für einen Teil der Leistung der Anspruch auf Vergütung bereits vor dem Vergütungsanspruch für das Gesamtwerk entstanden sein.

Das Beispiel aus der Praxis:
Bei einer im Wege der Ausschreibung beschafften Lieferung von Schulbüchern für den Mathematikunterricht der Klasse 5 war keine Regelung hinsichtlich der Abnahme getroffen worden. Die Bücher wurden am 15.08.1999 geliefert und am 17.08.1999 in Benutzung genommen. Obwohl es bereits bei der Abnahme erkennbar gewesen wäre, daß die Bücher auf dreißig Seiten unbedruckt waren, wurde es erst am 20.08.1999 durch den Auftraggeber bemerkt. Für diesen Mangel waren somit die Sachmängelansprüche ausgeschlossen.

Im Laufe der weiteren Benutzung stellte sich am 10.01.2000 heraus, daß ihre Heftung unzureichend ausgeführt war. Dadurch konnten die Bücher nicht das gesamte Schuljahr hindurch genutzt werden, da sie der Beanspruchung nicht standhielten. Dieser Mangel war jedoch nicht von Anfang an zu erkennen, da erst durch die Benutzung die zu geringe Verleimung zutage trat.

Durch die Inbenutzungnahme am 17.08.1999 stand dem Auftragnehmer ab diesem Zeitpunkt der Vergütungsanspruch zu, da zu diesem Datum die „fiktive Abnahme“ erfolgte. Auch begann die Verjährungsfrist für die Sachmängelansprüche nach § 14 VOL/B zu laufen, diese war auch am 10.01.2000 noch nicht abgelaufen.

Der Auftragnehmer konnte daher bereits ab 17.08.1999 seine Vergütung fordern. Nach der Geltendmachung der mangelhaften Heftung, welche am 10.01.2000 erkannt wurde, war er jedoch zur Erfüllung seiner Pflichten aus Sachmängelhaftung nach den Regelungen des § 14 VOL/B verpflichtet.

Artikel 11 – Verweigerung der Abnahme

Wann kann der Auftraggeber die Abnahme wegen bestehender Mängeln verweigern und ist eine Abnahme nur von Teilen der Leistung möglich?

Im vorhergehenden Heft wurde dargelegt, daß die Abnahme der entscheidende Zeitpunkt für den Vorbehalt von Mängelgewährleistungsrechten ist. Sind nämlich Mängel zu diesem Zeitpunkt bereits erkannt, müssen diese auch in einem Abnahmeprotokoll verzeichnet und sich die Rechte daraus vorbehalten werden.

Jedoch kann der Auftraggeber auch wegen Mängeln des Werkes oder der Leistung nach § 13 Nr. 2 Absatz 1 VOL/B die Abnahme verweigern, wenn es sich um „wesentliche“ Mängel handelt. Im Gegenzug dazu ist bei „nicht wesentlichen“ Mängeln die Abnahmeverweigerung ausgeschlossen, wenn durch den Auftragnehmer seine Pflicht zur Beseitigung des Mangels ausdrücklich anerkannt wird. Wenn der Auftragnehmer dieses Anerkenntnis jedoch verweigert, kann der Auftraggeber allerdings auch bei „nicht wesentlichen“ Mängeln die Abnahme ablehnen.

Wann nun solche „wesentlichen“ oder „nicht wesentlichen“ Mängel vorliegen, kann nicht generell dargestellt werden. Dies richtet sich jeweils nach dem Einzelfall. Zumindest liegt ein „nicht wesentlicher“ Mangel dann vor, wenn dem Auftragnehmer zuzumuten ist, die Leistung als im wesentlichen vertragsgemäß anzunehmen. Dies ist der Fall, wenn er sich hinsichtlich der bestehenden Mängel durchaus auf die ihm zustehenden Gewährleistungsrechte verweisen lassen muß und die Leistung nach dem im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch für ihn nicht völlig ungeeignet ist. Im Zweifel muß darüber, ob ein wesentlicher Mangel vorliegt, ein Gutachter entscheiden.

Wenn durch den Auftraggeber die Leistung nicht abgenommen wird, sind die dafür geltenden Gründe dem Auftragnehmer mitzuteilen. Damit verbunden soll eine Frist zur Nachbesserung und erneuten Vorstellung zur Abnahme gestellt werden. Verzögerungen, die durch eine solche Nachbesserung entstehen und vom Auftragnehmer verschuldet sind, gehen zu seinen Lasten. Er kann sich lediglich damit zur Wehr setzen, daß er die Leistung ordnungsgemäß erfüllt habe und die Abnahmeverweigerung ungerechtfertigt sei.

Kann der Auftraggeber mit in sich abgeschlossenen Teilen der Leistung etwas anfangen, kann er auch Teilleistungen abnehmen, für welche dann die Gewährleistungsfrist zu laufen beginnt. Ebenso kann eine solche Abnahme erfolgen, wenn Teile der Leistung im weiteren Fertigungsgang in eine Gesamtleistung so eingebaut werden, daß sie nicht mehr zugänglich sind. Sie können dann bei einer Abnahme des Gesamtgegenstandes nicht mehr geprüft und daher auch nicht mehr abgenommen werden. Unter Teilleistungen werden allerdings auch Einzelteile einer Leistung verstanden.

Das Beispiel aus der Praxis:
Aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung hatte ein Auftragnehmer technische Prüfgeräte zu liefern. Diese waren nach der Leistungsbeschreibung für die volle Funktionsfähigkeit so auf einem Sockel aufzubringen, das sie bei Aufstellung in einer vorgegebenen Toleranz horizontal und vertikal eingestellt werden konnten. Weiterhin hatte der Auftragnehmer auch Hard- und Software für die Auswertung der mit den Geräten vorzunehmenden Prüfungen zu liefern.

Zum Abnahmetermin wurde festgestellt, daß die gelieferten Prüfgeräte starr auf dem Sockel befestigt waren, so daß eine Einstellung wie gefordert nicht erfolgen konnte. Durch diesen Mangel waren die Geräte, welche sonst keine Fehler aufwiesen, für den Auftraggeber nach dem im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch ungeeignet. Er verweigerte aus diesem Grund berechtigt die Abnahme, teilte ihn dem Auftragnehmer mit und setzte eine Frist von 14 Tagen zur Nachbesserung und erneuten Vorstellung der Geräte zur Abnahme. Bis zu diesem Zeitpunkt mußte er sich für die bei ihm nicht erbringbaren technischen Prüfungen jedoch externer Dienstleister bedienen. Diese stellten gegenüber dem Auftraggeber die in den 14 Tagen erfolgten Leistungen in Rechnung. Der Auftragnehmer war verpflichtet, die aufgewendeten Kosten zu ersetzen, da die Abnahmeverweigerung seitens des Auftraggebers berechtigt erfolgte.

Die ebenfalls vom Auftragnehmer gelieferte Hard- und Software war jedoch in Ordnung, so daß sie durch den Auftraggeber bereits abgenommen werden konnte. Für diesen Teil der Leistung begann die Gewährleistungsfrist zu laufen und der Auftragnehmer konnte auch bereits Zahlung verlangen. Dafür hatte der Auftraggeber dem Auftragnehmer auch keine Mehrkosten in Rechnung gestellt, da er solche auch nicht ersetzt bekommen hätte.

Artikel 10 – Die Abnahme

Die Abnahme – lediglich die Erklärung des Auftraggebers, daß der Auftragnehmer den Vertrag erfüllt hat?

Die Regelungen über die Abnahme in § 13 VOL/B sind eine der wichtigsten des gesamten Vertragsrechtes der öffentlichen Auftragsvergabe. Spätestens mit der Abnahme geht die ursprüngliche Haftung des Auftragnehmers für die zufällige Verschlechterung oder den Untergang der Leistung auf den Auftraggeber über. In § 13 Nr. 1 VOL/B wird darauf verwiesen, daß für den Übergang der Gefahr die gesetzlichen Vorschriften gelten. Dies bedeutet, daß es bei Vorliegen eines Kaufvertrages der Zeitpunkt der „Übergabe“, bei einem Werkvertrag der der „Abnahme“ ist.

Soll nun die Leistung auf Verlangen des Auftragnehmers versandt werden, so geht bereits ab dem Zeitpunkt der Übergabe an den Lieferanten die Gefahr auf den Auftraggeber über. Ebenfalls kann die Gefahr schon vor Abnahme oder Übergabe auf den Auftraggeber übergehen, wenn auf dessen Wunsch der im Vertrag dafür vorgesehene Termin verschoben wird.

Unabhängig davon, ob es sich um einen Werk- oder Kaufvertrag handelt, stellt § 13 VOL/B hinsichtlich der Mängelgewährleistungsrechte auf den Zeitpunkt der „Abnahme“ ab. Diese Bezeichnung umfaßt sowohl die Abnahme bei einem Werkvertrag als auch die Übergabe bei einem Kaufvertrag. So kommt es durch die Abnahme der erbrachten Leistung durch den Auftraggeber „als vertragsgemäß“ zu einem Ausschluß der Mängelgewährleistungsrechte unter folgenden Vorraussetzungen: Wenn der Auftraggeber die Mängel „erkannt“ und seine Rechte nicht „wegen eines bestimmten Mangels vorbehalten“ hat, entfällt die Haftung des Auftragnehmers für diese Mängel.

Was sind nun Mängel bei der durch den Auftragnehmer zu erbringenden Leistung? Der Begriff des Mangels in der VOL ist dem gesetzlichen, wie er in § 633 BGB für den Werkvertrag und in § 434 BGB für den Kaufvertrag bestimmt ist, gleichzusetzen. Danach liegt ein Mangel vor, wenn das Werk oder die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Es kommt also vor allem auf die Vereinbarungen im Vertrag an, welchen besonders hohe Bedeutung beizumessen sind. Soweit Beschaffenheiten jedoch nicht oder unzureichend vereinbart sind, kommt es darauf an, ob es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder – bei Fehlen einer Regelung – für die gewöhnliche Verwendung eignet.

Es ist somit immer die vertragliche Vereinbarung vorrangig, die Parteien sollen selbst festlegen können, welche Merkmale der zu liefernde Gegenstand oder die zu erbringende Leistung haben soll. Lediglich bei fehlenden und lückenhaften Beschreibungen wird auf die „Üblichkeit“ zurückgegriffen.

Das Beispiel aus der Praxis:
Durch ein Unternehmen sollten für die Ausstattung einer Behörde sowohl 10 PC-Systeme als auch die für das Verwalten der anfallenden Daten notwendige Software inklusive Handbuch geliefert werden. Nach dem Vertrag sollten die PCs in der Behörde zur Erstellung von Planungszeichnungen mit hohem Grafikaufwand Verwendung finden. Die Auftraggeberin erbat die Übersendung der PC durch einen von ihr ausgewählten privaten Zustelldienst. Dabei schloß jedoch der Auftragnehmer den Transportvertrag mit dem Lieferunternehmen im eigenen Namen ab.

Bei dem Transport vom Auftragnehmer zur Auftraggeberin verursachte der Fahrer des Lieferfahrzeuges einen Unfall. Durch diesen wurden 5 der 10 gelieferten Monitore beschädigt.

Der Auftragnehmer war ab dem Zeitpunkt des Beladens des Transporters trotz eigenen Vertrages mit diesem Unternehmen von der Haftung befreit. Er muß somit die 5 zerstörten Monitore nur gegen Zahlung einer weiteren Vergütung erneut liefern. Die Auftraggeberin konnte nicht kostenfreie Neulieferung vom Auftragnehmer verlangen.

Allerdings hatte der Auftragnehmer die PC-Systeme nicht mit einer zur Erstellung von Planungszeichnungen ausrechenden Grafikkarte ausgestattet. Ebenfalls hatte er auch der Nachlieferung nicht das vereinbarte Handbuch beigefügt. Aus dem geschlossenen Vertrag ergab sich, wozu die Auftragnehmerin die Systeme verwenden wollte. Da sie jedoch nicht die Anforderungen erfüllten, lag hier ein Mangel vor. Dieser konnte durch den Auftragnehmer nachgebessert werden, jedoch war der Vertrag bis zur vereinbarten Lieferung des Handbuches für die erstellte Software nicht erfüllt.

Artikel 9 – Vertragsstrafen

Richtige Vereinbarung von Vertragsstrafen und angemessene Obergrenzen.

In Verträgen, welche durch die öffentliche Ausschreibung geschlossen werden, sind Vertragsstrafen nicht von vornherein Vertragsbestandteil, können aber nach § 11 VOL/B Gegenstand der Vereinbarung sein. Wenn nun solche in der Ausschreibung durch die öffentliche Hand vereinbart werden sollen, muß die entsprechende Regelung entweder in den BVB, ZVB oder anderen, Vertragsbestandteil werdenden Ausschreibungsunterlagen, enthalten sein.

Jedoch reicht allein eine solche Einbeziehung in den Vertrag nicht aus. Die Vertragsstrafen müssen nach der Rechtssprechung auch eine Reihe von Bedingungen erfüllen, um überhaupt wirksam vereinbart zu sein. So kommt es nämlich des Öfteren vor, daß überhaupt keine wirksame Vereinbarung vorliegt, bzw. eine solche durch die Gerichte aufgehoben wird.

Damit man weiß, wann eine solche Vereinbarung auch wirksam ist, muß man sich erst einmal den Charakter der Vertragsstrafe verdeutlichen. Diese stellt keinen Selbstzweck dar, sondern soll den Auftragnehmer anhalten, die von ihm geschuldete Leistung vertragsgemäß zu erfüllen. Weiterhin stellt sie auch einen „pauschalierten Schadensersatz“ dar, womit bis zur Höhe der fällig gewordenen Vertragsstrafe ein solcher Schaden durch den Auftraggeber nicht nachgewiesen werden muß.

Nach § 12 VOL/A sollen Vertragsstrafen nur für die Überschreitung von Ausführungsfristen ausbedungen werden. Dieser Bereich ist also der Hauptanwendungsfall.

Sind z. B. für die Überschreitung mehrerer nacheinanderfolgender Ausführungstermine Vertragsstrafen vereinbart und ist es dem Auftragnehmer nicht möglich, bei Überschreitung bereits des ersten Ausführungstermins bei aller Anstrengung die weiteren einzuhalten, so ist die Vereinbarung der weiteren Vertragsstrafen unwirksam, der Auftragnehmer muß lediglich die erste zahlen.

Auch dürfen Vertragsstrafen nur in angemessener Höhe vereinbart werden. Wenn für jeden Tag der Überschreitung ein bestimmter Satz vereinbar t ist, muß dieser auch angemessen sein. Feste Regeln gibt es dafür jedoch nicht. So hat der Bundesgerichtshof 1,5 % je Arbeitstag für unwirksam erklärt, 0,1 % je Arbeitstag und höchstens 10 % der Angebotssumme jedoch für wirksam gehalten.

Die Vertragsstrafe ist selbstverständlich nur verwirkt, wenn der Auftragnehmer mit seiner Leistung verschuldet in Verzug gerät. Liegt es dagegen am Auftraggeber, daß die Erfüllung nicht oder nicht fristgemäß erfolgen kann, z. B. weil er die zur Ausführung nötigen Konstruktionspläne nicht rechtzeitig geliefert hat, kann er selbstverständlich vom Auftragnehmer auch keine Vertragsstrafe verlangen.

Das Beispiel aus der Praxis:
Bei der Durchführung eines Lieferauftrages wurde für Verzögerungen eine Vertragsstrafe von 0,1 % je Arbeitstag, höchstens jedoch 5 % der Auftragssumme vereinbart. Bei der Lieferung sollte der Auftraggeber Begleitpersonal stellen. Aufgrund von Streiks kam es zu einer Verzögerung der Auslieferung auf Seiten des Auftragnehmers um zwanzig Tage. Diese Verzögerung wurde von ihm auch ordnungsgemäß angezeigt, so daß er ein Recht auf die angemessene Verschiebung des Lieferzeitpunktes hatte. Zum neu festgesetzten Liefertermin konnte der Auftraggeber jedoch nicht das von ihm zu stellende Personal aufbringen, um die Lieferung zu begleiten. Daher mußte die Lieferung um weitere zehn Tage verschoben werden.

Zu diesem neu vereinbarten Termin konnte der Auftragnehmer jedoch nicht das notwendige Transportfahrzeug stellen, so daß erst fünf Tage später die Lieferung erfolgte.

Der Auftraggeber machte nun 3,5 % der Auftragssumme als Vertragsstrafe geltend. Diese berechnete er aus den zwanzig Tagen Verzögerung durch den Streik, die daran anschließenden zehn Tage Verzögerung wegen ihm fehlenden Personals und den weiteren fünf Tagen aufgrund des nicht bereitgestellten Transportfahrzeuges.

Der Auftraggeber konnte jedoch lediglich für die vom Auftragnehmer verschuldeten fünf Tage Verzögerung Vertragsstrafe verlangen. Sowohl die ersten zwanzig als auch die nachfolgenden zehn Tage hatte dieser nicht zu verschulden. Somit konnte der Auftraggeber vom Auftragnehmer lediglich 0,5 % der Auftragssumme fordern.

Artikel 8 – Kündigung durch Auftragnehmer

Kündigungsrecht des Auftragnehmers und Abrechnung der erbrachten Leistungen.

In der letzten Ausgabe wurde dargelegt, wann der Auftraggeber ein Kündigungsrecht hat. Jedoch stehen auch dem Auftragnehmer Ersatzrechte zu bzw. hat er die Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen. Voraussetzung ist, daß der Auftraggeber mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten in Verzug gerät. Welche Pflichten dies sind, richtet sich hauptsächlich nach dem konkreten Vertrag. Generell kann man jedoch folgende Grundpflichten, welche für eine Vielzahl von Verträgen gelten, nennen:

Der Auftraggeber hat bei Verträgen die vereinbarte Vergütung zu entrichten. Nicht nur die Zahlung nach Ende des Vertrages sondern vielfach auch vereinbarte Abschläge gehören hierzu. Weiter hat auch der Auftraggeber Leistungen und Zuarbeiten zu erbringen. So kann es dazu kommen, daß zur Leistungserbringung erforderliche Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt werden oder eine ordnungsgemäße und fristgerechte Bereitstellung von Zulieferungen nicht erfolgt. Auch die rechtzeitige Abnahme der Auftragnehmerleistungen durch den Auftraggeber gehört zu seinen Pflichten.

Welche Folgen die Verletzung dieser Pflichten hat richtet sich danach, ob der Auftraggeber seine Mitwirkung mit oder ohne Verschulden unterläßt. So kann bei verschuldeter Nichtzahlung der Auftragnehmer vom Auftraggeber Verzugszinsen verlangen. Ebenfalls kann er in einem solchen Fall bis zur Zahlung die Ausführung der weiteren Arbeiten einstellen. Weiterhin kann er dem Auftraggeber eine angemessene Frist zur Zahlung setzen, nach deren Ablauf er die Zahlung ablehnt. Danach kann er vom Vertrag zurücktreten bzw. Schadensersatz verlangen.

Wenn nun der Auftraggeber eine notwendige Mitwirkung ohne sein Verschulden unterläßt, kann auch in einem solchen Fall der Auftragnehmer die vereinbarte Leistung nicht vertragsgemäß erbringen. Er muß dann, um sich vom Vertrag lösen zu können, eine angemessene Frist setzen mit der Erklärung, daß er nach deren Ablauf mit sofortiger Wirkung kündigen werde.

Wenn nun eine solche Kündigung erfolgt ist, sind die erbrachten Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen. Dies bereitet bei Kaufverträgen in Teillieferungen mit fest zugeordneten Preisen regelmäßig keine Probleme. Schwierig wird dies lediglich bei Verträgen, bei denen eine klare Trennung nach Teilleistungen nicht erfolgen kann. Dies sollte daher schon bereits bei Vertragsschluß beachtet und entsprechende Abrechnungsregelungen in diesen aufgenommen werden.

Weiter hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf angemessene Entschädigung dafür, daß er Arbeitskräfte und Kapital bereithält und in seinen Erwartungen hinsichtlich des errechneten Gesamtgewinns enttäuscht wird.

Das Beispiel aus der Praxis:
In einer Ausschreibung der Gemeinde G. wurde vereinbart, Abschlagszahlungen nach Leistungsstand zu erbringen. Trotz ordnungsgemäßer Fertigstellung und Anzeige der ersten 50 % der Ausführungen an die Auftraggeberin verweigerte diese grundlos die Zahlung. Der Auftragnehmer, welcher die Zahlungen für seinen Gewerbebetrieb fest eingeplant hatte und aufgrund der Nichtzahlung einen Kredit aufnehmen mußte, konnte die zusätzlichen Darlehenskosten von der Auftraggeberin ersetzt verlangen. Weiterhin setzte er, da eine ordnungsgemäße Vertragsdurchführung nicht mehr in Betracht kam, der Auftragnehmerin eine Zahlungsfrist und trat nach deren erfolglosen Ablauf vom Vertrag zurück.

Bei einem auf einer weiteren Ausschreibung beruhenden Vertrag sollte die Auftraggeberin Spezialtransporttechnik für die Lieferung von Sondermaschinen bereitstellen, welche sie selbst in ihrem Fuhrpark vorhielt. Das Transportfahrzeug wurde jedoch bei einem vorhergehenden Einsatz durch einen Verkehrsunfall beschädigt und war aufgrund dessen einsatzunfähig. Eine vertragsgemäße Erbringung der Leistung war dem Auftragnehmer daraufhin nicht mehr möglich, sowohl er als auch die Auftraggeberin konnten kein Ersatzfahrzeug beschaffen. So war es für den Auftragnehmer notwendig den Vertrag zu kündigen, um seine Abrechnung erstellen zu können. Danach konnte er sowohl die bisher erbrachte Leistung, die Anfertigung der Spezialmaschine, als auch eine angemessene Entschädigung (für den Wegfall der Vergütung für den Einbau) als entgangenen Gewinn verlangen.