Entbehrlichkeit einer separaten Rüge

Eine separate und nochmalige Rüge nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB ist entbehrlich, wenn der Auftraggeber seine Auswahlentscheidung über den im Vorinformationsschreiben schon genannten Grund hinaus auf weitere, neue Gesichtspunkte stützt, der Antragsteller bei nochmaliger Rüge dieser nachgeschobenen Begründungen aber befürchten müsste, dass die vierzehntägige Schutzfrist des § 13 VgV ohne sofortige Einschaltung der Vergabekammer abzulaufen droht.

VK Sachsen
Beschluß vom 09.05.2003

 

Ausschluss von Angeboten mit abgepreisten Leistungen

Das "Abpreisen" bestimmter ausgeschriebener Leistungen auf einen Einheitspreis von 0,01 Euro und das "Aufpreisen" der Einheitspreise anderer Positionen widerspricht dem in § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A niedergelegten Grundsatz der Zweifelsfreiheit der Eintragung. Solche Angebote sind daher grundsätzlich nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A auszuschließen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluß vom 18. Mai 2004 eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Düsseldorf vom 26. November 2003 bestätigt. Dieses hatte festgestellt, dass Angebote, welche die vorgesehenen Preise nicht mit dem Betrag angeben, der für die betreffende Leistung beansprucht werde, von der Wertung auszuschließen sind.

Diese Entscheidung bezog sich auf einen Fall, in dem die einzelnen Leistungen nicht mit ihren tatsächlichen Preisen angeboten wurden, weil die Aufwendungen für die betreffende Leistungsposition bei anderen Kostenpositionen eingestellt worden sind.

Der BGH stellt weiter fest, dass ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A benennt, sondern die von ihm geforderten Angaben zu den Preisen der ausgeschriebenen Leistungen in der Gesamtheit seines Angebots "versteckt".

Daran ändert auch der Einwand nichts, dass es sich um eine sogenannte "Mischkalkulation" handele und lediglich im Wege von betriebswirtschaftlich motivierten kalkulatorischen Rechenoperationen eine angebotsbezogene Umgruppierung verschiedener jeweils unselbständiger Kalkulationsposten innerhalb des Gesamtangebots vorgenommen werde.

 Die vollständige Entscheidung finden Sie hier.

Öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts

 
1. Öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts kann auch eine juristische Person des Privatrechts sein, wenn sie neben von ihr verfolgten gewerblichen Zwecken im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen hat; für das aus § 57 a Abs. 1 Nr. 2 Haus-haltsgrundsätzegesetz (= § 98 Nr. 2 GWB) ersichtliche Beherrschungskriterium reicht es aus, dass die letztlich hinter dem privatrechtlich organisierten Unternehmen stehende Gebietskörperschaft ihre Einflussmöglichkeiten auf dessen Vergabeentscheidungen mittelbar über Dritte ausüben kann.

2. Ein Unternehmen, das in einem ausdrücklich so bezeichneten "beschränkten Vergabeverfahren" der Sache nach ausschreibungspflichtige Dienstleistungen zum Gegenstand einer europaweiten Ausschreibung macht, unterwirft die potentiellen Bieter und sich selbst auch dann den Regeln der VOL/A, wenn die Kriterien eines "öffentlichen" Auf-traggebers auf es nicht zutreffen; es kann sich der Geltung dieses mit seiner eigenen Ausschreibung geschaffenen Rechtsrahmens nicht später dadurch einseitig entziehen, dass es in den Verdingungsunterlagen verlautbart, die Bieter hätten keinen Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen der VOL/A durch den Auftraggeber.

3. Die Wirksamkeit eines Angebots setzt grundsätzlich nicht voraus, dass die rechtsgeschäftliche Befugnis des das Angebot Unterzeichnenden hierzu der Vergabestelle mit dem Angebot selbst nachgewiesen wird.

4. Dem preisgünstigsten Bieter darf im Rahmen der Wertung nach § 25 Nr. 3 S. 1 VOL/A der Auftrag nur dann vorenthalten werden, wenn teurere Angebote bei anderen zulässigen Wertungskriterien einen ihren Preisnachteil kompensierenden konkreten Vorteil aufweisen; eine unter Verstoß hiergegen erfolgte Auftragsvergabe löst Ansprüche des Bestbieters auf Ersatz seines positiven Interesses auch dann aus, wenn der tatsächlich erteilte Auftrag im Detail von der vorangegangenen Ausschreibung abweicht, solange diese Änderungen nur die wirtschaftliche und technische Identitat des Beschafffungsvorhabens nicht berühren.

 
OLG Dresden
Urteil vom 09.03.2004
Az.: 20 U 1544/03

Spielraum bei Verhandlungsverfahren nach VOL/A

 
Auch im Verhandlungsverfahren darf das Beschaffungsvorhaben nicht so abgeändert werden, daß es dem Gegenstand der Ausschreibung nicht mehr entspricht.
 

amtlicher Leitsatz:

1. Ungeachtet der darin eröffneten Spielräume zur Konkretisierung des Auftragsinhalts erlaubt es ein Verhandlungsverfahren nach VOL/A nicht, im Ergebnis der mit dem Bieter geführten Gespräche andere Leistungen zu beschaffen als mit der Ausschreibung angekündigt; die Identität des Beschaffungsvorhabens, so wie es die Vergabestelle zum Gegenstand der Ausschreibung gemacht hat, muss gewahrt bleiben.

2. Von einem einheitlich ausgeschriebenen Auftrag können auch im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens nicht nach Ablauf der Angebotsfrist Teile der zu erbringenden Leistung dergestalt abgespalten werden, dass ihre Verwirklichung nach Auftragserteilung zusätzlich von der Ausübung einer an keine inhaltlichen Voraussetzungen gebundenen einseitigen Option des Auftraggebers abhängt; das gilt jedenfalls dann, wenn der verbleibende "Festauftrag" gegenüber dem ursprünglichen Ausschreibungsinhalt ein gegenständlich anderes Vorhaben ("aliud") darstellt.

 
OLG Dresden
Beschluss vom 03.12.2003

WVerg 15/03

Übergang ins Verhandlungsverfahren

 
Wenn die Vergabestelle das Scheitern des Vergabeverfahrens zu verantworten hat, kann sie nicht ohne weiteres anschließend in ein Verhandlungsverfahren übergehen.

amtlicher Leitsatz:

1. Antragsbefugt im Vergabenachprüfungsverfahren ist auch ein Unternehmen, das am Vergabeverfahren tatsächlich nicht beteiligt war, wenn es nach seinem Vorbringen möglich erscheint, dass der Vergabeverstoß gerade in seiner Nichtbeteiligung liegt.

2. Ein vom Antragsteller nicht unterschriebener Nachprüfungsantrag kann bis zur Entscheidung der Vergabekammer durch Nachholung der Unterschrift mit Wirkung für die Zukunft zulässig gemacht werden.

3. § 3a Nr. 2a VOL/ rechtfertigt nicht ohne weiteres den Übergang ins Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung, wenn der Vergabestelle das Scheitern des vorangegangenen Verfahrens zuzurechnen ist, weil die von ihr zu verantwortenden ursprünglichen Ausschreibungsbedingungen die Auftragserfüllung praktisch möglich gemacht haben und (auch) deshalb keine (wirtschaftlichen) Angebote eingegangen sind.

4. Jedenfalls wird an einem nachfolgenden Verhandlungsverfahren dann diejenigen Unternehmen zu beteiligen, die die Vergabestelle selbst im vorangegangenen Verfahren als zur Erfüllung des zu vergebenden Auftrags geeignet angesehen hat.

OLG Dresden
Beschluss vom 16.10.2001
WVerg 7/01