Dispute-Beseitigung: Priorität einer Sachbezeichnung („welle.de“)

Bei einer Kollision eines Begriffs der Umgangssprache (im Fall das Wort „Welle“) mit einem Namen (im Fall die Gemeinde „Welle“) gilt jedenfalls dann der Prioritätsgrundsatz, wenn der Namensträger keine überragende Bekanntheit (Beispiele des Gerichts: die Städte Essen und Kiel) genießt. Der Namensträger muß dann der Löschung eines von ihm bei der Denic veranlassten Disputeeintrags zustimmen.

LG Köln: Urteil vom 08.05.2009 – 81 O 220/0

URTEIL

verkündet am 8. Mai 2009

In dem Rechtsstreit

des Herrn J. S., …

Klägers und Widerbeklagten,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

die Gemeinde Welle, vertreten durch den Bürgermeister …,

Beklagte und Widerklägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht … für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt,

in die Löschung des zu ihren Gunsten bei der D. e. G., F., gestellten Dispute-Eintrags für die Internetdomain „welle.de“ einzuwilligen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120% desjenigen Betrages, dessentwegen vollstreckt wird.

TATBESTAND:

Der Kläger bietet Dienstleistungen im Internet an, u. a. auch die Vermarktung von Domains, die er als beschreibend ansieht. u. a. ist er Inhaber der hier streitgegenständlichen Domain www.welle.de, die derzeit so gestaltet ist wie dies aus dem Widerklageantrag ersichtlich ist: sie enthält eine Vielzahl diverser Links.

Die Beklagte ist eine Gebietskörperschaft in Niedersachsen mit ca. 1.300 Einwohnern und trägt den Gemeindenamen „Welle“. Sie hält die Inhaberschaft des Klägers an der Domain „welle.de“ für einen unbefugten Namensgebrauch und sieht sich als in wettbewerblicher Hinsicht unlauter behindert an. Sie hat deshalb bei der D. einen sog. Dispute-Eintrag bewirkt, der dazu führt, dass sie bei einer Veräußerung der Domain als Inhaberin eingetragen werden wird.

Der Klägerin hält dies seinerseits für eine Behinderung, denn er wisse noch nicht so genau, was mit der Domain geschehen werde; wenn er sie verkaufen und an den Erwerber übertragen wolle, werde er wegen des Dispute- Eintrages nicht in der Lage sein, dem Erwerber die Inhaberschaft zu verschaffen.

Er beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und beantragt widerklagend,

den Kläger zu verurteilen, gegenüber der D. e. G., K-straße …, F., die Einwilligung in die Löschung der Domain „welle.de“ zu erklären, die wie nachfolgend wiedergegeben gestaltet ist:

(Anmerkung: im Urteil folgen einige Grafiken wie diese hier)

 

Sie hält sich im Verhältnis zum Kläger für die besser berechtigte Rechtspersönlichkeit, denn sie führe den Namen berechtigterweise schon sehr lange und jedenfalls deutlich länger als der Kläger Inhaber der fraglichen Domain ist, zumal der Klägerin über keinerlei eigene Rechte an der Bezeichnung „Welle“ verfüge. Es handele sich auch nicht um die Nutzung der Domain für Angebote, die sich unter den Begriff „Welle“ subsumieren lassen, denn die gegenwärtige Vermarktung diene nur der Vorbereitung eines Verkaufs und stelle bis dahin nur eine Platzierungsmöglichkeit für Werbung im Internet dar für beliebige Angebote dar und zwar insbesondere auch für solche, die nichts mit der Sachangabe „Welle“ zu tun haben. Durch die Nutzung der Domain durch den Kläger finde eine Zuordnungsverwirrung statt, denn der Interessierte suche unter www.welle.de die Beklagte, weil eine derart aufgebaute Domain so üblich sei bei Städten und Gemeinden; der Nutzer werde annehmen, die Links beträfen von der Beklagten in irgend einer Weise geförderte Anbieter. Umgekehrt werde sie daran gehindert, ihrerseits die fragliche Domain für ihre Interessen zu verwenden, etwa die Förderung des Tourismus. Auf eine Priorität bezüglich der Domain könne sich der Kläger mangels eines materiellen Namensrechts nicht berufen.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Er sieht sich als der besser Berechtigte an, weil er schon seit langem Inhaber der Domain sei; die gewerbliche Nutzung und gegebenenfalls Verwertung der Domain sei kein unlauterer Geschäftszweck; eine Zuordnungsverwirrung scheitere schon daran, dass die Beklagte in der Allgemeinheit unbekannt sei. Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Klage ist begründet und die Widerklage ist unbegründet.

Der Kläger kann von der Beklagten Einwilligung in die Löschung des Dispute-Eintrages verlangen, weil diese Sperre ihn in der Nutzung und der Verwertung seiner zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Rechten behindert; umgekehrt hat die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass der Kläger die fragliche Domain aufgibt, weil er die Idee, eine solche Domain zu nutzen, zeitlich vor der Beklagten umgesetzt hat und der kennzeichnende Teil der Domain aus einem Wort besteht, welches eine Sachbezeichnung darstellt und mangels Bekanntheit der Beklagten in erster Linie auch als solche verstanden wird.

Ausweislich der Darstellung in Wikipedia hat „Welle“ in sachlicher Hinsicht folgende Bedeutungen:

Welle (von althochdeutsch wellan, „wälzen“) steht für:

Wasserwelle, eine spezielles Wellenphänomen an der Wasseroberfläche

Welle (Physik), eine Form der Energieausbreitung in Zusammenhang mit Schwingungen

Welle (Mechanik), ein stabförmiger Maschinenteil zur Übertragung mechanischer Energie

elektrische Welle, eine Schaltung von mehreren Drehmeldern (Schleifringläufermotoren), die ohne mechanische Verbindung synchrone Drehbewegungen zwecks Anzeige oder auch zur Übertragung mechanischer Energie ausführen

Welle (Tanz), eine Schrittkombination in Standardtänzen

Leewellen, kurz auch Wellen genannt, eine meteorologische Erscheinung

La ola, eine besondere Form der Zuschauerbeteiligung im Stadion

eine Metapher für die Ausbreitung eines Trends, z. B. in der Mode, oder einer Erscheinung, siehe Trend (Soziologie)

Grüne Welle, das Antreffen von Grünphasen bei hintereinander- folgenden Ampelanlagen (Lichtsignalanlagen) bei geeigneter Fahrgeschwindigkeit

Es handelt sich mithin – was die Beklagte letztlich auch nicht bestreitet – um ein Wort der Umgangssprache, unter dem ohne eine bestimmte, ergänzende Eigenschaftsbeschreibung („Herr …“, „Gemeinde …“; weitere Beispiele wie Die Welle (2008), ein deutscher Kinofilm oder Die Welle (Gebäude), ein Geschäftszentrum in Frankfurt am Main bei Wikipedia, eine Sache verstanden wird. Insbesondere wird ohne einen besonderen Hinweis bei Nennung des Wortes „Welle“ nicht etwa ein Bezug zur Beklagten hergestellt, denn in der Allgemeinheit ist dieser Ort – anders als etwa die Städte Kiel und Essen, die beide ebenfalls eine Sachbezeichnung als Namen führen – nicht bekannt; Entgegenstehendes hat die Beklagte in konkreter Form selbst nicht vorgetragen.

Auch Personen, die die Beklagte kennen, ist die allgemeine Bedeutung von „Welle“ geläufig, sodass auch bei ihnen nicht schon die bloße Nennung der Domain den Bezug zur Beklagten auslöst; vor diesem Hintergrund scheidet die Annahme der Beklagten aus, die allgemeine Verwendung der Domain www.welle.de führe zu einer Zuordnungsverwirrung und bedeute eine Verletzung ihres Namensrechtes.

Vor diesem Hintergrund bedeutet der Umstand, dass die Beklagte den Namen „Gemeinde Welle führt, als solcher keine gegenüber dem Kläger bessere Rechtsposition in Bezug auf die streitgegenständliche Domain, denn in Bezug auf die Domain gilt in einem solchen Fall schlicht die Priorität. Dies gilt insbesondere ohne besondere weitere Erwägungen, weil nicht einmal die Beklagte geltend macht, der Kläger betreibe „Domain-Grabbing“, habe sich also die Domain gesichert, um aus dem zu erwartenden Wunsch der Beklagten finanzielle Vorteile zu ziehen. Umgekehrt ist es angesichts der Unbekanntheit der Beklagten unmittelbar glaubhaft, wenn der Kläger vorträgt, sich die Domain gesichert zu haben, um sie gegebenenfalls an einen Interessenten weiter zu veräußern: eine solche Tätigkeit dürfte unter keinem Aspekt zu beanstanden sein; sie gibt aber jedenfalls der Beklagte keinen Anspruch gegenüber dem älteren Recht des Klägers.

Die Eintragung der Dispute-Vormerkung behindert den Kläger im Kern seiner gewerblichen Betätigung, denn er erzielt seine Einnahmen u. a. mit der Veräußerung von Domains; ein Recht hierzu hat die Klägerin nach allem nicht.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: € 25.000,-.

 

Haftung des Betreibers von Domainparking – Plattform nur bei Kenntnis einer Markenverletzung

Wer eine Plattform zum Parken von Domains betreibt, benutzt dadurch nicht automatisch im geschäftlichen Verkehr eine Marke, auch wenn eine auf der Plattform angebotene Domain eine Marke verletzt. Die Vorab-Prüfung aller angebotenen Domains auf Markenverletzungen ist unzumutbar. Der Betreiber der Plattform haft erst, wenn er nach Kenntniserlangung einer Markenverletzung nicht reagiert und die Markenverletzung nicht beseitigt.

 Leitsatz von schwarz-anwaelte.de

Landgericht Düsseldorf, 2a O 176/07, Urteil vom 28.11.2007, dessen Volltext auf den Seiten des Gerichts nachgelesen werden kann. 

Keine Priorität des Namensgleichen für Domain

Die sowieso schon fragwürdige Aufweichung des Prioritätsprinzips bei Namensgleichen wegen überragender Bekanntheit (shell.de, krupp.de) durch den BGH hat das OLG Stuttgart jetzt noch weiter aufgeweicht. Auch eine deutlich größere wirtschaftliche Bedeutung soll schon ausreichen, eine überragende Bekanntheit sei nicht erforderlich. Schlußendlich hat das Gericht dann doch Angst vor der eigenen Courage bekommen. Die Revision wurde trotz des erkennbaren Widerspruchs zur BGH-Rechtsprechung nicht zugelassen, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handeln soll.

 

Die Leitsätze aus Stuttgart:

1. Ein Domaininhaber kann keinen Namensschutz nach der Prioritätsregel in Anspruch nehmen, wenn er seinem Namen einen Zusatz hinzufügt, der unter keinem Aspekt seinen berechtigten Interessen entsprechen kann (hier: Unternehmensgruppe).

2. Die Grundsätze der Prioritätsregel müssen bei Gleichnamigkeit nicht nur bei überragender Bekanntheit zurücktreten, sondern auch dann, wenn dem Domaininhaber keinerlei objektiv schützenwertes Interesse an der Verwendung des Domainnamens zuzubilligen ist (im Anschluss an BGH NJW 2002, 2031).

OLG Stuttgart Urteil vom 26.7.2007, 7 U 55/07,  die Entscheidung kann auf den Seiten der Justiz BW nachgelesen werden.

Der Begriff „Beirat“ kann Bestandteil eines schutzwürdigen Namens sein.

www.stadtteilbeirat-woltmershausen.de steht nur der Stadt Bremen bzw. dem Stadtteil zu

Woltmershausen ist ein Stadtteil von Bremen. Für diesen Stadtteil u.a. sieht das bremische Ortsrecht einen offiziellen Stadtteilbeirat vor. Das Landgericht Bremen hat jetzt einer Klage stattgegeben, nach der die Domain aus dem Gesichtspunkt des Schutzes des alleinigen Verwendung des eigenen Namens nur vom offiziellen Namensträger, also der Stadt Bremen bzw. des Stadtteils benutzt werden darf.

Die Domain war zunächst für private Zwecke registriert worden, mußte jetzt aber freigegeben werden.

Die Entscheidung wird vielfach mit der Aussage zitiert, daß der Begriff "Beirat" Namensschutz genieße. Dies ist wohl zu weit gehend. So werden zum Beispiel unter der Domain www.stadtteilbeirat.de Informationen zu einem Stadtteil der Stadt Rheine bereit gehalten.

Registrierung eines Domainnamens durch Holdinggesellschaft für Tochtergesellschaft akzeptiert

Eine Holdinggesellschaft, die die Unternehmensbezeichnung einer Tochtergesellschaft mit deren Zustimmung als Domainname registrieren lässt, ist im Streit um den Domainnamen so zu behandeln, als sei sie selbst berechtigt, die fragliche Bezeichnung zu führen.

BGH
Urteil vom 9. Juni 2005
Az.: I ZR 231/01

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofes nachlesen.

Priorität des Namens bei Umlautdomain

Leitsatz (der Redaktion):

Ein Umlautdomain kann eine gleichlautende ältere Domain mit Umlautumschreibung verletzen.

Urteil des AG Köln vom 24.11.2004,  136 C 161/04

Das Amtsgericht hat eine Spedition namens Görg zur Freigabe verurteilt, deren Registrierung der Umlautdomain görg.de schneller erfolgt war, als die gewünschte Registrierung des Domaininhabers goerg.de. Die frühere Registrierung von goerg.de genieße namensrechtlichen Prioritätsschutz.

Unsere Auffassung zum Urteil: Kurz, knapp und falsch.

Die Wertung des Gerichts widerspricht der ansonsten vorhandenen – insbesondere höchstrichterlichen – Rechtsprechung. Sie bringt natürlich eine – eigentlich unerwünschte – Unsicherheit in eine Problematik, die man gelöst geglaubt hatte.

Die Entscheidung des AG Köln kann auf den Seiten der Justiz NRW direkt abgerufen werden.

Eine Entscheidung des OLG Köln zu Umlautdomains, die wettbewerbsrechtliche Aspekte behandelt, finden Sie ebenfalls in unserem Portal.

Domain: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“; Räumliche Auswirkung einer Domain I

a) Durch die Benutzung eines Domainnamens kann ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen
entstehen, wenn durch die Art der Benutzung deutlich
wird, daß der Domainname nicht lediglich als Adreßbezeichnung verwendet
wird, und der Verkehr daher in der als Domainname gewählten Bezeichnung
einen Herkunftshinweis erkennt.
b) Unternehmen mit einem lokalen oder regionalen Wirkungskreis weisen mit ihrer
Präsenz im Internet nicht notwendig darauf hin, daß sie ihre Waren oder
Leistungen nunmehr jedem bundesweit anbieten wollen.
(siehe auch die Entscheidung zu hufeland.de)
BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 – I ZR 135/01 – OLG Stuttgart LG Stuttgart
Volltext des Urteils auf den BGH Seiten als pdf.

Domain: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“; Räumliche Auswirkung einer Domain II

1. Die Registrierung einer Domain alleine bedeutet noch keine räumliche Ausdehnung der Geschäftstätigkeit, auch wenn die Domain weltweit abgerufen werden kann (siehe auch die Entscheidung zu soco.de).
2. In der DDR und der Bundesrepublik parallel entstandene Rechte können nach der Wiedervereinigung gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Für die Registrierung einer Internetdomain gilt in diesem Fall das Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst".

Urteil des BGH vom 23.6.2005, Az. I ZR 288/02