Vom „bösen Anschein“

Vom „bösen Anschein“ spricht man, wenn etwas vermieden werden, von dem nicht sicher sein muß, daß es so ist, es halt aber so sein könnte. In der Juristerei ist geht es dabe in der Regel um die „Befangenheit“. Eigentlich geht es dabei nicht darum, ob jemand befangen ist, sondern darum, daß es den bösen Anschein gibt, daß er befangen sein könnte.

 

Einen bösen Anschein hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs jetzt gesehen, als es eine Richterin eines Senats in einen anderen versetzen wollte. Diese Richterin – Zweifel an ihrer erheblichen fachlichen Qualifikation gibt es nicht – ist mit einem Anwalt befreundet, dessen Kanzlei vielfach in Fällen tätig war, die später an den Senat eben dieser Richterin gerieten. Der Senat ist dann zwei Jahre lang in anderer Besetzung, also ohne diese Richterin, tätig geworden. Sie sollte nun in einen anderen Senat wechseln und weil sie nicht mitmachte, hat man sie „zwangsversetzt“ und den Geschäftsverteilungsplan entsprechend geändert.*

Nicht dergleichen hat der BGH mit einem Richter getan, dessen Sohn ebenfalls in einer bekannten Anwaltskanzlei tätig war.

Nicht dergleichen ist ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn ein Ehegatte über ein Urteil seines Ehegatten in der unteren Instanz urteilen muß – Richter seien professionell und daher gebe es keinen bösen Anschein, daß man ein Bestreben habe, das Tun seines Ehegatten zu rechtfertigen. Was müssen das für Eheversprechen sein? Muß man sich nicht auch bei schlechten Urteilen auf die Seite des Partners schlagen?

* In einem Eilverfahren vor dem baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof hat die Richterin durchgesetzt, daß sie vorerst an ihrem alten Platz weiter arbeiten darf.

BGH: endgültiger (nicht vorläufiger) Unsinn

Daß gelegentlich auch Richter der Meinung sind, manches was vom BGH kommt, könne nur von Leuten kommen, die nie als Anwälte gearbeitet haben, hatten wir ja erst kürzlich.

 

In diese Kategorie gehört auch, daß neue Fristen bei Fristverlängerungsanträgen erst einmal als ausdrücklich als „vorläufig“ gekennzeichnet werden müssen (u.a. BGH Beschluß vom 13.7.2010, VI ZB 1/10). Was soll das? Wann soll denn dieser Vorläufigkeitsvermerk als solches wieder überprüft werden? Wenn ich täglich im Fristenbuch  den aktuellen Tag kontrolliere, stelle ich einen solchen Vorläufigkeitsvermerk erst dann fest, wenn ich die Fristen für diesen Tag kontrolliere. Und nicht früher! Dann wäre es im Zweifel sowieso zu spät, die Frist zu wahren (wenn das Gericht nur eine kürzere Frist bewilligt hat). Man könnte natürlich noch eine gesonderte Vorläufigkeitsvermerksliste führen, die täglich zu überprüfen ist …

Oder soll man jeden Tag das ganze Fristenbuch auf eventuelle Vorläufigkeitsvermerke durchsuchen? Dann stellen wir einen „VorläufigkeitsFristenPrüfer“ ein, weil unsere MitarbeiterInnen gar keine Zeit haben, jeden Tag das ganze Fristenbuch zu durchforsten!?

Der Vorläufigkeitsvermerk bringt also überhaupt nichts (wir müssen schlicht und einfach erst mal die Frist wie beantragt eintragen und später die Fristbewilligung nochmals im Detail prüfen und ggf. notieren – machen wir natürlich sowieso).

So einen Unsinn nennt der BGH dann auch noch „Leitsatzentscheidung“. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn es auch die Wahrheit ist …“ Ne, das ist irgendwie ein schiefer Vergleich.

Gericht: „Sie werden an die Wand gestellt und erschossen.“

Das war ein deutsches Gericht. Zitate aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts:

 

„Unmittelbar zu Beginn der Verhandlung vom 16. August 2006 habe der Vorsitzende – offenbar bereits über das Scheitern außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen unterrichtet – seine Unzufriedenheit über den Verfahrensstand zum Ausdruck gebracht und auf seinen – des Klägers – Vortrag zum Grund des Konflikts mit den Worten reagiert: „Passen Sie auf, was Sie sagen; es wird sonst alles gegen Sie verwendet“. Dadurch sei bei ihm der Eindruck entstanden, der Vorsitzende wolle jegliche Erörterung des Streitstoffs gleich zu Beginn unterbinden. Trotz seiner Erklärung, den Arbeitsplatz wiedererlangen zu wollen, habe dieser das Gespräch sogleich auf die Erörterung der Modalitäten eines Vergleichs gelenkt. Da er sich dem nicht offen habe widersetzen wollen, habe er einen seiner Vorstellung entsprechenden Abfindungsbetrag von 150 TEuro genannt. Der Vorsitzende habe daraufhin erklärt: „Wer bis zuletzt hofft, stirbt mit einem Lächeln“ und sei dazu übergegangen, ihm geringe Erfolgsaussichten seiner Klage wie folgt vor Augen zu führen: „Wenn Sie dem nicht zustimmen, dann kriegen Sie sonst nur 10 oder 20 TEuro“, „Sie haben keine Chance, höchstens 20 %, Sie müssen das machen!“. Seine weiterhin ablehnende Haltung gegenüber einem Vergleich habe der Vorsitzende mit den Worten kommentiert: „Sie spielen hier Vabanque“; „Was Sie machen, ist unverantwortlich im Hinblick auf Ihre familiäre Situation“ und: „Hören Sie mir auf mit Mobbing, davon will ich nichts hören, da kommt nichts bei raus!“ Zusammen mit weiteren unsachlichen Bemerkungen habe dies in ihm den Eindruck hervorgerufen, sein Fall werde nicht mehr objektiv und unparteiisch beurteilt. In unverhohlen aggressiver Art habe der Vorsitzende dann geäußert: „Seien sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, auf seine weitere Verweigerung eines Vergleichsschlusses ohne Widerrufsmöglichkeit erklärt: „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und schließlich: „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“ sowie – nach einem „Blick in die Runde“ -: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“. Danach habe er – der Kläger – endgültig den Eindruck gewonnen, der Vorsitzende sei bereit, sich über jedes Recht hinwegzusetzen. Durch dessen weitere Reaktionen wie „Dann wechseln Sie eben die Stadt.“; „Dann müssen Sie eben wieder unten anfangen und sich hocharbeiten“ sei ihm klar geworden, dass gleichgültig sei, was er noch vortrage. So sei nach der Erklärung des Vorsitzenden: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“ der Vergleich geschlossen worden.“ Urteil vom 12.5.2010, 2 AZR 544/08

Die Gegenseite bestätigt das eher als nicht:

„Der Vorsitzende habe dem Kläger in ruhigem und vernünftigem Ton erläutert, dass er sich bei gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses und Festsetzung einer Abfindung schlechter stehe als bei Abschluss des angetragenen Prozessvergleichs. Auch wenn sich der Vorsitzende dabei – Einzelheiten seien ihrem Prozessbevollmächtigten nicht mehr „erinnerlich“ – zu Äußerungen habe hinreißen lassen, die nicht in einen Gerichtssaal gehörten, seien diese für den Vergleichsschluss nicht kausal geworden.“

Widersprüchlicher Vortrag (Wie kann man in sachlichem Ton Äußerungen tätigen, die nicht in einen Gerichtssaal gehören?) ist unerheblich und bestätigt den Vortrag der Gegenseite (§138 ZPO): „Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.“

 

Roland Rechtsschutz biegt sich das RVG zurecht

Der zweite Rechtsschutzfall in diesem Jahr, der zweite Fall mit unberechtigten Einwendungen durch den Versicherer. Das ist bis jetzt eine Fehlerquote von 100% und kann damit nur besser werden.

 

Der Roland meint:

„Bitte haben Sie Verständnis, dass wir die berechnete Beratungsgebühr nicht in voller Höhe übernehmen
können. Gemäß § 34 (1) RVG beträgt die Vergütung für die Beratung eines Verbrauchers maximal 250,– EUR,
im Falle einer Erstberatung jedoch höchstens 190,– EUR. „

und

„Die Pauschale für Telekommunikationsentgelte fällt bei anwaltlicher Beratung nicht an. Sie kann daher nicht
berücksichtigt werden.
Zwar erfolgte die Beratung in verschiedenen Abschnitten; dies nimmt ihr jedoch nicht den Charakter der
Erstberatung, da die Unterbrechung lediglich auf einem äußeren Anlass beruhte. „

Alles falsch, also schreiben wir unserer Mandantin:

Auch für uns unbefriedigend ist, daß Sie Ihrem Versicherer nicht einmal wert sind, daß dieser die uns zustehenden gesetzlichen Gebühren zahlt.

Daß es sich in dem Fall nicht nur um eine E r s t beratung handelt, ergibt sich aus den mehrfachen E-Mails, die wir Ihnen nach dem Gespräch mit Ihrer Familie sandten und wird durch die anhängende Kommentarstelle belegt.
Die Telekommunikationspauschale deckt auch die Kosten für den E-Mail-Verkehr ab (siehe weiterer Anhang) und wird von der Versicherung dennoch nicht übernommen.
Wir wollen Ihnen gegenüber jetzt nicht die Differenz einfordern und würden diese nur von der Versicherung verlangen. Sie sollten deren Regulierungsverhalten aber kennen.
Wir dürfen bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß Sie unter Umständen ein Kündigungsrecht für die Versicherung haben (Auszug im Internet recherchiert, da uns Ihre Bedingungen nicht vorliegen; wäre ggf. zu prüfen), wenn Sie in zwölf Monaten zwei Versicherungsfälle haben:
(2)
Bejaht der Versicherer seine Leistungspfl  icht für mindestens zwei
innerhalb von zwölf Monaten eingetretene Rechtsschutzfälle, sind
der Versicherungsnehmer und der Versicherer nach Anerkennung der
Leistungspfl  icht für den zweiten oder jeden weiteren Rechtsschutzfall
berechtigt, den Vertrag vorzeitig zu kündigen.
Wir bedanken uns bei Ihnen für Ihr Vertrauen und würden uns freuen, wenn wir Ihnen auch in Zukunft behilflich sein könnten.“

Richter, die nie Anwälte waren

Zeugenbelehrung heute Morgen an einem Amtsgericht durch den Richter: Da er, der Richter, und ich, der Anwalt, bei dem Geschehen nicht dabei gewesen sein, müsse der Zeuge die Wahrheit sagen, damit wir das Recht richtig anwenden können. Ich, der Anwalt, im Zweifel richtiger als er, das Gericht.

 

Der Anwalt müsse nämlich Fehler des Gerichts voraussehen und sofort gegen mögliche Fehler des Gerichts einschreiten. Tue er das nicht, mache er sich gegenüber dem Mandanten möglicherweise schadensersatzpflichtig. So sei die Rechtslage, meinte der Richter. Und, daß so etwas nur Richter entscheiden könnten, die nie als Anwälte tätig waren.

Das tat gut.

Senat des VGH Baden-Württemberg fällt bei 2. juristischer Staatsprüfung durch

Einen schon unzulässigen Antrag zu stellen, ist für Rechtsanwälte fast immer ein Haftungsfall. Wenigstens die Hürde der Zulässigkeit sollte man schaffen.

Wenn man dann in der Begründetheit eines Antrag scheitert, darf man das – jedenfalls  häufiger als bei der Frage der Zulässigkeit – als haftungsbefreiendes Schicksal bezeichnen.

 

Recht häufig (gemessen an der Zahl der Vorlagen überhaupt) bügelt das Bundesverfassungsgericht Richtervorlagen nach § 80 BVerfGG als schon unzulässig ab. Das heißt übersetzt, daß die vorlegenden Richter „ihre Hausaufgaben nicht gemacht“ haben, wenn das Bundesverfassungsgericht nicht einmal die vorgelegte Rechtsfrage prüfen muß. Das ist jetzt einem Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg passiert – Vorlage an das Bundesverfassungsgericht unzulässig.

Zugegeben, die Hürden sind hoch – juristisches Hochreck sozusagen, aber sollte nicht ein Senat eines Berufungsgerichts in der Lage sein, diese erste Hürde zu nehmen nehmen!? Dort sitzen – oder ist das nur ein Vorurteil? – hochbezahlte Berufsrichter, von denen man annimmt, daß solche Richter besondere Anforderungen erfüllen, bevor sie an ein oberes Gericht abgeordnet werden. Und die schaffen nur ein Werk, mit dem sie in der zweiten juristischen Staatsprüfung möglicherweise gescheitert wären?

Oder darf man annehmen, daß auch dort „nur mit Wasser gekocht“ wird und diese hohen Richter viel menschlicher als ihr Ruf sind?

Dauerbrenner Anwaltsrobe

Seit einigen Wochen amüsiert (oder ärgert) sich die Justizwelt über ein schwerwiegendes Schreiben aus Niedersachsen. Das Justizministerium behandelt dort in großer Ausführlichkeit Einzelheiten zu den Justizroben, zB hier.

Wahrscheinlich hat der Urheber aber nur abgekupfert. Es gibt in NRW eine Verordnung aus dem Jahr 2006, der ihrerseits ein „Merkblatt“ aus dem Jahr 1963 zugrundeliegt. Damit es auch jeder versteht, gibt es dazu sogar eine Zeichnung.

 

Geht es noch älter? Natürlich! Schon im vorletzten Jahrhundert wurde darüber gestritten, ob Anwälte und ihre Referendare eine Robe tragen müssen oder überhaupt dürfen. Das berichtet die Ilustrierte Zeitung am 18. Dezember 1879 unter der Rubrik „Gerichtswesen“:

 

Es ist also zu erwarten, daß das Thema noch in weiteren ca. 140 Jahren die Gemüter bewegen wird.

Sehen wir es also gelassen!

Schnell (gut!) und falsch (schlecht!)

Anwälte und Rechtsschutzversicherungen sind sich nicht immer grün (von wegen Anwalts Liebling und so). Über eine schnelle Reaktion freuen wir uns, weil wir – und andere Kollegen – auch häufig anderes erleben. Eine Mail vom 3.1. hat uns die Allianz Rechtsschutzversicherung

 

schon mit Fax vom 7.1. beantwortet.

Aber irgendwie paßt die Antwort nicht so recht zu unserer Frage zum Deckungsschutz zur Rückabwicklung eines Fahrzeugkaufs, die war:

„… Es hat sich dann herausgestellt, daß das Fahrzeug schwere Schäden hat. Unter anderem sind Rostschäden im Rahmen mit Bauschaum und Farbe verdeckt worden.

Die Gegenseite lehnt eine Rückabwicklung ab (siehe Anhang), weshalb Klage erhoben werden muß.

Wir bitten im Namen Ihres Versicherungsnehmers/Ihrer Versicherungsnehmerin/Ihrer Versicherungsnehmer um Deckungsschutz. …“

 

Die Antwort der Allianz:

 

“ … Die gegnerische Kosten haben wir heute nach dort angewiesen. … „

 

Da werden wir wohl nochmals anrufen müssen, um einiges klar zu stellen.

Wir haben den falschen Beruf! Terminverlegung!

Auch wir haben immer wieder Anlaß (1., 2.) gehabt, die verquere Welt der Terminverlegung zur Kenntnis nehmen zu müssen. Heute sind wir direkt betroffen:

Ein Richter des Landgerichts Chemnitz ruft an. Er ist zuhause, die Akte ist im Gericht. Weil er sein Kind ins Krankenhaus bringen muß (Gute Besserung! Das ist wirklich ernst gemeint.), kann er die Akte nicht holen und sich nicht auf den Termin vorbereiten, der morgen Vormittag angesetzt ist. Er hebt den Termin auf. Einen anderen Termin kann er erst morgen nennen, wenn er wieder im Gericht ist, denn da hat er seinen Terminkalender.

 In der Sache haben wir übrigens schon zwei Mal verhandelt. Danach sind noch einmal Schriftsätze gewechselt worden, die im wesentlichen das bereits Gesagte vertieft haben.

 Ich wage mir gar nicht vorzustellen, welche Beschimpfungen ich mir anhören müßte, wenn ich als Anwalt mit einem identischen Ansinnen bei einem Gericht eine Terminverlegung erbitten würde.

 Bei Gericht sind eben manche doch gleicher als gleich.

Und im Büro ist es doch am schönsten!

Eigentlich hat Frau Ullmann letzte und diese Woche Urlaub. Heute war sie dennoch sogar mit ihren beiden Kindern und ihrem Partner da.

 

Ich hatte sie auch ein bißchen herausgefordert. Unser Besprechungstisch wackelte und ich hatte schon davon gesprochen, einen neuen zu beschaffen. Sie wollte für eine Reparatur sorgen und nach ein paar Wochen habe ich Zweifel geäußert, ob ich nicht doch einen neuen Tisch besorgen muß.

 

Als sie dann weg waren, hatte der Tisch acht Winkel und 16 Schrauben mehr und steht wieder bombenfest. Alles eine Sache von nur wenigen Minuten. Vielen Dank!