Verantwortlichkeit eines Speditionsunternehmers für die Folgen durch Lenkzeitüberschreitung

1. Ein Unternehmer, der seinen Betrieb so organisiert, dass die angestellten Fahrer regelmäßig die zulässigen Lenkzeiten überschreiten und deswegen fahruntüchtig am Straßenverkehr teilnehmen, setzt allein dadurch eine wesentliche Ursache für den Tod Dritter, wenn einer seiner Fahrer übermüdet einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang verschuldet.

2. Die tödliche Folge eines Verkehrsunfalls liegt in diesem Fall im Rahmen der möglichen Wirkungen der pflichtwidrigen Handlung und bewegt sich im überschaubaren Gefahrenkorridor des durch die Organisation des verkehrsgefährlichen Systems geschaffenen Ausgangsrisikos.

3. Bei wertender Betrachtungsweise liegt der Schwerpunkt der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit in der Organisation des rechtswidrigen Systems. Das daneben bestehende ebenfalls pflichtwidrige Unterlassungsverschulden, nämlich das dem Angeklagten mögliche Unterlassen des Hinderns der Weiterfahrt offensichtlich erschöpfter Fahrer tritt demgegenüber zurück.

Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil vom 08.02.2006, Az: 2 Ns 915 Js 144710/2003 . Das Urteil kann auszugsweise auf den Seiten des Gerichts nachgelesen werden.

 

 

Nicht ausreichender Sicherheitsabstand (hier 6m auf AB) bei Nachfahren

Die Feststellung eines nicht eingehaltenen Sicherheitsabstandes(hier 6m) auf der Autobahn durch Nachfahren mit einem Polizeifahrzeug auf derselben Spur bedarf wegen des ungünstigen Blickwinkels besonderer Anhaltspunkte.

OLG Hamm, 2 Ss Owi 63/06, Beschluß vom 17.2.2006. Der Volltext der Entscheidung kann auf den Seiten des Gerichts nachgelesen werden.

http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2006/2_Ss_OWi_63_06beschluss20060217.html 

Aufklärungspflicht über das Alter eines Kfz bei Erstzulassung über zwei Jahre nach Herstellung

Liegt zwischen dem Baujahr und der Erstzulassung eines Kraftfahrzeugs eine Zeitspanne von zweieinhalb Jahren, darf der Verkäufer es nicht bei der Nennung des Datums der Erstzulassung belassen, sondern muss auch ohne ausdrückliche Nachrage über das tatsächliche Alter des Fahrzeugs informieren.

OLG Oldenburg, Urteil 6 U 155/06 vom 28.10.2005; der Volltext kann auf den Seiten des Gerichts abgerufen werden.

 

http://app.olg-ol.niedersachsen.de/efundus/root.php4?_gerichtstyp=OLG&_ort=Oldenburg&_spruchkoerper=&_az=6+u+155%2F05&neuseit=0&_datum=&entdat=ab&_typ=&_norm=&_schlagwoerter=&suchwort=&suchopt=text&button=SUCHEN&adm=&lid= 

Haftung für Zusicherung „unfallfrei“ ohne Untersuchung

a) Der Verkäufer haftet für eine "ins Blaue hinein" gemachte Zusicherung für "unfallfrei", wenn er ein verkauftes Gebrauchtfahrzeug nicht auf Unfallfreiheit untersucht hat. (Leitsatz von schwarz-anwälte.de) 

b) Die Nacherfüllung durch Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache ist auch beim Stückkauf nicht von vorneherein wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen. Möglich ist die Ersatzlieferung nach der Vorstellung der Parteien dann, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann. Beim Kauf eines Gebrauchtwagens liegt es in der Regel nahe, dies zu verneinen, wenn dem Kaufentschluss eine persönliche Besichtigung des Fahrzeugs vorangegangen ist.

BGH, Urteil vom 7. Juni 2006, VIII ZR 209/05. Die Entscheidung kann im Volltext auf den Seiten des Bundesgerichtshofs nachgelesen werden.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=37111&pos=0&anz=1

Nächtlicher Rotlichtverstoß

Ein rechtlicher Rotlichtverstoß kann trotz einer Rotlichtdauer von 5 Sekunden ein einfacher Rotlichtverstoß sein, wenn die Ortszulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten wird und eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen wird.

OLG Hamm
Urteil vom 24.02.2006
Az.:4 Ss OWi 58/06

Aufklärungspflicht über Unfalltarif

Bietet der Autovermieter den Unfallgeschädigten ein Fahrzeug zu einem Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt, muss der Vermieter den Mieter darüber aufklären.

Bundesgerichtshof URTEIL XII ZR 50/04 vom 28. Juni 2006. Den Volltext des Urteils findet man auf den Seiten des Bundesgerichtshofs.

Grober Rotlichtverstoß trotz kurzzeitigem Anhalten an der Ampel

Ein grober Rotlichtverstoß kann auch dann vorliegen, wenn das Rotlicht einer Ampel zunächst erkannt worden ist und deswegen angehalten wurde, aber schon bei Grün für eine Abbiegespur geradeaus weitergefahren wurde.

Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles in der Kaskoversicherung durch Rotlichtverstoß des Versicherungsnehmers.

Kammergericht, Urteil vom 21.2.2006 6 U 78/05.
Das Urteil kann auf den Seiten des Kammergerichts im Volltext gelesen werden (pdf).

Sachbeschädigung durch Reflektor gegen Radarmessung

Das Anbringen von Reflektoren, mit denen die von der Kamera einer Verkehrsüberwachungsanlage gefertigte Aufnahme unbrauchbar gemacht wird, erfüllt nicht den Tatbestand der Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 III StGB). Es kommt jedoch eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung gem. § 303 I StGB in Betracht.

OLG München, Urteil vom 15. 5. 2006 – 4St RR 53/06

Ein Autofahrer hatte an den Sonnenblenden Reflektoren angebracht, die eine Abstandsmessung so beeinträchtigten, daß ein Foto wegen der Reflexion nicht verwertbar war. Er wurde in der ersten Instanz durch das Amtsgericht wegen Fälschens einer technischen Aufzeichnung verurteilt, das Landgericht hat ihn freigesprochen. Das Oberlandesgericht München bejahte dann eine Sachbeschädigung.

Wesentliche Urteilsgründe

1. Die Auffassung des LG, dass eine Verurteilung des Angekl. nach § 268 StGB, namentlich nach Absatz 3 dieser Bestimmung, nicht in Betracht komme, weil OLG München: „Blenden“ einer Verkehrsüberwachungs-Blitzanlage NJW 2006 Heft 29 2133 der Angekl. nicht durch störende Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang das Ergebnis der Aufzeichnung beeinflusst habe, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Unstreitig ist, dass Lichtbilder, die wie vorliegend von einer automatischen, mit einer Messvorrichtung gekoppelten Kamera einer Verkehrsüberwachungsanlage gefertigt werden, technische Aufzeichnungen i.S. von § 268 StGB sind (vgl. Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 268 Rdnr. 8). Sie werden damit vom Schutzzweck des § 268 StGB erfasst. Diese Bestimmung dient dem Schutz des Vertrauens darauf, dass ein Gegenstand, der im Rechtsverkehr als technische Aufzeichnung präsentiert wird, auch in dieser Form „ohne Machinationen“ entstanden ist und gerade deshalb, als Ergebnis eines automatisierten Vorgangs, die Vermutung inhaltlicher Richtigkeit für sich hat. In der Konsequenz des Schutzzwecks der Norm liegt es, den Echtheitsbegriff so zu bestimmen, dass in ihm der entscheidende Bezugspunkt des Vertrauens (der von menschlicher Einwirkung unberührte, in Übereinstimmung mit der Programmierung ablaufende Herstellungsvorgang) zum Ausdruck kommt (BGHSt 28, 300 [304] = NJW 1979, 1466).

Die Tathandlung des störenden Einwirkens auf den Aufzeichnungsvorgang verlangt deshalb Eingriffe, die den selbsttätig-fehlerfreien Funktionsablauf des aufzeichnenden Geräts in Mitleidenschaft ziehen (BGHSt 28, 300 [305] = NJW 1979, 1466). Der Täter muss störend auf den Aufzeichnungsvorgang eingewirkt haben, sein Eingriff muss die konkrete Funktion des Geräts beeinträchtigen, das heißt zu inhaltlicher Unrichtigkeit der Aufzeichnung führen (Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, 51). Die Anwendung von § 268 III StGB scheitert hier nicht daran, dass lediglich eine Manipulation am Bezugsobjekt im Sinne eines täuschenden Beschickens vorläge (so aber Gribbohm, in: LK-StGB, 11. Aufl., § 268 Rdnr. 32; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 268 Rdnrn. 11b, 13a; Lackner/Kühl, StGB, 25. Aufl., § 268 Rdnr. 9; vgl. auch Geppert, DAR 2000, 106 [107]), sondern vielmehr daran, dass der störende Eingriff die Entstehung einer Aufzeichnung überhaupt verhindert (Puppe, in: NK-StGB, 2. Aufl., § 268, S. 5000). Da die Einwirkung eine unrichtige Aufzeichnung verursachen muss, ist die völlige Verhinderung der Aufzeichnung durch Manipulationen am Objekt, die es für das Gerät unerkennbar machen, nicht tatbestandsmäßig (vgl. auch Puppe, in: NK-StGB, Losebl., 2. Aufl., § 268 Rdnr. 40; dies., NJW 1974, 1174 [1175]). Dies ist vorliegend der Fall, weil das Anbringen der Reflektoren durch den Angekl. dazu geführt hat, dass die Entstehung einer Aufzeichnung – die Aufnahme des Fahrers – überhaupt verhindert worden ist (vgl. auch BayObLGSt 1973, 158; vgl. ferner Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, § 268 Rdnr. 52).

Die gegenteilige Ansicht des AG Berlin-Tiergarten (NStZ-RR 2000, 9 = DAR 1999, 182) hat demgegenüber – soweit ersichtlich – in der Literatur keine Zustimmung gefunden (vgl. Geppert, DAR 2000, 106; Puppe, in: NK-StGB, § 268, S. 5000; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, § 268 Rdnr. 52; Tröndle/Fischer § 268 Rdnrn. 113, 13a; Lackner/Kühl, § 268 Rdnr. 9).

2. Eine Strafbarkeit nach § 274 I Nr. 1 StGB wegen Vernichtung oder Unterdrückung einer technischen Aufzeichnung scheidet aus, weil eine solche – wie vorstehend dargelegt – noch nicht existent war. Selbst wenn man mit dem AG Berlin-Tiergarten davon ausginge, dass jedenfalls eine „denklogische Zehntelsekunde“ lang ein auch das Bild des Fahrers enthaltenes Foto entstanden sein mag, das durch den Gegenblitz dann allerdings sofort wieder vernichtet wurde, fehlt es insoweit an einer hinreichend sicheren, dauerhaften stofflichen Fixierung einer solchen technischen Aufzeichnung (vgl. hierzu Geppert, DAR 2000, 106 [108]). Ebenso setzt der Tatbestand der Datenveränderung nach § 303a StGB voraus, dass solche Daten zuvor schon vorhanden waren (vgl. Geppert, DAR 2000, 106 [108]).

3. Indes kommt eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung nach § 303 I StGB in Betracht. Der Begriff der Beschädigung einer Sache verlangt keine Verletzung ihrer Substanz. Es genügt, dass durch körperliche Einwirkung auf die Sache die bestimmungsgemäße (technische) Brauchbarkeit nachhaltig gemindert wird (BGHSt 44, 34 [38] = NJW 1998, 2149 = NStZ 1998, 513 L; BayObLGSt 1987, 82 [83], jew. m.w. Nachw.; Stree, in: Schönke/Schröder, § 303 Rdnr. 8b; Hoyer, in: SK-StGB, 6. Aufl., § 303 Rdnr. 7; Tröndle/Fischer, § 303 Rdnr. 6; Lackner/Kühl, § 303 Rdnr. 3; Zacyk, in: NK-StGB § 303 Rdnrn. 5, 6; Wolff, in: LK-StGB, § 303 Rdnrn. 5, 6; vgl. ferner OLG Frankfurt a.M., NJW 1987, 389 [390]; OLG Köln, NJW 1999, 1042 = NZV 1999, 134 [136] = NStZ 2000, 32 L). Das OLG Stuttgart (NStZ 1997, 342) hat das Vorliegen von Sachbeschädigung in einem Fall bejaht, in dem der Angekl. die Scheiben vor dem Fotoobjektiv und dem Blitzlicht einer Geschwindigkeitsmessanlage mit Senf bzw. einer cremeartigen weißen Substanz beschmiert hatte mit der Folge, dass die Anlage bis zur Reinigung durch die Polizei funktionsunfähig war. Der Senat stimmt dieser Entscheidung – auch soweit dort § 316 I Nr. 1 StGB verneint wird – in Überstimmung mit der Literatur zu (vgl. Stree, in: Schönke/Schröder, § 303 Rdnr. 8b).

Nach Auffassung des Senats liegt hier ein vergleichbarer Fall des Einwirkens auf die Funktionsfähigkeit der Messanlage vor. Durch das Anbringen der Reflektoren im Innenraum der Frontscheibe hat der Angekl. seiner Absicht entsprechend erreicht, dass diese beim Auftreffen des Blitzlichts der Messanlage reflektierten, so dass der betreffende Bildausschnitt auf dem Lichtbild im Bereich des Fahrzeugführers überbelichtet war und eine Fahreridentifizierung dadurch unmöglich wurde. Die Messanlage, bestehend aus einem Aufnahmegerät und dem dabei verwendeten Aufzeichnungsmedium, war deshalb in ihrer bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit nicht unwesentlich gemindert und ließ sich nicht mehr funktionsentsprechend voll einsetzen. Dass der Eingriff – das Hervorrufen der Reflektion beim Auftreten des Blitzlichts – nur eine ganz kurze Zeitspanne andauerte (vgl. hierzu Stree, JuS 1988, 187 [188]), ist vorliegend unerheblich, weil es dem Angekl. gerade darauf ankam, das Aufnahmegerät in der vorgesehenen Funktion im entscheidenden und allein maßgeblichen Moment unbrauchbar zu machen. Auch wenn das Gerät anschließend wieder – was zu unterstellen ist – voll funktionsfähig war, war die zeitweilige Funktionsunfähigkeit durchaus erheblich und nachhaltig: Ein brauchbares Lichtbild vom Fahrer des Pkw des Angekl. kam nicht zu Stande (vgl. auch Stree, JuS 1988, 187 [190]). Anders als beispielsweise bei einer Maskierung des Fahrers ist hier durch die vom Blitzlicht ausgelöste Reflektion auch auf das Gerät und dessen Aufzeichnungsfunktion eingewirkt und dieses in seiner Funktionsfähigkeit jedenfalls nicht unerheblich beeinträchtigt worden (vgl. hierzu Stree, in: Schönke/Schröder, § 303 Rdnr. 10; Hoyer, in: SK-StGB, § 303 Rdnr. 7). Zwar ist der zur Verfolgung der Sachbeschädigung nach § 303b StGB erforderliche Strafantrag nicht gestellt; die GenStA hat jedoch in der Revisionsverhandlung das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.