Arzthaftung – Aufklärungsfehler bei Übertragung der Risikoaufklärung auf nachgeordneten Arzt

BGB § 823 Abs. 1 Dd

Der Chefarzt, der die Risikoaufklärung eines Patienten einem nachgeordneten Arzt überträgt, muss darlegen, welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und zu kontrollieren.

 
Kein unbedingter Vertrauensschutz des Chefarztes bei Delegation der Aufklärung auf untergeordneten Arzt

Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld von dem Chefarzt einer chirurgischen Klinik. Dieser führte bei ihr eine Divertikeloperation am Zwölffingerdarm durch. Infolge einer Nahtinsuffizienz kam es danach zu einer schweren Bauchfellentzündung und einer eitrigen Bauchspeicheldrüsenentzündung. Ein Behandlungsfehler ließ sich nicht feststellen. Die Klägerin behauptet, über das mit der Operation verbundene Risiko einer Bauchspeicheldrüsenentzündung nicht aufgeklärt worden zu sein. In Kenntnis dieses Risikos hätte sie nicht in die Operation eingewilligt. Das Aufklärungsgespräch hatte der Chefarzt nicht selbst durchgeführt, sondern einem Stationsarzt übertragen.

Das Landgericht Itzehoe hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Schleswig hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dabei hat es offen gelassen, ob die Klägerin vor dem Eingriff ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kommt eine Haftung des Chefarztes deshalb nicht in Betracht, weil ihm ein etwaiger Aufklärungsfehler des Stationsarztes jedenfalls nicht zuzurechnen sei.

Der u. a. für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat hat das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen, weil die Feststellungen des Berufungsgerichts eine Entlastung des Chefarztes von etwaigen Aufklärungsfehlern des aufklärenden Arztes nicht tragen. Der Bundesgerichtshof hat zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen der nicht selbst aufklärende Operateur sich darauf verlassen kann, dass die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist. Die hiernach bestehenden Kontrollpflichten gelten in noch stärkerem Maß, wenn der Operateur zugleich Chefarzt und deshalb für die ordnungsgemäße Organisation der Aufklärung im Krankenhaus verantwortlich ist. Im vorliegenden Fall muss der operierende Chefarzt darlegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und die Befolgung seiner Anweisungen zu kontrollieren. Hierzu fehlt bisher jeglicher Vortrag.

BGH
Urteil vom 7. November 2006
Az.: VI ZR 206/05

Die vollständige Entscheidung hierzu können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofs nachlesen. 

Quelle:
Pressestelle des Bundesgerichtshof
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Fälligkeitszeitpunkt der Vergütung eines Arztes

Arztrecht – Fälligkeitszeitpunkt der Vergütung: Formelle Erfordernisse zählen

1. Die ärztliche Vergütung wird fällig, wenn die Rechnung die formellen Voraussetzungen in § 12 Abs. 2 bis 4 GOÄ erfüllt; die Fälligkeit wird nicht davon berührt, dass die Rechnung mit dem materiellen Gebührenrecht nicht übereinstimmt.

2. Zum Verzugseintritt, wenn sich in einem laufenden Rechtsstreit herausstellt, dass eine in Rechnung gestellte Gebührenposition nicht begründet ist, der Klage aber auf der Grundlage einer anderen, nicht in Rechnung gestellten Gebührenposition (teilweise) entsprochen werden könnte.

3. Zur selbständigen Abrechenbarkeit der Durchleuchtung nach Nr. 5295 neben einer Operation an der Halswirbelsäule.

BGH
Urteil vom 21.12.2006
Az.: III ZR 117/06

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Aufklärungspflicht bei neuen ärztlichen Behandlungsmethoden

 
Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzklagenach Robodoc-Operation

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen einer nach ihrer Behauptung fehlerhaft und ohne die erforderliche Aufklärung durchgeführten ärztlichen Behandlung. Im September 1995 implantierte der Beklagte zu 3 der Klägerin mit Hilfe eines computerunterstützten Fräsverfahrens (Robodoc) eine zementfreie Hüftgelenksendoprothese. Bei der Operation wurde ein Nerv der Klägerin geschädigt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die vom erkennenden Senat zugelassene Revision blieb ohne Erfolg.

Der unter anderem für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat hat zu den Anforderungen an den Einsatz eines medizinischen Neulandverfahrens und an die Aufklärung des Patienten hierüber Stellung genommen. Will der Arzt keine allseits anerkannte Standardmethode, sondern eine – wie im Streitfall (1995) – relativ neue und noch nicht allgemein eingeführte Methode mit neuen, noch nicht abschließend geklärten Risiken anwenden, so hat er den Patienten auch darüber aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind. Die Anwendung neuer Verfahren ist für den medizinischen Fortschritt zwar unerlässlich. Am Patienten dürfen sie aber nur dann angewandt werden, wenn diesem zuvor unmissverständlich verdeutlicht wurde, dass die neue Methode die Möglichkeit unbekannter Risiken birgt. Der Patient muss in die Lage versetzt werden, für sich sorgfältig abzuwägen, ob er sich nach der herkömmlichen Methode mit bekannten Risiken operieren lassen möchte oder nach der neuen unter besonderer Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Vorteile und der noch nicht in jeder Hinsicht bekannten Gefahren.

Hiernach hätte es eines ausdrücklichen Hinweises auf noch nicht allgemein bekannte Risiken bedurft, der der Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erteilt wurde. Dieser Aufklärungsmangel wirkt sich unter den besonderen Umständen des Streitfalls jedoch nicht aus, weil sich mit der Nervschädigung ein auch der herkömmlichen Methode anhaftendes Risiko verwirklicht hat, über das die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aufgeklärt worden ist. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann sich der Patient nämlich nicht auf einen Aufklärungsfehler berufen, wenn sich (nur) ein Risiko verwirklicht, über das er aufgeklärt worden ist.

BGH
Urteil vom 13.06.2006
Az.: VI ZR 323/04

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Pressestelle des Bundesgerichtshof
76125 Karlsruhe
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GKV-Reform: Das kommt auf Vertragsärzte zu

Der Bundesrat hat am 16. Februar 2007 dem vom Bundestag am 2. Februar 2007 beschlossenen Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) zugestimmt. Damit ist der Weg frei für das Inkrafttreten der Gesundheitsreform zum 1. April 2007. Die für Vertragsärzte wesentlichen Bestimmungen dieses Gesetzes fassen wir nachfolgend zusammen.

GKV-Honorar

Zum 1. Januar 2009 wird es eine regionale Gebührenordnung in Euro geben. Die einzelnen Schritte bis zu dieser Euro-Gebührenordnung sehen folgendermaßen aus:

Bis zum 31. Oktober 2007 ist auf der Grundlage des derzeitigen EBM ein neuer Einheitlicher Bewertungsmaßstab zu entwickeln. Dieser gilt dann ab 1. Januar 2008. In diesem neuen EBM sollen die hausärztlichen Leistungen überwiegend pauschaliert werden. Für besonders förderungswürdige Leistungen, zum Beispiel Hausbesuche, soll es eine Einzelleistungsvergütung geben können; auch Qualitätszuschläge sind möglich.

Bis zum 31. August 2008 wird auf Bundesebene ein sogenannter Orientierungspunktwert vereinbart. Basis dieses Punktwertes sind die Gesamtvergütung der Krankenkassen und die voraussichtliche Leistungsmenge in Punkten im Jahre 2008.

Dieser Orientierungspunktwert ist bis zum 15. November 2008 in den regionalen KVen unter Berücksichtigung von Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur anzupassen. Aus den regional vereinbarten Punktwerten und der Leistungsbewertung im EBM wird dann für jede einzelne Leistung die ab 1. Januar 2009 geltende regionale Euro-Gebührenordnung entwickelt. Ab 2010 soll es Zuschläge auf den Punktwert bei Unterversorgung und Abschläge bei Überversorgung geben.

Die Krankenkassen zahlen auch ab 2009 weiterhin eine Gesamtvergütung. Neu ist jedoch, dass diese Gesamtvergütung künftig an die Morbidität angepasst wird. Mit anderen Worten: Bei zusätzlichem Behandlungsbedarf, beispielsweise einer Grippewelle, müssen die Krankenkassen die Mehrleistungen bezahlen. Auch die Entwicklung der Investitions- und Betriebskosten in Arztpraxen sind zu berücksichtigen. Die Anpassung der Gesamtvergütung an die Entwicklung der Beitragseinnahmen entfällt.

Für den einzelnen Arzt gibt es aber auch weiterhin ein Budget als Instrument der Mengenbegrenzung.

Ab 2009 erfolgt die Vergütung der ärztlichen Leistungen im Rahmen arztbezogener Regelleistungsvolumina. Nur bis zur Höhe dieser Regelleistungsvolumina werden die Leistungen mit den in der Gebührenordnung enthaltenen Euro-Beträgen vergütet. Darüber hinausgehende Leistungen werden abgestaffelt. 

PKV-Honorar

Der bisherige Standardtarif der PKV wird zum 1. Januar 2009 abgelöst durch einen Basistarif, der sich am Leistungskatalog der GKV orientiert und den jeder Privatversicherer anbieten muss. Wie beim Standardtarif gelten Höchstsätze für die GOÄ-Abrechnung, von denen aber durch Vereinbarung zwischen dem Verband der Privaten Krankenversicherer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abgewichen werden kann. Um zu verhindern, dass Ärzte eine Abrechnung nach dem Basistarif ablehnen, erhalten die Kassenärztlichen Vereinigungen den Sicherstellungsauftrag für diesen Basistarif. Möglicherweise erfolgt auch die Abrechnung über die KV.

Impfungen

Impfungen sind derzeit freiwillige Satzungsleistungen der Kassen. Jede Kasse konnte deshalb bisher frei entscheiden, ob und gegebenenfalls wann die Empfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) in eine regionale Impfvereinbarung mit der KV übernommen werden. Künftig müssen die Krankenkassen die von der STIKO empfohlenen Impfungen als Pflichtleistung bezahlen.

Arzneimittelversorgung

Neu eingeführt wird ein Zweitmeinungsverfahren bei der Verordnung von kostenintensiven Arzneimitteln und Arzneimitteln mit hohem Risikopotenzial. Derartige Arzneimittel soll der behandelnde Arzt künftig nur in Abstimmung mit fachlich besonders qualifizierten Ärzten verordnen können.

Unter bestimmten Voraussetzungen haben Versicherte künftig einen Anspruch auf Verordnung von Arzneimitteln im Rahmen klinischer Studien.

Fazit

Ohne Budgets kommt auch diese Gesundheitsreform nicht aus. Allerdings wird das Honorar durch die Euro-Gebührenordnung kalkulierbarer. Positiv ist auch, dass die Krankenkassen künftig die morbiditätsbedingten Mehrausgaben übernehmen müssen, und zwar unabhängig von der Entwicklung der Einnahmen. Die Auswirkungen auf das PKV-Honorar werden im Wesentlichen davon abhängen, wie viele Privatversicherte in den Basistarif wechseln werden.

 

Dies ist eine Information der Zeitschrift "Abrechnung aktuell".

Quelle: www.iww.de

Unverbindliche Hinweise auf veröffentlichte Richtwerte ausreichend

1. Dem Bieter wird kein ungewöhnliches Wagnis dadurch aufgebürdet, indem die Vergabestelle den Störstoffanteil im Altpapier nicht verbindlich angibt.

2. Ausreichend ist der unverbindliche Hinweis auf vom BVSE veröffentlichte Richtwerte, die den Störstoffanteil in Bezug auf verschiedene Erfassungssysteme wiedergeben.

OLG Karlsruhe
Beschluss vom 21.12.2006
Az.: 17 Verg 8/06

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Öffentlicher Bauauftrag im Sinne der Richtlinie 93/37/EWG bzw. 97/52/EG

Ein Auftrag, bei welchem ein öffentlicher Auftraggeber einem anderen öffentlichen Auftraggeber die Errichtung eines Bauwerks überträgt, stellt einen öffentlichen Bauauftrag im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a) der Richtlinie 93/37/EWG in der durch die Richtlinie 97/52/EG geänderten Fassung dar.

Europäischer Gerichtshof
Urteil vom 18. Januar 2007
Az.: C-220/05

 

Die vollständige Entscheidung können Sie hier nachlesen. 

Bei Kenntnis von einer fehlerhaften Leistungsbeschreibung kein Ersatz des Vertrauensschadens

An einer echten Chance im Sinne von § 126 GWB fehlt es, wenn die Leistungsbeschreibung fehlerhaft war und deshalb mangels Vergleichbarkeit die abgegebenen Angebote nicht gewertet werden können.

Ist dem Bieter bekannt, dass die Leistungsbeschreibung fehlerhaft ist, und gibt er gleichwohl ein Angebot ab, steht ihm wegen dieses Fehlers der Ausschreibung ein Anspruch aus culpa in contrahendo auf Ersatz des Vertrauensschadens nicht zu.

BGH,
Urteil vom 1. August 2006
Az.: X ZR 146/03

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofs nachlesen.

Video-Überwachung öffentlicher Räume nur bei ausreichend bestimmter gesetzlicher Grundlage

Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die ein bayerischer Bürger vorbeugend gegen die geplante Video-Überwachung eines öffentlichen Platzes durch eine Stadt erhoben hatte.

Das Verwaltungsgericht hatte die Klage zurückgewiesen, weil es im Datenschutzgesetzes des Freistaates eine ausreichende Grundlage für die Überwachung gesehen hatte. Dem folgte das Bundesverfassungsgericht nicht. Die angewandte Vorschrift sei für die Videoüberwachung eben nicht hinreichend bestimmt genug.

Damit ist eine Videoüberwachung aber nicht für immer "vom Tisch". Das Gericht kann sich eine ausreichende Grundlage durchaus vorstellen: "Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Videoüberwachung öffentlicher Einrichtungen mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials auf der Grundlage einer hinreichend bestimmten und normenklaren Ermächtigungsgrundlage materiell verfassungsgemäß sein kann, wenn für sie ein hinreichender Anlass besteht und Überwachung sowie Aufzeichnung insbesondere in räumlicher und zeitlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Möglichkeit der Auswertung der Daten das Übermaßverbot wahren." Jetzt ist also der Gesetzgeber gefordert!

Bemerkenswert an der Sache ist noch die Richterschelte des Gerichts in Richtung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dem das Gericht schlampige Arbeit nachgewiesen hat. Indem der VGH – wie es bei deutschen Gerichten leider immer wieder vorkommt – durch schlampiges Arbeiten mit dem Sachverhalt die Nichtzulassungsbeschwerde "abgebügelt" hat, hat er in unter keinem Aspekt vertretbarer Weise gegen das Willkürverbot verstoßen, so das Bundesverfassungsgericht. Eine schallende Ohrfeige!

Bundesverfassungsgericht, Beschluß 1 BvR 2368/06 vom 23.2.2007; die Entscheidung kann auf den Seiten des Gerichts im Volltext nachgelesen werden.

Reformierung auch im Erbrecht?

Hohe Scheidungsraten, unverheiratet zusammenlebende Paare sowie Patchworkfamilien haben bereits zu einer voraussichtlich Mitte des Jahres in Kraft tretenden Anpassung des Unterhaltsrechts geführt. Auch im Erbrecht soll eine Anpassung an geänderte gesellschaftliche Verhältnisse vorgenommen werden.

Das Pflichtteilsrecht soll modernisiert und die erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ausgebaut werden. Die geplante Reform soll dem Spannungsfeld zwischen den beiden verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Testierfreiheit des Erblassers auf der einen und der Mindestbeteiligung der Abkömmlinge am Nachlass auf der anderen Seite gerecht werden.

Das Pflichtteilsrecht lässt Abkömmlinge oder Eltern sowie Ehegatten und den Lebenspartner des Erblassers auch dann am Nachlass teilhaben, wenn sie der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils; diese Höhe bleibt durch die geplanten Neuerungen unberührt.

 

Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 16.03.2007

Neues zum Unterhaltsrecht

Die Diskussionen um ein neues Unterhaltsrecht dauern bereits eine ganze Weile an, sind jedoch ein wichtiger Schritt in eine moderne Familienpolitik. Eine große Modifikation stellt die geplante Unterhaltsrechtsreform zwar nicht dar, bringt aber im Interesse der Kinder mehr Verteilungsgerechtigkeit im Mangelfall und führt zu mehr Eigenverantwortung der Ehegatten nach der Ehe. Der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts ist zu entnehmen, dass dieses an geänderte gesellschaftliche Verhältnisse und den eingetretenen Wertewandel angepasst werden soll. Zur Mitte diesen Jahres soll das Gesetz in Kraft treten.

Die geänderte Rollenverteilung innerhalb der Ehe, bei der immer häufiger beide Partner – auch mit Kindern – berufstätig sind oder nach einer erziehungsbedingten Unterbrechung ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen, erfordern Anpassungen im Unterhaltsrecht.

Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts verfolgt vor diesem Hintergrund drei Ziele:

  1. Stärkung und Förderung des Kindeswohls,
  2. Stärkung der Eigenverantwortung nach der Ehe und
  3. Vereinfachung des Unterhaltsrechts.

Bislang hatten Kinder- und Ehegattenunterhalt den gleichen Rang. Kinder sind aber bei einer Trennung ihrer Eltern besonders schutzbedürftig und ihr Wohl muss an erster Stellen stehen. Ist nicht genügend Geld für alle Unterhaltsberechtigten vorhanden, sollen daher die Kinder Vorrang vor allen anderen haben, d. h. sie erhalten den ersten Rang unter den Unterhaltsgläubigern. Den Unterhaltsansprüchen von minderjährigen unverheirateten Kindern und von volljährigen unverheirateten Kindern, die noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben, im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befinden, wird Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen eingeräumt.

Ebenfalls unter dem Aspekt des Kindeswohls stehen im zweiten Rang künftig alle Väter und Mütter, die Kinder betreuen unabhängig davon, ob das Paar verheiratet war oder nicht. Angesichts hoher Scheidungsquoten und kurzen Ehen müssen Geschiedene eine zweite Chance haben, eine Familie zu gründen und eben auch zu finanzieren.


Die Ausführungen wurden im Wesentlichen der Internetseite des Bundesjustizministeriums zum Thema Unterhaltsrechtsreform sowie dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts entnommen.