1. Abweichung VOB/B-Klauseln führt zur Unwirksamkeit der Einbeziehung der VOB/B als Ganzes

Jede vertragliche Abweichung von der VOB/B führt dazu, dass jede Klausel der VOB/B der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz a. F. bzw. §§ 305 ff. BGB unterliegt.

Die VOB/B ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. des AGB-Gesetzes bzw. nunmehr der §§ 305 ff. BGB. Jedoch ist die VOB/B nach § 23 AGBG a. F. privilegiert, d. h. unterfällt prinzipiell nicht der Inhaltskontrolle. Nach der früheren Rechtsmeinung des BGH soll nur eine Abweichung von der VOB/B ?als Ganzes? die Inhaltskontrolle nach dem AGBG eröffnen, wenn gewichtige oder erhebliche Eingriffe in die VOB/B vorliegen. In der Praxis ist oft kaum abzuschätzen, wann ein Eingriff von erheblichem oder geringem Gewicht vorliegt. Die Rechtssprechung gibt der BGH auf und sieht jeden Eingriff in die VOB/B ?als Ganzes? als schädlich an, mit der Folge, dass jede Klausel der VOB/B dazu führt, dass sie den Maßstäben der Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG genügen muss. Demnach führen auch geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B zur Inhaltskontrolle.

Im Fall des BGH ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers § 13 Nr. 7 1, II VOB/B abgeändert worden. Nach der Klausel des Auftraggebers schuldet der Auftragnehmer Schadensersatz unabhängig von der Erheblichkeit des Mangels und unabhängig von den einschränkenden Voraussetzungen des § 13 Nr. 7 II VOB/B . Obwohl damit die Klausel dem gesetzlichen Werkvertragsrecht entspricht, weicht sie dennoch von der VOB/B ab, so dass alle Klauseln der VOB/B einer Inhaltskontrolle zu unterziehen sind. Die Schlusszahlungseinrede nach § 16 Nr. 3 II VOB/B benachteiligt aber den Auftragnehmer unangemessen und verstößt somit gegen § 9 AGBG a. F. Der Auftraggeber kann sich daher nicht auf diese? für ihn günstige? Bestimmung der VOB/B berufen.

Praxishinweis: Mit dem Urteil werden weitgehend Rechtsunsicherheiten vermieden. Ungeklärt ist jedoch, ob auch geringfügige Abweichungen von der VOB/B solche sind, die die VOB/B selbst zulässt, da sie auf mögliche vorrangige vertragliche Regelungen verweist, wie z. B. in § 13 Nr. 4 VOB/B; letzteres ist zu bejahen, da auch hiermit das Gesamtgefüge der VOB/B gestört wird. Hingegen sind Vereinbarungen unschädlich, die die Normen der VOB/B voraussetzen, wie z. B. die Vereinbarungen einer Vertragsstrafe für die Anwendung des § 11 VOB/B oder die Vereinbarung der Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungssicherheit für die Anwendung des § 17 VOB/B. Der BGH weist aber darauf hin, dass diese Entscheidung nur für das alte Recht, als für das AGB-Gesetz und für Schulverhältnisse vor dem 01.01.2002 gilt. Ob dem unter Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetztes gefolgt wird, ist noch offen. Möglicherweise, will sich der BGH die Überlegung offen halten, ob er diese Privilegierung nur noch für die in § 308 Nr. 5 BGB und § 309 Nr. 8b ff. BGB genannten VOB/B-Bestimmungen anwendet und daher auch ohne Abweichung von der VOB/B die anderen Klauseln der VOB/B der Inhaltskontrolle unterwirft.

BGH, Urteil vom 22.01.2004, Az.: VII ZR 419/02 = NZBau 2004, Heft 5[/]

2. Sicherheitsverlangen bei Erfüllungsforderung nach Abnahme

§ 648 a I BGB gibt dem Unternehmer auch nach der Abnahme das Recht, eine Sicherheit zu verlangen, wenn der Besteller noch Erfüllung des Vertrags (Mängelbeseitigung) fordert.

Leistet der Besteller auf ein berechtigtes Sicherungsverlangen nach der Abnahme die Sicherheit nicht, ist der Unternehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern.

Der Unternehmer kann dem Besteller in sinngemäßer Anwendung des § 648 a V 1 i. V. mit § 643 S. 1 BGB eine Nachfrist zur Sicherheitsleistung mit der Erklärung setzen, dass er die Mängelbeseitigung ablehne, wenn die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet werde. Nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist wird er von der Pflicht zur Mängelbeseitigung frei. Ihm steht in weiterer sinngemäßer Anwendung des § 645 I 1 und § 648 a V 2 BGB der Anspruch auf die um den mängelbedingten Minderwert gekürzte Vergütung und der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens zu.

Macht der Unternehmer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, kann der Besteller dem Verlangen auf Zahlung des vollen Werk-Lohns das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht auch dann entgegenhalten, wenn er die Sicherheit nicht gestellt hat.

BGH
Urteil vom 22.01.2004
Az.: VII ZR 183/02 (OLG Rostock)

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofs nachlesen.

3. Prüffähigkeit von Rechnungen

Der Auftraggeber kann sich nicht auf die fehlende Prüffähigkeit berufen, wenn die Rechnung auch ohne die objektiv unverzichtbaren Angaben seinen Kontroll- und Informationsinteressen genügt.

Eine prüffähige Rechnung muss diejenigen Angaben enthalten, die nach dem geschlossenen Vertrag und objektiv unverzichtbar sind, um die sachliche und rechnerische Überprüfung des Honorars zu ermöglichen.

In dem Fall, dass die Rechnung nur in Teilen prüffähig ist, kann der Architekt die Zahlung eines Guthabens verlangen, das unter Berücksichtigung eventueller Voraus- und Abschlagszahlungen bereits feststeht.

Wenn der Auftraggeber nicht spätestens innerhalb einer Frist von 2 Monaten nach Zugang der Rechnung Einwendungen vorgebracht hat, ist er gegen die Prüffähigkeit der Schlussrechnung ausgeschlossen.

Die Verjährung der Honorarforderung beginnt grundsätzlich mit der Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung.

Kann der Auftraggeber sich nicht auf die fehlende Prüffähigkeit berufen, weil die Rechnung seinen Kontroll- und Informationsinteressen genügt, beginnt die Verjährung, wenn dieser Umstand für den Architekten erkennbar nach außen zutage tritt.

Die Verjährung einer auf eine nicht prüffähige Honorarschlussrechnung gestützten Forderung beginnt spätestens, wenn die Frist von 2 Monaten abgelaufen ist, ohne dass der Auftraggeber substantiierte Einwendungen gegen die Prüffähigkeit vorgebracht hat. Ist die Rechnung nur teilweise prüffähig, beginnt die Verjährung der Honorarschlussforderung grundsätzlich erst mit der Erteilung einer insgesamt prüffähigen Schlussrechnung.

BGH
Urteil vom 27. November 2003
VII ZR 288/02

 

4. Kündigung eines Bauvertrags richtet sich nach Inhalt der Kündigungserklärung

1. Eine Kündigung, die ausschließlich für den Fall erklärt wird, dass ein außerordentlicher Kündigungsgrund nach § 8 Nr. 2 bis 4 VOB/B vorliegt, ist unwirksam, wenn ein solcher Grund nicht gegeben ist.

2. Ob eine außerordentliche Kündigung eines Bauvertrages auch als freie Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB oder nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B verstanden werden kann, richtet sich nach dem Inhalt der Kündigungserklärung.

3. Im Regelfall ist die Kündigung eines Bauvertrages dahin zu verstehen, dass auch eine freie Kündigung gewollt ist. Will der Auftraggeber seine Kündigung nicht so verstanden wissen, muss sich das aus der Erklärung oder den Umständen ergeben.

Bundesgerichtshof
Urteil vom 24. Juli 2003
Az.: VII ZR 218/02

Die vollständige Entscheidung können Sie auf den Seiten des Bundesgerichtshofs nachlesen.

 

5. Ordnungsgemäß gegengezeichnete Stunden hat der Auftraggeber gegen sich gelten zu lassen

Der Auftraggeber ist an die Mengen von ordnungsgemäß gegengezeichneten Stunden gebunden, es sei denn, er kann beweisen, dass der berechnete und gegengezeichnete Aufwand in einem groben Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen steht und dass er diese Unrichtigkeiten bei Unterzeichnung nicht kannte und mit ihnen auch nicht rechnen musste.

Oberlandesgericht Celle
Beschluß vom 22. 4. 2003

6. Schmerzensgeld nach Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für einen Bauzaun

1. Ein Bauunternehmer, der auf einer von ihm betreuten Baustelle einen Bauzaun errichtet hat, bleibt für dessen ordnungsgemäßen Zustand auch dann verantwortlich, wenn auf der Baustelle (vorübergehend) ein weiteres Unternehmen tätig wird und Mitarbeiter dieses Unternehmens den Bauzaun unsachgemäß versetzen. Eine wirksame Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf die Drittfirma kommt nur dann in Betracht, wenn eine klare und den Dritten erkennbare verpflichtende Absprache getroffen worden ist (vgl. BGH NJW 1996, 2646).

2. Bei der Bemessung des Schmerzengeldes für die von der Klägerin infolge des Umstürzens des Bauzauns erlittenen Verletzungen ist das Regulierungsverhalten des beklagten Bauunternehmers als erhöhenden Umstand zu berücksichtigen, wenn dieser über einen Zeitraum von 5 Jahren seine Verantwortung zu Unrecht zurückgewiesen hat und sich nunmehr in Liquidation befindet, so dass gewiss ist, ob die Klägerin von ihm einen Ausgleich ihres Schadens erlangen wird.
BGB § 823, BGB a. F. § 847

OLG Köln
Urteil vom 11.04.2003
Az.: 19 U 102/02

 

7. Darlegung von Mangelerscheinungen reicht für die Darlegung eines Mangels des Architektenwerks aus

Der Auftraggeber legt einen Mangel des Architektenwerks, der sich im Bauwerk realisiert hat, hinreichend substantiiert dar, wenn er die Mangelerscheinungen bezeichnet und einer Leistung des Architekten zuordnet.

Der Bauherr ist nicht verpflichtet, vorprozessual Mängelbeseitigungskosten zu ermitteln. Es genügt, wenn er die Kosten schätzt und für den Fall, daß der Schuldner die Kosten bestreitet, ein Sachverständigengutachten als Beweismittel anbietet.

BGH
Urteil vom 8.5.2003
Az: VII ZR 407/01

8. Anspruch des Auftragnehmers auf ein gemeinsames Aufmaß

Der Auftragnehmer hat jedenfalls dann einen Anspruch auf ein gemeinsames Aufmaß, wenn er berechtigt ist, die Abnahme zu verlangen.

Bleibt der Auftraggeber dem Termin zum gemeinsamen Aufmaß fern und ist ein neues Aufmaß oder eine Überprüfung des einseitig genommenen Aufmaßes nicht mehr möglich, hat er im Prozess des Auftragnehmers auf Zahlung des Werklohnes vorzutragen und zu beweisen, welche Massen zutreffend oder dass die vom Auftragnehmer angesetzten Massen unzutreffend sind.

BGH
Urteil vom 22.5.2003
Az: VII ZR 143/02

9. Ablauf eines vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins ohne Verschulden des Unternehmers

Nach Ablauf eines vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins ohne Verschulden des Unternehmers ist grundsätzlich eine Mahnung erforderlich, um Verzug des Unternehmers zu begründen.

Die Parteien vereinbarten die Fertigstellung eines Bauwerkes bis zum 30. April 1998. Bis zu dieser Frist war ohne Verschulden des Unternehmers das Werk nicht fertiggestellt. Damit war die für die Leistung des Unternehmers die nach dem Kalender bestimmte Zeit (vgl. § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB) ohne sein Verschulden entfallen. Nunmehr war grundsätzlich wieder eine Mahnung erforderlich, um Verzug des Beklagten zu begründen.

BGH
Urteil vom 22. 5. 2003
Az.: VII ZR 469/01

10. Fälligkeit des Werklohns trotz Abnahmeverweigerung

Der Werklohn ist trotz berechtigter Abnahmeverweigerung fällig, wenn der Auftraggeber nicht mehr Erfüllung, sondern wegen der mangelhaften Leistung nur noch Schadensersatz oder Minderung verlangt. Es findet dann eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt.

Saarländisches OLG
Urteil vom 19.02.2003
Az.: 1 U 653/02