Arzthaftung bei fehlerhaften Verhütungsmaßnahmen


Arzt haftet für Unterhalt bei fehlerhaften Verhütungsmaßnahmen

Die Klägerin ist Mutter eines im Dezember 2002 geborenen gesunden Sohnes. Sie verlangt von ihrem Gynäkologen, dem Beklagten, aus eigenem und aus abgetretenem Recht des Kindsvaters Ersatz des den Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung entstandenen und noch entstehenden Schadens. Der Beklagte hatte es übernommen, der Klägerin im Januar 2002 das lang wirkende Verhütungsmittel "Implanon" zu verabreichen. Bei diesem Präparat handelt es sich um ein circa 3 mm starkes und wenige Zentimeter langes Plastikröhrchen, welches oberhalb der Ellenbogenbeuge unter die Haut eingebracht wird. Der Beklagte hat die Behandlung abgerechnet, die Klägerin hat sie bezahlt. Im Juli 2002 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest. Das "Implanon"-Implantat konnte nicht mehr gefunden werden. Der Wirkstoff des "Implanons" konnte im Blut der Klägerin nicht nachgewiesen werden. Die Klägerin konnte wegen der Schwangerschaft und der Betreuung des Kindes eine ihr zugesagte Arbeitsstelle nicht antreten. Der Vater des Kindes, den die Klägerin im Zeitpunkt der Zeugung etwa seit einem halben Jahr kannte, hat die Vaterschaft anerkannt, lebt aber nicht mit der Klägerin zusammen. Er kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Sohn nach.

Die Klägerin hat dem Beklagten vorgeworfen, dass ihm beim Einsetzen des Verhütungsmittels ein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Unterhaltsschadensersatz für den zurück liegenden Zeitraum (Dezember 2002 bis Dezember 2005) und bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes monatlich im Voraus in Höhe von 270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragsverordnung abzüglich des jeweiligen gesamten Kindergeldes zu bezahlen. Die dagegen gerichtete Revision des beklagten Arztes hat der unter anderem für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat einen Behandlungsfehler des Beklagten beim Einsetzen des Verhütungsmittels festgestellt. Auf dieser Grundlage ist unter den Umständen des vorliegenden Falles eine Haftung des Arztes für den Unterhaltsschaden der Eltern zu bejahen. Dies ergibt sich bereits aus der bisherigen Rechtsprechung  des Bundesgerichtshofs zur "fehlgeschlagenen" Familienplanung, wie sie das Bundesverfassungsgericht gebilligt hat. Die personenrechtliche Beziehung zwischen Eltern und Kind spricht nicht dagegen, in derartigen Fällen die Belastung mit einer Unterhaltsverpflichtung als Vermögensschaden anzusehen. Im Bereich der Arzthaftung gilt wie in jedem anderen Bereich der Vertragshaftung, dass der durch eine schuldhafte Vertragsverletzung verursachte Schaden zu ersetzen ist.

Eine Ersatzpflicht des Arztes besteht auch dann, wenn die gegenwärtige berufliche und wirtschaftliche Planung einer jungen Frau durchkreuzt wird und die zukünftige Planung noch nicht endgültig absehbar ist. Gerade in solchen Fällen kann der Fehler des Arztes zu erheblichen wirtschaftlichen Folgen führen. In den Schutzbereich eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages zwischen Arzt und Patientin ist nicht nur ein ehelicher, sondern auch der jeweilige nichteheliche Partner einbezogen, der vom Fehlschlagen der Verhütung ebenfalls betroffen ist. Zu ersetzen ist nur das Existenzminimum des Kindes, welches das Oberlandesgericht hier zutreffend berechnet hatte.

BGH
Urteil vom 14. November 2006
Az.: VI ZR 48/06

Die vollständige Entscheidung hierzu können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofs nachlesen.

 

Quelle:
Pressestelle des Bundesgerichtshof
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Schaden bei Entfrosten eines Kfz mit externem Heizlüfter kann von Privathaftlicht gedeckt sein

Der Ausschluss einer Deckung von Haftpflichtansprüchen in der Privathaftpflichtversicherung wegen Schäden, die durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursacht sind (sog. Benzinklausel), setzt voraus, dass sich eine Gefahr verwirklicht hat, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen ist. Für die Auslegung der Ausschlussklausel kommt es nicht auf § 10 AKB an.

BUNDESGERICHTSHOF, URTEIL IV ZR 120/05 vom 13. Dezember 2006; die Entscheidung kann auf den Seiten des BGH im Volltext (pdf) abgerufen werden.

Vetorecht einer Minderjährigen gegen die Einwilligung durch die gesetzlichen Vertreter

BGB § 823 Abs. 1 , BGB § 852 a. F.

1.) Minderjährigen Patienten kann bei einem nur relativ indizierten Eingriff mit der Möglichkeit erheblicher Folgen für ihre künftige Lebensgestaltung ein Vetorecht gegen die Einwilligung durch die gesetzlichen Vertreter zustehen, wenn sie über eine ausreichende Urteilsfähigkeit verfügen.  

2.) Auch über ein gegenüber dem Hauptrisiko des Eingriffs weniger schweres Risiko ist aufzuklären, wenn dieses dem Eingriff spezifisch anhaftet, es für den Laien überraschend ist und durch die Verwirklichung des Risikos die Lebensführung des Patienten schwer belastet würde. 

3.) Im Hinblick auf den Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB a. F. besteht keine Verpflichtung des Patienten, sich Kenntnisse über fachspezifisch medizinische Fragen zu verschaffen.

 

BGH
Urteil vom 10.10.2006
Az.: VI ZR 74/05

Diese Entscheidung können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofs nachlesen.

Streitigkeiten über Vergabe öffentl. Aufträge unterhalb bestimmter Schwellenwerte vor Zivilgerichte

Streitigkeiten über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die unterhalb des "Schwellenwertes" des § 100 Abs. 1 GWB liegen und daher nicht vom Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 97 ff. GWB) erfasst werden, sind keine öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern bürgerliche Rechtsstreitigkeiten im Sinne von § 13 GVG.

VGH Baden-Württemberg
Beschluss vom 30.10.2006
Az.: 6 S 1522/06 

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nachlesen.

Neues zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge

1. Eine Vereinbarung, nach der ein erster öffentlicher Auftraggeber einem zweiten öffentlichen Auftraggeber die Errichtung eines Bauwerks überträgt, stellt einen öffentlichen Bauauftrag im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge in der durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 geänderten Fassung unabhängig davon dar, ob vorgesehen ist, dass der erste öffentliche Auftraggeber Eigentümer des gesamten Bauwerks oder eines Teils davon ist oder wird.

2. Zur Bestimmung des Wertes eines Bauauftrags im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 93/37 in der durch die Richtlinie 97/52 geänderten Fassung ist der Gesamtwert des Bauauftrags aus der Perspektive eines potenziellen Bieters zu berücksichtigen, was nicht nur alle Beträge einschließt, die der öffentliche Auftraggeber zu zahlen hat, sondern auch alle Zahlungen von Dritten.

3. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht davon befreit, die in der Richtlinie 93/37 in der durch die Richtlinie 97/52 geänderten Fassung vorgesehenen Verfahren zur Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen einzuhalten, auch wenn die in Rede stehende Vereinbarung nach nationalem Recht nur mit bestimmten juristischen Personen geschlossen werden kann, die selbst die Stellung eines öffentlichen Auftraggebers haben und ihrerseits gehalten sind, diese Verfahren für die Vergabe eventueller nachfolgender Aufträge durchzuführen.

EuGH
Urteil vom 18.01.2007
Rs. C-220/05

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Europäischen Gerichtshofs nachlesen.

 

Bit und Bud sind nicht zu verwechseln

Nach dem der Bundesgerichtshof noch im Jahr 2001 zugunsten der Bitburger Brauerei entschieden hatte, daß die von Budweiser angemeldete Marke mit dem Wort – Bestandteil "Bud" mit "Bit" verwechselt werden könne, hat Bit das "Auswärtsspiel" beim EuGH verloren.

Der EuGH findet zwischen den beiden Zeichen "beachtliche" Differenzen:

"…

6      Erstens ist hervorzuheben, dass, wie die Beschwerdekammer zu Recht feststellt, die Bestandteile „Bud” und „Bit” denselben Anfangsbuchstaben gemeinsam haben, nämlich den Buchstaben „b“.

77      Zweitens sind, wie die Beschwerdekammer ebenfalls zu Recht feststellt, die einsilbigen Begriffe „Bit” und „Bud” von identischer Länge, da sie aus drei Buchstaben bestehen. Eine genauere Analyse führt zwar, wie Anheuser-Busch vorbringt, zu der Feststellung, dass das Zeichen BUD tatsächlich länger ist als das Zeichen BIT. Dieser Unterschied ist aber für den deutschen Durchschnittsverbraucher nicht wahrnehmbar.

78      Drittens trifft es zu, wie die Beschwerdekammer im Wesentlichen ausführt, dass sich die in Rede stehenden Zeichen in ihren zwei letzten Buchstaben unterscheiden (nämlich „ud“ bei der angemeldeten Wortmarke BUD und „it“ bei den älteren deutschen Marken), selbst wenn die betreffenden Buchstaben, wie Bitburger Brauerei vorträgt, die Gemeinsamkeit besitzen, z. T. aus vertikalen Balken zu bestehen.

79      Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte ist festzustellen, dass die in Rede stehenden Zeichen beachtliche Unterschiede aufweisen,…"

Der Bundesgerichtshof hat im Jahre 2001 genau das anders beurteilt:

"…(2) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist dagegen die Annahme es Berufungsgerichts, es liege eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht vor. Die Anfangslaute der einander gegenüberstehenden Wörter "Bit" und Bud" sind identisch, die Endlaute stimmen in üblicher deutscher Aussprache berein, wie das Berufungsgericht – insoweit unangegriffen – festgestellt hat. Der Mittellaut in den einsilbigen Wörtern ist bei "Bud", unabhängig ob als "bat" der "but" ausgesprochen, zwar abweichend von "Bit". Dieser Unterschied, dem bei einsilbigen Wörtern, wie sie im Streitfall zu beurteilen sind, regelmäßig eine geringe Bedeutung zukommt, wird aber bei der erforderlichen Heranziehung ller Umstände des Einzelfalls durch die überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft er Marke der Beklagten, die einen erweiterten Schutzumfang rechtfertigt (vgl. BGH GRUR 2001, 158, 160 – Drei-Streifen-Kennzeichnung), und die Tatsache ausgeglichen, daß es um identische Waren geht. Das hat der Senat im Jahre 1977 im Ergebnis ebenso gesehen, wie der Nichtannahme der Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. Juli 1976 entnommen werden kann, mit der die Verurteilung u.a. der tschechischen Brauerei in Ceske Budejovice (und mehrerer deutscher Biergroßhandlungen) zur Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "Bud" für Bier bestätigt worden ist. …"

Es bleibt jetzt spannend abzuwarten, wie sich die Parteien mit den Begriffen im deutschen Biermarkt abgrenzen werden!

EuGH, Urteil vom 19.10.2006, Az. T‑350/04 bis T‑352/04, online abrufbar auf den Seiten des EuGH. 

BGH, Urteil vom 26.4.2001, Az. I ZR 212/98, online abrufbar auf den Seiten des BGH (pdf).

Kurze Fristen im Vergaberecht – Rügefrist

VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2006 – VgK-31/2006

1. Schreibt die Vergabestelle einen Auftrag gemäß § 3a VOB/A aus und gibt als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung die VK Lüneburg an, so ist sie hieran gebunden, auch wenn die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreicht werden sollten.

2. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.

3. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

 

Volltext: 

 

Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium
für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
– Regierungsvertretung Lüneburg –

Az.: VgK-31/2006

Lüneburg, den 11.12.2006

B e s c h l u s s

GWB § 107 Abs. 3
1. Schreibt die Vergabestelle einen Auftrag gemäß § 3a VOB/A aus und gibt als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung die VK Lüneburg an, so ist sie hieran gebunden, auch wenn die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreicht werden sollten.
2. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
3. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2006 – VgK-31/2006 (nicht bestandskräftig)

In dem Nachprüfungsverfahren

wegen
Vergabeverfahren Landschaftsgärtnerische Arbeiten im Baugebiet xxxxxxx

hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

3. Die Kosten werden auf 2.500 € festgesetzt.

Begründung:

I.

Die Auftraggeberin hat den Auftrag für die landschaftsgärtnerischen Bauleistungen für Grünanlagen mit Datum vom 06.10.2006 europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben, nachdem sie mit Vorinformation vom 03.07.2006 bereits auf diese Ausschreibung hingewiesen hatte. Die Bekanntmachung wurde am 13.10.2006, also 7 Tage nach der Absendung im Amtsblatt veröffentlicht.

Als Kontaktstelle hatte die Auftraggeberin ihren Fachbereich Stadtgrün genannt. Als zuständige Stelle, die weitere Auskünfte erteilt, war der Fachbereich Tiefbau und Verkehr genannt worden. Bei dieser Stelle konnten nach der Veröffentlichung auch die Verdingungs-/Ausschreibungs- und ergänzenden Unterlagen angefordert werden. Als Ansprechpartner war in diesem Fachbereich Tiefbau und Verkehr unter Angabe der Adresse des Fachbereichs Herr xxxxxxx genannt. Von ihm waren auch die Telefon- und Faxnummer sowie seine E-Mail-Adresse veröffentlicht.

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit wurden die Bewerber darauf hingewiesen, dass Eignungsnachweise gemäß § 8 VOB/A vorzulegen seien. Einziges Zuschlagskriterium sollte der Preis sein.

Der Bekanntmachung ist zu entnehmen, dass Schlusstermin für die Anforderung von Unterlagen der 20.10.2006, 12.00 Uhr, war. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass die Verdingungsunterlagen nur versandt werden, wenn der Nachweis über die Einzahlung der Auftraggeberin vorliegt.

Schlusstermin für den Eingang der Angebote sollte der 14.11.2006, 11.00 Uhr, sein. Dieser Termin war auch als Termin für die Öffnung der Angebote genannt. Versehen hatte sich die Auftraggeberin offenbar mit ihrer Angabe: "Tag der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe 13.12.2006".

Mit Datum vom 18.10.2006, Eingang bei der von der Auftraggeberin genannten Kontaktstelle "Fachbereich Stadtgrün" am 26.10.2006, forderte die Antragstellerin die Verdingungsunterlagen an. Diesem Schreiben war ein schlecht lesbarer Überweisungsträger beigefügt, auf dem deutlich aufgedruckt "bezahlt 20.10.2006" stand.

Die von der Auftraggeberin genannte Stelle, bei der die Verdingungs-/Ausschreibungs- und ergänzenden Unterlagen angefordert werden konnten und die auch Auskünfte erteilt, hat lt. einem Vermerk vom 27.10.2006 die Antragstellerin angerufen und sie darauf hingewiesen, dass ihre Anforderung der Unterlagen erst nach dem Schlusstermin am 20.10.2006, 12.00 Uhr, bei ihr eingegangen sei. Eine Übersendung der Unterlagen könne nicht mehr erfolgen, da dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.

Ferner wurde festgehalten, dass die Antragstellerin erklärt habe, sie hätte am 20.10.2006 versucht, die Unterlagen von der Auftraggeberin per Fax unter der Nummer xxxxxxx anzufordern. Das Fax-Gerät unter dieser Nummer sei wohl defekt gewesen. Der Mitarbeiter des Fachbereichs Tiefbau und Verkehr habe der Antragstellerin erklärt, dass der Fax-Anschluss des zuständigen Fachbereichs unter der Nummer xxxxxxx auch an dem besagten Tag erreichbar gewesen sei. Ein Vermerk über eine Rüge der Antragstellerin befindet sich in der Vergabeakte der Auftraggeberin nicht.

Die Feststellungen aus dem dokumentierten Vermerk teilte der zuständige Mitarbeiter der Auftraggeberin auch der Antragstellerin mit Schreiben vom 27.10.2006 mit.

Mit Schreiben vom 03.11.2006 wandte sich die Antragstellerin an die "VOB-Vergabeprüfstelle des Landes Niedersachsen, 38023 Braunschweig" und erhob Beschwerde und Widerspruch gegen die Fristsetzung zur Abholung der Unterlagen bzw. den letzten Anforderungstag. Dieses Schreiben ging am 08.11.2006 bei der Nachprüfungsstelle gemäß § 31 VOB/A des Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Regierungsvertretung Braunschweig ein, die das Schreiben am 08.11.2006, Eingang im Behördenzentrum Lüneburg am 10.11.2006, an die Vergabekammer weiterleitete, da es sich um eine europaweite Ausschreibung handelt.

Da die Antragstellerin auf telefonische Nachfrage am 14.11.2006 gegenüber der Vergabekammer erklärte, dass sie den Sachverhalt vorher gegenüber der Auftraggeberin gerügt habe und um Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bat, stellte die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Auftraggeberin zu.

Die Antragstellerin führt ohne nähere Angaben aus, dass eine Fristsetzung zur Abholung der Unterlagen oder Nennung eines letzten Anforderungstages unzulässig sei, was durch verschiedene Länderprüfstellen festgestellt worden sei. Diese Auffassung sei auch vom BGH bestätigt worden. Der BGH hätte festgelegt, dass die Ausschreibungsunterlagen bis einschließlich 1 – 2 Tage vor Submission zur Verfügung stehen müssten. Es komme lt. BGH dabei nicht darauf an, ob der Interessent die Unterlagen selbst abhole oder nicht bzw. diese noch versandt werden können. Zwei Tage seien somit das Limit.

Ferner führt die Antragstellerin aus, dass die von der Auftraggeberin veröffentlichte Fax-Nummer sich nicht als verwertbar dargestellt habe.

Die Antragstellerin beantragt,

ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten.

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Antrag der Antragstellerin auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens abzuweisen,

2. die Kosten dieses Verfahrens gem. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB der Antragstellerin aufzuerlegen.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig und unbegründet sei.

Die Antragstellerin habe den im Vergabeverfahren erkannten Verstoß nicht unverzüglich gerügt. Weder der Inhaber der Antragstellerin persönlich noch ein sonstiger Vertreter ihrer Firma habe zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Einschaltung der Vergabekammer ihr, der Auftraggeberin, gegenüber den nunmehr geltend gemachten Sachverhalt gerügt. Es liege weder ein entsprechendes Schreiben vor noch habe eine mündliche Rüge stattgefunden.

Vielmehr habe sie selbst die Antragstellerin am 27.10.2006 angerufen, weil ihr aufgefallen sei, dass es der Antragstellerin bereits in zwei vorhergehenden Vergabeverfahren nicht gelungen war, sich so rechtzeitig mit der Vergabestelle in Verbindung zu setzen, um die Unterlagen anzufordern. Ihr sei bei den vorhergehenden Verfahren aufgefallen, dass die Antragstellerin versucht habe, Telefaxe an den Telefonanschluss eines städtischen Mitarbeiters zu senden, was zu zahlreichen Fehlerberichten beim Faxgerät der Antragstellerin geführt habe, die nicht auf einem fehlerhaften Faxanschluss der Auftraggeberin basierten.

Ferner sei der Nachprüfungsantrag auch unbegründet, da sie in der europaweiten Bekanntmachung unter Punkt IV.3.3. darauf hingewiesen habe, dass die Verdingungsunterlagen bis zum 20.10.2006, 12.00 Uhr, angefordert werden konnten. Voraussetzung sei gewesen, dass die Kosten für die Unterlagen auf ein entsprechendes Konto eingegangen seien oder aber die Bieter einen Nachweis über die Einzahlung vorlegten. Außerdem habe sie auch von dem zuständigen Mitarbeiter der zentralen Vergabestelle für diesen Bereich neben der Telefon- auch die Faxnummer und E-Mail-Adresse angegeben.

Da die Bitte der Antragstellerin um Übersendung der Verdingungsunterlagen erst am 26.10.2006 auf dem Postweg und damit eindeutig verspätet eingegangen sei, habe sie die Unterlagen aus Gründen der Gleichbehandlung der anderen Bieter nicht mehr versandt. Hintergrund der von ihr gewählten Frist für die Anforderung der Verdingungsunterlagen sei, allen Bietern gleichermaßen ausreichend Zeit zur Bearbeitung des Angebots zu bieten.

Im Zuge des weiteren Nachprüfungsverfahrens wurde die Antragstellerin zunächst telefonisch, dann mit Übersendung der Erwiderung der Auftraggeberin von der Vergabekammer am 21.11.2006 gebeten, mitzuteilen, wann sie die gesetzte Frist zur Anforderung der Angebotsunterlagen erstmalig bei dieser Ausschreibung gerügt habe. Diese Bitte wurde mit verfahrensbegleitendem Schreiben vom 27.11.2006 unter Fristsetzung wiederholt. Dieser Aufforderung der Vergabekammer kam die Antragstellerin jedoch nicht nach.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragstellerin hat es versäumt, die von ihr als Vergaberechtsverstoß beanstandete Festsetzung eines Schlusstermins für die Anforderung der Vergabeunterlagen vor Stellung des Nachprüfungsantrags rechtzeitig im laufenden Vergabeverfahren gem. § 107 Abs. 3 GWB gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Mangels eines zulässigen Nachprüfungsantrags ist es der Vergabekammer verwehrt, die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Fristsetzung und insbesondere ihre Vereinbarkeit mit § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. i VOB/A und § 17 a Nr. 5 VOB/A zu prüfen.

Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag i. S. d. § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. €. Der streitbefangene Auftrag ist nach Auskunft der Auftraggeberin Teil einer den Schwellenwert überschreitenden Gesamtbaumaßnahme Erschließung des Baugebiets xxxxxxx. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. € oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. € deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert der landschaftsgärtnerischen Arbeiten im Baugebiet xxxxxxx zwar weder den Schwellenwert von 5 Mio. € noch den Wert von 1 Mio. €. Gleichwohl hat die Auftraggeberin das hier streitbefangene Los EU-weit im offenen Verfahren gem. § 3 a VOB/A ausgeschrieben und die Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – Regierungsvertretung Lüneburg – als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung angegeben. Dadurch hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht im 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638). Der Wert des streitbefangenen Auftrags steht daher einer Nachprüfung durch die Vergabekammer nicht entgegen.

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Fachunternehmen auf dem Gebiet des Garten- und Landschaftsbaus eine potenzielle Bieterin im streitbefangenen Vergabeverfahren ist, die ihr Interesse am Auftrag durch die Anforderung der Vergabeunterlagen bekundet hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht hat, indem sie unter Berufung auf – allerdings nicht näher bezeichnete – vergaberechtliche Rechtsprechung des BGH und verschiedener Landesvergabeprüfstellen vorträgt, die Auftraggeberin habe ihr zu Unrecht die Zusendung der Vergabeunterlagen unter Hinweis auf den bekannt gemachten Schlusstermin verweigert. Eine derartige Fristsetzung sei unzulässig. Vielmehr müssten die Ausschreibungsunterlagen bis einschließlich 1 – 2 Tage vor Submissionstermin zur Verfügung gestellt werden. Da § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. i VOB/A im Gegensatz zu früheren Fassungen der VOB/A keine Regelungen mehr hinsichtlich der Nennung eines Schlusstermins für die Anforderung von Vergabeunterlagen enthält (in der Fassung der VOB/A von 1992 hieß es in § 17 Nr. 1 Abs. 1 lit. i VOB/A ausdrücklich noch: "… sowie Termin, bis zu dem diese Unterlagen spätestens angefordert werden können") und § 17 a Nr. 5 VOB/A ausdrücklich regelt, dass rechtzeitig angeforderte Unterlagen den Bewerbern innerhalb von 6 Kalendertagen nach Eingang des Antrags zugesandt werden müssen, ist es möglich, dass die enge Fristsetzung der Auftraggeberin im vorliegenden Fall die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Da die Bekanntmachung im vorliegenden Fall am 13.10.2006 im Amtsblatt es Amtes für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften erfolgte und die Auftraggeberin den Schlusstermin für die Anforderung der Vergabeunterlagen auf den 20.10.2006 festgelegt hatte, blieb den potenziellen Bietern nur eine Woche Zeit, die Vergabeunterlagen anzufordern. Diese Frist dürfte auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Auftraggeberin bereits mit Vorab-Information vom 03.07.2006 auf die bevorstehende Ausschreibung hingewiesen hatte, zu kurz bemessen sein. Eine derartig enge Fristsetzung ist zumindest unüblich. So sieht etwa das Vergabehandbuch des Bundes für den Bereich des Straßenbaus (HVA B-StB) für die Bekanntmachung vor, dass unter IV.3.3 als Schlusstermin für die Anforderung von Unterlagen ein Termin 7 Kalendertage vor Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe (24 Uhr) einzutragen ist. Nach diesem Termin eingehende Anforderungen sollen nach Möglichkeit dennoch erfüllt werden.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat mit ihrem Vortrag ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Zumindest die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ist vorliegend dargetan. Diesbezügliche Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107, Rdnr. 954). Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

Die Antragstellerin ist jedoch nicht ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im laufenden Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin überhaupt, geschweige denn rechtzeitig, zu rügen. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB muss der Bieter vor Stellung des Nachprüfungsantrags im Vergabeverfahren positiv erkannte Vergaberechtsverstöße unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Diese Rügepflicht entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für diese positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003), Az.: 1 Verg 4/00; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Vergabekammer nicht belegt, dass sie den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß in Form der von ihr im Nachprüfungsverfahren beanstandeten Ausschlussfrist für die Anforderung von Vergabeunterlagen überhaupt gegenüber der Auftraggeberin gerügt hat. Da die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.10.2006, eingegangen bei der Auftraggeberin am 26.10.2006 (Eingangsstempel), die Vergabeunterlagen angefordert hat, hatte sie spätestens seit diesem Zeitpunkt positive Kenntnis von dem unter Ziffer IV.3.3 der Bekanntmachung vom 13.10.2006 festgesetzten Schlusstermin für die Anforderung von oder Einsicht in die Unterlagen (20.10.2006 – 12.00 Uhr). Die Antragstellerin war daher gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gehalten und in der Lage, innerhalb weniger Tage den nunmehr beanstandeten Schlusstermin für die Unterlagenanforderung gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Eine entsprechende – telefonische oder schriftliche – Rüge, die die Auftraggeberin bestreitet, hat die Antragstellerin jedoch nicht belegt. Auch die vorliegende Vergabeakte enthält keine Hinweise auf eine derartige Rüge. Aus einem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk des Fachbereichs 66 der Auftraggeberin vom 27.10.2006 über ein Telefongespräch vom 27.10.2006, 10.15 Uhr, zwischen dem Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herrn xxxxxxx, und dem Inhaber der Antragstellerin, Herrn xxxxxxx, geht vielmehr lediglich hervor, dass die Auftraggeberin selbst die Antragstellerin angerufen hat, weil sie im vorliegenden Vergabeverfahren wie auch schon bei anderen Vergabeverfahren die Verdingungsunterlagen erst nach Ablauf der festgesetzten Frist zur Anforderung der Verdingungsunterlagen angefordert hat. Ferner geht aus dem Vermerk hervor, dass Herr xxxxxxx gefragt habe, wie lange denn ein Schreiben auf dem Postwege zur Stadt xxxxxxx benötigen würde. Das Schreiben sei schließlich vom 18.10.2006, da müsse es doch wohl am 20.10.2006 bei der Stadt xxxxxxx eingegangen sein. Der Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herr xxxxxxx, hat ausweislich des Vermerks daraufhin angemerkt, dass dem auf den 18.10.2006 datierten Schreiben ein Einzahlungsbeleg von 20.10.2006 beigefügt war. Daher müsse man annehmen, dass er das Schreiben nicht vor dem 20.10.2006 habe zur Post bringen können und es schon daher nicht mehr rechtzeitig bei der Stadt xxxxxxx habe eingehen können. Da der 20. Oktober ein Freitag war, lasse sich nachvollziehen, dass sein Anforderungsschreiben letztlich erst am 26.10.2006 beim Fachbereich Stadtgrün eingegangen sei, da dieser in einer Außenstelle außerhalb des Rathauses untergebracht sei. Herr xxxxxxx habe ferner erklärt, er habe das Schreiben am 20.10.2006 auch per Fax zusenden wollen an eine Fax-Nummer xxxxxxx und dann ginge die mit xxx weiter. Das empfangende Fax-Gerät sei jedoch wohl defekt gewesen. Dazu habe der Unterzeichner erklärt, die richtige Fax-Nummer sei xxxxxxx. Bereits bei der Anforderung der Vergabeunterlagen für die Maßnahmen "xxxxxxx" und "xxxxxxx" habe Herr xxxxxxx versucht, sein Fax an eine Telefon-Nummer im Fachbereich Stadtgrün zu faxen. Das Fax-Gerät der Vergabestelle mit der Nummer xxxxxxx, welche auch zu den Angaben zur Stelle, bei der die Vergabeunterlagen angefordert werden können, angegeben wurde, habe auch am 20.10.2006 störungsfrei funktioniert.

Auch aus diesem Telefonvermerk ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Antragstellerin wenigstens anlässlich dieses Telefongesprächs den von der Auftraggeberin gesetzten Schlusstermin für die Anforderung der Angebotsunterlagen in irgendeiner Weise gerügt hat.

Selbst wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang bis zur Stellung des Nachprüfungsantrags keine positive Kenntnis von einem vermeintlichen Vergaberechtsverstoß gehabt hätte, greift im vorliegenden Fall die Präklusionsvorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB. Danach ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit des nunmehr beanstandeten Schlusstermins für die Anforderung der Vergabeunterlagen war für einen fachkundigen Bieter aus Ziffer IV.3.3 der Vergabebekanntmachung vom 13.10.2006 ohne weiteres gegeben. Eine Rüge gegenüber der Auftraggeberin innerhalb der Angebotsfrist (14.11.2006 – 11.00 Uhr) erfolgte jedoch nicht. Vielmehr wandte sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.11.2006 unmittelbar an die – unzuständige – Nachprüfungsstelle nach § 31 VOB/A in der Regierungsvertretung Braunschweig (dort eingegangen am 08.11.2006), die das Beschwerdeschreiben zuständigkeitshalber mit Schreiben vom gleichen Tage an die Vergabekammer weitergeleitet hat. Dort ist der als "Beschwerde und Widerspruch" bezeichnete Antrag der Antragstellerin am Freitag, den 10.11.2006 in der Poststelle des Behördenzentrums eingegangen und der Vergabekammer Montag, den 13.11.2006 zugeleitet worden. Auf telefonische Nachfrage des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 14.11.2006 erklärte die Antragstellerin, sie habe vor Absetzung des Beschwerdeschreibens den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß gegenüber der Auftraggeberin gerügt. Einen Beleg für diese Rüge legte sie jedoch nicht vor, obwohl sie dazu mit Verfügung der Vergabekammer vom 21.11.2006 und noch einmal mit verfahrensbegleitendem Hinweis vom 27.11.2006 unter Fristsetzung bis zum 29.11.2006 aufgefordert wurde. Der Eingang der beiden verfahrensbegleitenden Verfügungen wurde auf telefonische Nachfrage der Vergabekammer vom 24.11. und vom 28.11. ausdrücklich von der Antragstellerin bestätigt.

Der Nachprüfungsantrag war daher mangels vorheriger Rüge gegenüber der Auftraggeberin gem. § 107 Abs. 3 GWB wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es daher gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GWB nicht.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-
Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 €, die Höchstgebühr 25.000 € bzw. in Ausnahmefällen 50.000 € beträgt.

Es wird eine Gebühr in Höhe der gesetzlichen Mindestgebühr von 2.500 € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 2.500 € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxxxxxxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxxxxxxxxxx.

IV. Rechtsbehelf

….

Bieterschützende Wirkung aus § 25 Nr. 2 VOL/A?

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2006 – Verg 49/06

1. Das Vergaberecht schreibt dem Bieter nicht vor, bestimmte Kosten in seiner Kalkulation zu berücksichtigen, mit anderen Worten wie er zu kalkulieren hat.

2. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich / unangemessen niedrig erscheinendes Angebot zu überprüfen, entfaltet eine bieterschützende Wirkung nur zugunsten desjenigen Bieters, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit des Preises von einem Ausschluss bedroht ist.

3. § 25 Nr. 2 VOL/A hat grundsätzlich keine dem Schutz des Mitbewerbers gegen den Billigbewerber dienende Wirkung.

4. Eine Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB an den Bundesgerichtshof ist mit dem Eilcharakter der im Verfahren über den Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu treffenden Entscheidung nicht zu vereinbaren.

 

Volltext: 

 

Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluss vom 28.09.2006

Az.: Verg 49/06

GWB § 97 Abs. 5, § 97 Abs. 7, § 124 Abs. 2; VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2, § 25 Nr. 2 Abs. 3
1. Das Vergaberecht schreibt dem Bieter nicht vor, bestimmte Kosten in seiner Kalkulation zu berücksichtigen, mit anderen Worten wie er zu kalkulieren hat.
2. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich/unangemessen niedrig erscheinendes Angebot zu überprüfen, entfaltet eine bieterschützende Wirkung nur zugunsten desjenigen Bieters, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit des Preises von einem Ausschluss bedroht ist.
3. § 25 Nr. 2 VOL/A hat grundsätzlich keine dem Schutz des Mitbewerbers gegen den Billigbewerber dienende Wirkung.
4. Eine Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB an den Bundesgerichtshof ist mit dem Eilcharakter der im Verfahren über den Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu treffenden Entscheidung nicht zu vereinbaren.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2006 – Verg 49/06

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

pp.

hat der Vergabesenat des Oberlandesgericht Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht D., die Richterin am Oberlandesgericht D.-B. und die Richterin am Oberlandesgericht F.

am 28. September 2006 beschlossen:

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Hauptsacheentscheidung vorbehalten.

Dem Antragsteller wird aufgegeben, bis zum 1. November 2006 mitzuteilen, ob und mit welchen Anträgen das Rechtsmittel aufrechterhalten bleibt.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, eine Zuschlagserteilung gegebenenfalls durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

Gründe:

I.
Die Antragsgegnerin führte eine öffentliche Ausschreibung zur Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung, BAE- integratives Modell nach § 241 (2) SGB III, Vergabenummer 153-06-300062, im Bezirk des R. E. B. durch. In diesem Verfahren sollte der Antragsteller den Zuschlag auf sein Angebot zum Los 214 erhalten. Der Antragsteller hatte jedoch – wie die übrigen Bieter auch – den vorgeschriebenen Maßnahmeort N. nicht eingehalten. Die Vergabestelle hob die Ausschreibung deshalb nach § 26 Nr. 1 lit. a) VOL/A auf und leitete sodann ein freihändiges Vergabeverfahren ein. Sie forderte die vier Bieter, die sich am offenen Verfahren mit Angeboten beteiligt hatten, zur erneuten Angebotsabgabe auf. Der Antragsteller und der Beigeladene gaben innerhalb der Angebotsfrist jeweils Angebote ab. Das Los umfasst 31 Teilnehmerplätze. Als Maßnahmebeginn war der 4. September 2006 vorgesehen. Das Angebot des Antragstellers entsprach in preislicher Hinsicht dem zuvor eingereichten Angebot. Der Beigeladene kalkulierte seinen Angebotspreis neu. Nach der Angebotswertung teilte die Vergabestelle dem Antragsteller mit, dass das Angebot des Beigeladenen den Zuschlag erhalten solle, weil das Angebot des Antragstellers nicht das wirtschaftlichste sei.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 und 1. August 2006 rügte der Antragsteller die Entscheidung der Vergabestelle als fehlerhaft. Insbesondere wandte er ein, der Beigeladene habe im Vergleich zu seinem im offenen Verfahren unterbreiteten, wesentlich teureren Angebot nunmehr ein nicht auskömmliches Angebot abgegeben. Die Vergabestelle wies die Rügen zurück.

Mit seinem Nachprüfungsantrag begehrte der Antragsteller im wesentlichen die Untersagung der Erteilung des Zuschlags auf das Angebot des Beigeladenen und die Erteilung des Zuschlags auf sein Angebot. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück.

Mit seiner sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein ursprüngliches Begehren weiter. Er macht geltend: Der vom Beigeladenen unterbreitete Angebotspreise sei unauskömmlich. Die Durchführung der streitgegenständlichen Maßnahme sei gefährdet. Eine Überprüfung der Auskömmlichkeit sei dann erforderlich, wenn eine Abweichung im Angebotspreis des Mindestbietenden von mehr als 10% vom nächsthöheren Bieter vorliege, wobei auch die eigene Kostenschätzung des Auftraggebers in die Betrachtung eingestellt werden müsse. Der Beigeladene habe zwar erklärt, das niedrige Preisniveau seines Angebots sei darauf zurückzuführen, dass er eine neu erworbene Immobilie nutzen könne. Bei einem Immobilienkauf seien aber Zins- und Tilgungsleistungen in der Kalkulation zu berücksichtigen. Zudem habe der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung erklärt, seine Mitarbeiter würden ein Gehalt von deutlich mehr als 1.600 € erhalten. Ferner seien die Fahrtkosten für die Teilnehmer zu den Schulungsorten in der Kalkulation zu berücksichtigen. Eine schriftliche Überprüfung durch die Vergabestelle sei unterblieben, obgleich das vom Beigeladenen ursprünglich abgegebene Angebot deutlich teurer gewesen sei als das nun vorliegende Angebot.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner sofortigen Beschwerde zu verlängern.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen beantragen,

den Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern, zurückzuweisen.

Sie machen geltend: Ein unauskömmliches Preisangebot des Beigeladenen liege nicht vor. Der Beigeladene habe bei der Kalkulation keine Kosten für die Anmietung von Räumlichkeiten kalkulieren müssen, weil er die zu Ausbildungszwecken anzumietende Immobilie käuflich erworben habe. Die streitgegenständliche Maßnahme müsse spätestens am 15. Oktober 2006 beginnen.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die Vergabeakten und die Vergabekammerakten verwiesen.

II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers zu verlängern, ist abzulehnen, denn das zulässige Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist voraussichtlich unbegründet.

1. Das Angebot des Beigeladenen ist nicht schon in der ersten Wertungsphase von der Wertung auszunehmen. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOL/A sind solche Angebote von der Wertung auszuschliessen, die wesentliche Preisangaben nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VOL/A nicht vollständig und zutreffend enthalten. Es handelt sich um einen zwingenden Ausschlussgrund (vgl. BGH VergabeR 2004, 473, 476 ff.)
Das Erfordernis, jeden in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Preis, so wie gefordert, vollständig mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung verlangt wird, soll die Vergleichbarkeit der Angebote auf transparenter und alle Bieter gleich behandelnder Grundlage sicherstellen. Fehlen Preisangaben oder sind gemachte Preisangaben unzutreffend, hat der öffentliche Auftraggeber kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe, sondern ist gezwungen, das betreffende Angebot von der Wertung auszunehmen. Im Streitfall ist die Vergabestelle nicht verpflichtet, das Angebot des Beigeladenen von der Wertung auszunehmen.

Die Preisangabe des Beigeladenen im Preisblatt ist zutreffend. Es handelt sich hierbei um den tatsächlich anfallenden und vom Beigeladenen beanspruchten Preis. Aus der am 22. August 2008 der Vergabekammer vorgelegten Kalkulation ergibt sich, dass der Beigeladene für die Nutzung der Räume Kosten nicht angesetzt hat, weil Zins- und Tilgungsleistungen für den Erwerb der Räumlichkeiten nicht entstehen. Der Beigeladene hat angegeben, die von ihm genutzte Immobilie ohne Einsatz von Fremdmitteln erworben zu haben. Für die Nutzung beansprucht er deshalb kein Entgelt. Es ist Sache des Bieters zu entscheiden, welche Kostenpositionen in welcher Höhe er in seine Kalkulation einstellt. Das Vergaberecht schreibt dem Bieter nicht vor, bestimmte Kosten in seiner Kalkulation zu berücksichtigen, m.a.W. wie er zu kalkulieren hat.

Auch im Übrigen ist der vom Beigeladenen angegebene Preis zutreffend und vollständig. Er entspricht der offengelegten Kalkulation.

2. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Vergabestelle habe ihre Pflicht, die Auskömmlichkeit des Angebots der Beigeladenen zu überprüfen verletzt. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A sieht vor, dass der Auftraggeber die Einzelposten des Angebotes überprüft, wenn es im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich/unangemessen niedrig erscheinendes Angebot zu überprüfen, hat zwar bieterschützenden Charakter. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A entfaltet diese Wirkung aber nicht zugunsten des Antragstellers, sondern nur zugunsten desjenigen Bieters, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit des Preises von einem Ausschluss bedroht ist. Unterlässt der Auftraggeber eine Prüfung, kann (nur) der vom Ausschluss seines Angebots betroffene Bieter im Nachprüfungsverfahren erzwingen, dass das Vergabeverfahren in den Stand zurückversetzt wird, in dem der Auftraggeber diese Prüfung nachholen kann. Aufgrund der Beschwerde des Antragstellers kann die Auskömmlichkeit der Kalkulation des Beigeladenen dagegen nicht zum Gegenstand einer Überprüfung werden.

Nach Lage der Dinge hat auch die Berufung des Antragstellers auf § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A keinen Erfolg. Dieser Norm misst der Senat grundsätzlich keine dem Schutz des Mitbewerbers gegen den Billigbewerber dienende Wirkung zu (vgl. Beschl. v. 19.12.2000, VergabeR 2001, 128 f.; Beschluss v. 17.6.2002, BZBau 2002, 627 f.). Die Vorschrift dient in erster Linie dem Schutz des öffentlichen Auftraggebers (vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 12.9.2000, VergabeR 2001, 65, 69). Dieser soll vor den Gefahren geschützt werden, die daraus erwachsen, dass der Preis und die zu erbringende Leistung nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, nämlich vor der Gefahr, dass die Leistung vom Bieter nicht ordnungsgemäß erbracht werden kann. Der Auftraggeber ist grundsätzlich aber nicht daran gehindert, einem niedrigen, nicht kostendeckenden Angebot den Zuschlag zu erteilen, denn es ist nicht seine Sache dafür zu sorgen, dass der Auftragnehmer auskömmliche, das heißt in jeder Hinsicht kostendeckende Aufträge erhält. Ausnahmsweise billigt der Senat der Vorschrift nur dann bieterschützende Wirkung zu, wenn es für den Auftraggeber aus seiner Verpflichtung gemäß § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A heraus, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu beschränken, geboten ist, das Angebot auszuschließen. Dazu hat der Senat Fälle von Angeboten unter Einstandspreisen gezählt, die in der zielgerichteten Absicht abgegeben werden oder die zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt – nicht aus dem konkreten Vergabeverfahren – verdrängt werden. Ferner gehören dazu solche Unterkostenangebote, bei deren Ausführung der Bieter voraussichtlich in solch große wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, dass er die Auftragsdurchführung abbrechen muss, und andere Bieter – z.B. infolge anderweiter Dispositionen – nicht mehr in der Lage sind den Auftrag weiter auszuführen.

Eine Absicht des Beigeladenen, den Antragsteller mittels (nicht feststellbarer) Unter-Kostenpreise gezielt vom einschlägigen Markt fernzuhalten, ist nicht festzustellen. Die objektive Gefahr einer Verdrängung hat der Antragsteller – persönlich gehört – in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer verneint. Der Antragsteller trägt ferner nicht vor, der Beigeladene sei wegen einer Unterkostenkalkulation voraussichtlich gezwungen, die Auftragsdurchführung abzubrechen, und er selbst oder andere Unternehmen würden nicht in der Lage sein, in die Auftragsausführung einzutreten. Dies ist nach den stichhaltigen Feststellungen der Vergabekammer zur Kostendeckung der Kalkulation des Angebotspreises des Beigeladenen weder wahrscheinlich noch anzunehmen.

Der Fall, dass ein Zuschlag auf das Angebot des Beigeladenen nicht ergehen darf, ist deswegen nicht gegeben.

Deshalb liegen auch schon die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A nicht vor.

Allerdings bejahten einige Oberlandesgerichte (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 30.4.1999, NZBau 2000, 105; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.10.2003, NZBau 2004, 117,118 und Thüringer OLG, Beschl. v. 22.12.1999, NZBau 2000, 349, 352) uneingeschränkt einen bieterschützenden Charakter von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A (und/oder der entsprechenden Vorschrift in § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A). Inzwischen haben das OLG Celle (VergabeR 2004, 397, 405), das BayObLG (VergabeR 2004, 743, 745) und das OLG Koblenz (VergabeR 2006, 392, 401 f.) – mit allenfalls geringen Abweichungen – jedoch genauso entschieden wie der Senat, was auf eine Durchsetzung seiner zwischen den entgegengesetzten Ansichten (bieterschützende Wirkung der Normen oder deren Verneinung) vermittelnden Auffassung hindeutet. Eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof ist deshalb nicht geboten (vgl. § 124 Abs. 2 GWB). Sie scheidet auch schon deswegen aus, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A nicht gegeben sind, die Rechtsfrage infolgedessen nicht entscheidungserheblich ist und eine Vorlage mit dem Eilcharakter der – wie hier – im Verfahren über den Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu treffenden Entscheidung nicht zu vereinbaren ist (vgl. auch Jaeger in Byok/Jaeger, § 124 GWB Rn. 1246).