Kasko – Versicherungsschutz bei Auffahren auf Verkehrsinsel

Gerät ein Pkw bei der Einfahrt in eine Ortschaft auf eine die Fahrbahn teilende Verkehrsinsel, weil der mit ca. 50 km/h fahrende Versicherungsnehmer durch die Bedienung des Autoradios abgelenkt war, kann sich der Versicherer dann nicht auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles berufen, wenn weitere Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Versicherungsnehmers oder für eine gesteigerte Gefahrenlage nicht feststellbar sind.

OLG Nürnberg, Urteil vom 25. 4. 2005 – 8 U 4033/04 Kurzsachverhalt

Der Kl. hat die Bekl. aus einer Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen. Zu dem Fahrzeugschaden kam es, als der Kl. beim Befahren eines übersichtlichen Straßenstücks auf eine in der Fahrbahnmitte liegende Verkehrsinsel auffuhr. Der Kl. hat behauptet, er sei durch die Bedienung seines Autoradios abgelenkt worden. Die Bekl. hat die Meinung vertreten, sie sei leistungsfrei, weil der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt worden sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.

Auszug aus den Urteilsgründen:

Die Bekl. ist auf Grund des zwischen den Parteien bestehenden Vertrags über eine Fahrzeugvollversicherung verpflichtet, dem Kl. Ersatz für die Reparatur der Schäden an seinem Pkw zu ersetzen, die dadurch entstanden sind, dass der Kl. am 1. 2. 2004 auf eine in Fahrbahnmitte befindliche Verkehrsinsel aufgefahren ist (§ 1 I VVG i.V. mit §§ 12 Abs. 1 II lit. h, 13 Abs. 1 AKB 2001). Die Bekl. ist entgegen der Auffassung des LG nicht gem. § 61 VVG von ihrer Leistungspflicht frei geworden.

Eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Kl., wofür die Bekl. beweispflichtig ist, lässt sich nicht feststellen. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und auch subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen an die im Verkehr erforderliche Sorgfalt voraus; diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sein und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Die Entscheidung hierüber ist unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles zu treffen (BGH, NJW 1989, 1354).

1. Nach Auffassung der Bekl. handelte der Kl. grob fahrlässig: Für das Befahren des übersichtlichen Straßenstücks von 120 Metern vor der Verkehrsinsel habe dieser bei der von ihm angegebenen Geschwindigkeit von 50 km/h ca. 8,6 Sekunden benötigt. In dieser Zeit habe er offensichtlich die Fahrbahn nicht beobachtet, da er sonst nicht auf die Verkehrsinsel aufgefahren wäre. Dem kann nicht gefolgt werden.

Für den Nachweis der groben Fahrlässigkeit sind die Regeln des Anscheinsbeweises nicht anwendbar; allein aus der Tatsache des Unfalls kann deshalb nicht geschlossen werden, dass der Kl. grob fahrlässig gehandelt hat. Insbesondere lässt sich aus dem Umstand des Auffahrens auf die Verkehrsinsel nicht schließen, dass der Kl. während des gesamten Zeitraums, den er zum Durchfahren der übersichtlichen Straße benötigte, die Fahrbahn nicht im Blick behielt; es lässt sich nicht ausschließen, dass nur eine momentane Unaufmerksamkeit kurz vor der Verkehrsinsel zum Auffahren des Kl. geführt hat. Eine derartige kurzzeitige Ablenkung, die nahezu alltäglich vorkommt, kann zwar den Vorwurf eines fahrlässig begangenen Fahrfehlers rechtfertigen, aber nicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit; die im Verkehr erforderliche Sorgfalt wurde dadurch nicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt.

2. Selbst wenn man entsprechend der Erklärung des Kl. in dem von ihm unterzeichneten Schreiben an die Bekl. vom 8. 3. 2004 davon ausgeht, dass er vor dem Unfall „durch die Bedienung des Radios abgelenkt“ wurde, kann nicht angenommen werden, der Kl. habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Daraus lässt sich nämlich nicht herleiten, dass der Kl. den Blick erhebliche Zeit von der Fahrbahn abgewendet hat. Vorübergehende Unaufmerksamkeiten, also auch die kurzfristige Ablenkung durch das Bedienen des Radios, kann jedoch nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes führen; damit würde die Vollkaskoversicherung ihren Sinn und Zweck verlieren. Eine Sachlage, wie sie der Entscheidung des OLG Nürnberg (NJW-RR 1992, 360) zu Grunde lag, nämlich dass der Versicherungsnehmer längerfristig – im dortigen Fall ca. fünf Sekunden – wegen der Bedienung seines Kassettenrekorders die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt nicht aufwandte, hat die Bekl. im vorliegenden Fall gerade nicht nachgewiesen.

Da – wie dargelegt – für den Nachweis der groben Fahrlässigkeit die Regeln des Anscheinsbeweises nicht anwendbar sind, kann entgegen der Auffassung des LG nicht davon ausgegangen werden, dass „es nach der Lebenserfahrung ohne weiteres allmählich zu einem überzogenen Linkseinschlag mit der linken Hand gekommen“ sei, als der Kl. „eine nicht ganz unerhebliche Zeit seine Konzentration auf die Bedienung des Radios mit der rechten Hand gerichtet“ hat. „Zwangsläufig“ führt das Bedienen eines Autoradios nicht zu einem Verreißen der Lenkung (vgl. OLG Hamm, r+s 1991, 186). Überdies würde diese Annahme des LG voraussetzen, dass der Kl. zunächst verhältnismäßig weit rechts gefahren sein müsste, um allmählich über eine nicht ganz unerhebliche Zeit seiner Konzentration auf die Bedienung des Autoradios in den Bereich der Verkehrsinsel geraten zu sein. Diese Annahme ist indes nicht erwiesen.

Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die für eine gesteigerte Gefahrenlage sprechen, so dass es als unverständliche Sorglosigkeit anzusehen wäre, dass der Kl. vorübergehend seine Aufmerksamkeit der Bedienung des Autoradios gewidmet hat: Die Fahrbahn war relativ breit und übersichtlich, die vom Kl. eingehaltene Geschwindigkeit von etwa 50 km/h nicht unangemessen. Eine Leistungsfreiheit der Bekl. wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Kl. kann also nicht bejaht werden.

Privathaftpflicht bei Unfall nach ungewolltem Pkw-Start

Der in der sog. „Kleinen Benzinklausel“ in der Privathaftpflichtversicherung enthaltende Risikoausschluss für Schäden durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges greift nicht ein, wenn ein auf dem Beifahrersitz eines abgestellten PKW sitzendes 14jähriges Mädchen den im Zündschloss steckenden Schlüssel umdreht, um über die zu aktivierende Batterie das Autoradio zu betreiben, aber versehentlich den Schlüssel so weit umdreht, dass der Motor des PKW gestartet wird, dieser sich von selbst in Bewegung setzt und ein anderes geparktes Fahrzeug beschädigt. Die bloße Nutzung der Batterie als Energiequelle für einen Zweck, der mit dem Betrieb des KFZ in keinem inneren Zusammenhang steht, stellte keinen Gebrauch des Fahrzeugs durch den Führer eines PKW im Sinne der Ausschlussklausel dar.

OLG Celle
Beschluss vom 3. März 2005 
Az.: 8 W 9/05

B e s c h l u s s

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

…..

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 14. Februar 2005 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 26. Januar 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht ………. als Einzelrichter am 3. März 2005 beschlossen:

Unter Aufhebung des Beschlusses vom 26. Januar 2005 sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 18. Februar 2005 wird das Verfahren an das Landgericht Bückeburg zurückverwiesen, welches angewiesen wird, den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurückzuweisen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.


G r ü n d e

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) und begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Nach dem gegenwärtigen Sach und Streitstand steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung von Deckungsschutz aus der mit dieser geschlossenen Privathaftpflichtversicherung gem. § 1 Abs. 1 S. 1, § 149 VVG i.V.m. § 1 Ziff. 1 AHB und II Ziff. 1b) der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung zu.

1.
Nach dem Vortrag der Antragstellerin saß ihre mitversicherte Tochter ………  am 21. Juni 2003 auf dem Beifahrersitz eines von ihres Cousine gehaltenen PKW´s, als diese das Fahrzeug abgestellt und sich für kurze Zeit entfernt hatte. Die zum damaligen Zeitpunkt 14jährige Tochter der Antragstellerin drehte den im Zündschloss steckenden Schlüssel um, um eine elektrische Verbindung zur Batterie herzustellen, weil sie Autoradio hören wollte. Da sie den Zündschlüssel versehentlich zu weit drehte, wurde der Motor gestartet und der PKW fuhr wegen des eingelegten Vorwärtsganges los und beschädigte einen in der Nähe abgestellten PKW, an dem ein Schaden von 8.295,11 EUR eintrat. Der KFZHaftpflichtversicherer der Halterin des PKW erstattete den dem geschädigten Dritten entstandenen Schaden und nimmt die Tochter der Antragstellerin im Wege des Regresses auf Zahlung dieses Betrages in Anspruch. Die Antragstellerin begehrt nunmehr wegen dieses verfolgten Anspruchs Deckungsschutz aus der mit der Antragsgegnerin geschlossenen Privathaftpflichtversicherung.

Die Antragstellerin und dem folgend das Landgericht haben dies unter Berufung auf die sog. „kleine Benzinklausel“ in III. Nr. 1 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung zurückgewiesen. Diese lautet:
„Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft, Luft oder Wasserfahrzeugs wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden.“

2.
Die Voraussetzungen dieser Ausschlussklausel sind indessen nicht erfüllt, da die Tochter der Antragstellerin nicht als Führerin des PKW anzusehen ist und die entstandenen Schäden nicht im Zusammenhang mit dem Gebrauch des Fahrzeugs stehen. Diese Klausel dient der Abgrenzung zwischen den Deckungsbereichen der Privat und der KFZHaftpflichtversicherung und bezweckt einerseits – abstrakt gesehen – einen lückenlosen Deckungsanschluss zwischen den beiden Versicherungsarten sowie andererseits die Vermeidung von Doppelversicherungen (BGH 1984, 854; OLG Saarbrücken VersR 1991, 1400). Von der Privathaftpflichtversicherung sollen also grundsätzlich die Schäden abgedeckt werden, die nicht unter den Umfang der KFZHaftpflichtversicherung nach § 10 AKB fallen.

Maßgebend für die Abgrenzung ist mithin, ob der Schadensfall mit dem Gefahrenbereich, für den der KFZHaftpflichtversicherer deckungspflichtig ist, in einem inneren Zusammenhang steht, ob es sich also um typische, vom Gebrauch des Fahrzeugs selbst und unmittelbar ausgehende Gefahren handelt (BGH VersR 1994, 83, 84; OLG Düsseldorf VersR 1993, 302, 303; OLG Hamm VersR 1991, 218, 219; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Schäden, die ihre überwiegende Ursache nicht im Gebrauch des Fahrzeugs selbst haben, sondern mit diesem nur in einem rein äußeren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang stehen, werden dagegen von der KFZHaftpflichtversicherung nicht erfasst, sondern unterfallen der Privathaftpflichtversicherung.

Vorliegend fehlt es an einem Gebrauch des PKW´s durch die Tochter der Antragstellerin als dessen Führerin. Sie hat nicht etwa den Zündschlüssel des Fahrzugs umgedreht, um den Motor zu starten, mit dem PKW zu fahren oder sonst die Motorkraft in einem unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeugs zu nutzen, z.B. zum Be und Entladen, Tanken oder der Durchführung von Wartungs und Reparaturarbeiten. Hier wollte die Tochter der Antragstellerin vielmehr durch das lediglich teilweise Umdrehen des Zündschlüssels nur die Batterie des Fahrzeugs als Energiequelle in Gang setzen, um hierdurch die Inbetriebnahme des Autoradios zu ermöglichen. Diese bloße Nutzung der Batterie als Energiequelle für einen Zweck, der mit dem Betrieb eines KFZ in keinerlei innerem Zusammenhang steht, stellt indessen keinen Gebrauch eines Fahrzeugs im Sinne der Ausschlussklausel dar. Es handelt sich vielmehr um einen bloß losen, rein äußerlichen Zusammenhang mit dem eigentlichen Zweck des PKW als Fortbewegungsmittel. Dass die Tochter der Antragstellerin dann versehentlich den Zündschlüssel zu weit drehte, hierdurch den Motor startete und der PKW sich von selbst in Bewegung setzte, stellt lediglich die unwillkürliche und nicht mehr zumindest vom natürlichen Vorsatz der Tochter der Antragstellerin herbeigeführte Folge ihres Verhaltens dar, welches dann die Grundlage des zum Schadensersatz führenden Ereignisses darstellte.

Gegen eine weite Auslegung dieser sog. „Kleinen Benzinklausel“ spricht auch ihre Entstehungsgeschichte. Die in früheren Versicherungsbedingungen verwendete sog. „Große Benzinklausel“ sollte nämlich sämtliche Risiken ausschließen, die irgendwie im Zusammenhang mit einem Fahrzeug standen. Hiernach waren ausgeschlossen vom Versicherungsschutz Haftpflichtansprüche aus Schäden durch Halten, Besitz, ferner durch Inbetriebsetzen, Gebrauch oder Missbrauch von Kraftfahrzeugen, gleichgültig, durch wen oder aus welchem Anlass oder zu welchem Zweck das Kraftfahrzeug in Betrieb gesetzt oder gelenkt wurde (hierzu Stiefel/Hofmann, AKB, 17. Aufl., § 10 AKB Rdnr. 77). Mit dieser Klausel sollten mithin sämtliche Schäden vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, selbst wenn es an einem inneren Zusammenhang mit dem Betrieb des KFZ als Verkehrsmittel fehlt. Die „Kleine Benzinklausel“ ist dagegen deutlich restriktiver gestaltet und erfordert, dass der Versicherte selbst im Besitz des KFZ war oder von ihm Gebrauch gemacht hat (Stiefel/Hofmann, a.a.O.). Daran fehlt es aus den o.g. Gründen, da hier lediglich die Batterie des PKW als Energiequelle für die Verwirklichung eines Zwecks genutzt werden sollte (Radiohören), der mit dem Betrieb des KFZ in keinem inneren Zusammenhang steht.

Da Versicherungsbedingungen ferner so auszulegen sind, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse verstehen muss (BGHZ 123, 83, 85), muss es sich ihm nicht erschließen, dass hiervon auch solche Handlungen erfasst werden sollen, die ohne Fortbewegung und ohne Nutzung der Motorkraft des Fahrzeugs lediglich in einem äußeren Zusammenhang mit dem Fahrzeug zwecks Nutzung seiner Batterie als Energiequelle stehen.

Entsprechend ist auch in der Rechtsprechung die Tendenz zu beobachten, die „Kleine Benzinklausel“ in vergleichbaren Fällen restriktiv auszulegen und keinen Ausschluss des Versicherungsschutzes in der Privathaftpflichtversicherung anzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1993, 302: 13jähriger Sohn des Versicherungsnehmers löst beim Verlassen des LKW versehentlich die Handbremse; OLG Saarbrücken VersR 1991, 1400: Versicherungsnehmer setzt sich auf ein Motorrad und zieht die Handbremse, wodurch dieses im Stand umkippt; LG Dortmund VersR 1991, 1401: Versicherter nimmt im Fahrzeug Platz, um im Bedarfsfall die Fußbremse zu betätigen; LG Freiburg ZfS 1990, 137: 10jähriges Kind setzt aus Spieltrieb ein KFZ in Gang).
Soweit das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung ferner ausführt, der Vortrag der Antragstellerin, es sei nur zu einem einmaligen Drehen des Zündschlüssels gekommen, könne nicht zutreffen, weil nach dem Bericht des PHM Lohrke das Fahrzeug eine längere Strecke zurückgelegt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen lässt sich aus dem Bericht keinesfalls entnehmen, dass die Tochter der Antragstellerin etwa bewusst unerlaubt mit dem PKW gefahren wäre. Dort ist ausdrücklich nur von dem Umdrehen des Zündschlüssels durch die auf dem Beifahrersitz befindliche Tochter der Antragstellerin sowie davon die Rede, der PKW habe sich dann in Bewegung gesetzt und sei gegen das Fahrzeug des Geschädigten gerollt. Warum dies bei gestartetem Motor und eingelegtem Vorwärtsgang nicht möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich, zumal die örtlichen Verhältnisse (abschüssige Fahrbahn etc.) hier nicht weiter beschrieben sind. Zum anderen hat die Antragstellerin für den von ihr behaupteten Schadenshergang (s.o.) Beweis durch Zeugnis ihrer Tochter angetreten, so dass, falls dieser Vortrag streitig werden sollte (die Antragsgegnerin ist bisher nicht gehört worden), hierüber gegebenenfalls Beweis zu erheben werde. Eine vorweggenommene Würdigung dieses Sachverhaltes im PKHVerfahren kommt hier nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Führen von Fahrrädern im Straßenverkehr kann von Fahrerlaubnisbehörde untersagt werden

1. Die Teilnahme am Straßenverkehr als Fahrradfahrer unter Alkoholeinfluss berechtigt die Fahrerlaubnisbehörde nicht nur dazu, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Hinblick auf die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs einzuholen, sondern auch zur Frage der Eignung, ein sonstiges Fahrzeug (hier: Fahrrad) im Straßenverkehr zu führen.
 
2. Die Fahrerlaubnisbehörde kann nach § 3 I FeV das Führen von Fahrrädern im Straßenverkehr untersagen.
 
3. Die Fahrerlaubnisbehörde muss die Zustimmung zur Teilnahme an einem evaluierten Rehabilitationskurs für alkoholauffällige Verkehrsteilnehmer auch in einem Verfahren auf Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11 X Nr. 3 FeV erteilen, wenn die Gutachter in einem medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungsmängel nach einem erfolgreichen Besuch eines solchen Kursus als behoben ansehen. Die Verpflichtung zur Erteilung der Zustimmung kann der Betroffene im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erreichen.

VG Neustadt a.d.W.
Beschluß vom 16. März 2005
Az.: 3 L 372/05

Zum Sachverhalt:
 
Der Ast. wandte sich mit seinem Eilantrag gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Zugleich beantragte er, die Ag. durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, die Zustimmung zum Besuch eines Kurses nach § 70 FeV zu erteilen. Der Antrag hatte nur teilweise Erfolg.

Aus den Gründen:
 
1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse B durch Verfügung der Ag. vom 17. 1. 2005 und die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärte Untersagung, ein Fahrrad zu führen, wiederherzustellen, kann keinen Erfolg haben.
 
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in der angefochtenen Verfügung, dass es mit dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs unvereinbar wäre, wenn der Ast. bis zum Eintritt der Bestandskraft der Verfügung weiter als Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen könnte, nachdem seine Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen gegeben sei, hält sich im Rahmen des § 80 III 1 VwGO. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis überwiegt vorliegend das private Interesse des Ast., von der Fahrerlaubnis bis zur Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache Gebrauch machen zu können. Dem Interesse des Ast. an dem Erhalt der Fahrerlaubnis und der Teilnahme als Fahrradfahrer im Straßenverkehr steht nämlich das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass Personen, die sich als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen erwiesen haben, unverzüglich von der aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen werden, wie es die Ag. in ihrer Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung dargelegt hat. Das vorrangige öffentliche Interesse folgt daraus, dass sich die angefochtene Verfügung beim gegenwärtigen Sachstand auf Grund der im Verfahren nach § 80 V VwGO allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.
 
1.1. Die Ag. hat die Entziehung der Fahrerlaubnis zu Recht auf § 3 I 1 StVG i.V. mit § 46 I FeV (BGBl I 1998, 2214) gestützt. Nach § 46 I 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden hingegen zunächst nur Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis noch zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist, so kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 46 III FeV zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis von dem Betreffenden nach den §§ 11 bis 14 FeV die Beibringung eines ärztlichen oder gegebenenfalls eines medizinisch-psychologischen Gutachtens fordern. Zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik ordnet die Fahrerlaubnisbehörde nach § 13 Nr. 2c FeV dann die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6‰ oder mehr geführt wurde. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt.
 
Der Ast. hat nach den Feststellungen in dem seit dem 27. 2. 2004 rechtskräftigen Strafbefehl des AG L. im öffentlichen Straßenverkehr ein Fahrzeug, wozu auch Fahrräder gehören, geführt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht mehr in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Bei dem Ast. war eine Blutalkoholkonzentration von 2,02‰ festgestellt worden. Die Behörde kann gem. § 13 Nr. 2c FeV von dem Betroffenen die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch dann fordern, wenn dieser nicht als Kraftfahrer, sondern als Radfahrer aufgefallen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9. 9. 1996 – 11 B 61/96; BVerwGE 99, 249 = NZV 1996, 84). Aus dem Umstand, dass der Ast. als Fahrradfahrer mit einer BAK von 2,02‰ am Straßenverkehr teilgenommen hatte, ergaben sich mithin Zweifel auch an der Eignung des Ast. zum Führen von Kraftfahrzeugen.
 
Die Ag. war auch nicht durch den Strafbefehl vom 27. 2. 2004 daran gehindert, die Frage der Eignung des Ast. zum Führen eines Kraftfahrzeugs zu überprüfen. Nur dann, wenn der Strafrichter im Rahmen des § 69 StGB die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu beurteilen hatte und nachprüfbar tatsächlich auch beurteilt hat, ist die Verwaltungsbehörde an diese Entscheidung nach Maßgabe des § 3 IV StVG gebunden. In allen anderen Fällen – wie hier – ist aber die zuständige Straßenverkehrsbehörde berechtigt und verpflichtet, in eigener Zuständigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Gesamtpersönlichkeit zu prüfen, ob einem Fahrerlaubnisinhaber die notwendige Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt. Die Ag. war daher befugt, zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis ein medizinisch-psychologisches Gutachten von dem Ast. zu verlangen.
 
Im vorliegenden Fall steht auf Grund des von dem Ast. zur Ausräumung der Zweifel an seiner Fahreignung eingeholten medizinisch-psychologischen Gutachtens des TÜV Pfalz vom 22. 11. 2004 seine Nichteignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fest. Die charakterliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs ist nur auf Grund einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit zu beurteilen. Sie ist nämlich in besonderem Maße dadurch gekennzeichnet, dass sie kein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal darstellt. Ein wichtiges Hilfsmittel der Erkenntnis, ob Fahreignung gegeben ist, ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung. Dieses Hilfsmittel ist deshalb in aller Regel unverzichtbar, da weder die Behörden noch die Gerichte über eigenen Sachverstand verfügen, notwendige medizinisch-psychologische Erkenntnisse selbst zu gewinnen, geschweige denn, das Verhalten eines Menschen selbst einer diesbezüglichen Bewertung zu unterziehen (z.B. OVG Koblenz, Urt. v. 27. 6. 1997 – 7 A 10529/97). Dementsprechend kommt einem sachverständig erstellten medizinisch-psychologischen Gutachten ein hoher Aussagewert zu, der nur dann erfolgreich in Zweifel gezogen werden kann, wenn das Gutachten erkennbar Fehler aufweist oder nicht nachvollziehbar ist.
 
Vorliegend bestehen nach Auffassung des Gerichts keine Einwände gegen die Verwertbarkeit des eingeholten Gutachtens. Das Gutachten des TÜV Pfalz ist nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. So sieht es auch die Ag., die die Entziehung der Fahrerlaubnis auf dieses Gutachten stützt. Der Ast. hat ebenfalls – bisher – keine substanziierten Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens geäußert. Vor diesem Hintergrund erübrigen sich daher weitere Ausführungen zum Inhalt des Gutachtens. Nach dem Ergebnis des Gutachtens ist der Ast. derzeit ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs.
 
1.2. Die Ag. hat auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dem Ast. das Führen von Fahrrädern untersagt. Nach § 3 I FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen – dazu zählen Fahrräder – erweist, ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Die Vorschrift verpflichtet die Behörde, gegen den ungeeigneten Fahrer einzuschreiten. Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Führer eines Fahrzeugs ungeeignet i.S. des § 3 I FeV ist, finden die Vorschriften der §§ 11 bis 13 FeV entsprechende Anwendung. Die Behörde kann dann ebenso wie bei einem Kraftfahrzeugführer entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einleiten. Von dieser Befugnis hat die Ag. vorliegend Gebrauch gemacht. Sie hat die Trunkenheitsfahrt des Ast. mit einem Fahrrad nicht nur zum Anlass genommen, seine Kraftfahreignung – wie oben dargelegt – überprüfen zu lassen, sondern gem. § 3 II i.V. mit § 13 Nr. 2c FeV auch seine Eignung zum Führen sonstiger Fahrzeuge. Die Gutachter gelangten auch hinsichtlich der Eignung des Ast. zum Führen von anderen Fahrzeugen als Kraftfahrzeugen zu dem Ergebnis, dass die erforderliche Eignung zurzeit nicht gegeben sei. Das Gutachten ist auch insoweit verwertbar (s. hierzu obige Ausführungen). Da dieser Eignungsmangel auch nicht durch Auflagen ausgeglichen werden kann, war dem Ast. das Führen von Fahrrädern zu untersagen.
 
2. Der Antrag, die Ag. im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zustimmung zu einem von den Gutachtern empfohlenen Seminar nach § 70 FeV zu besuchen, hat Erfolg.
 
Nach § 123 I 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Ast. glaubhaft zu machen (§ 123 III VwGO). Eine einstweilige Anordnung mit dem hier begehrten Inhalt, die Ag. zu verurteilen, die nach § 11 X Nr. 3 FeV erforderliche Zustimmung zum Kursbesuch zu erteilen, ist statthaft und begründet.
 
Der begehrten Regelungsanordnung steht nicht bereits § 44a VwGO entgegen. Die Vorschrift besagt, dass Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können (S. 1), etwas anderes gilt nur dann, wenn sie vollstreckbar sind (S. 2). Abgesehen von der umstrittenen Frage, ob nur anfechtbare Verwaltungsakte behördliche Verfahrenshandlungen im Sinne der Vorschrift sind und ob sie nur für Anfechtungsverfahren im engeren Sinne gilt (vgl. dazu: VGH München, NVwZ 1990, 775 [777] m.w. Nachw.), ist vorliegend jedenfalls vom Sinn und Zweck der Vorschrift eine restriktive Auslegung angezeigt, selbst wenn die bestehende Weigerung der Ag., die Zustimmung zur Teilnahme

an dem seitens der Gutachter empfohlenen Besuch eines Kurses nach § 70 FeV in dem vorliegenden Verfahren auf Entziehung der Fahrerlaubnis als Verfahrenshandlung i.S. des § 44a S. 1 VwGO gesehen würde (OVG Koblenz, NJW 1997, 2342, zur Frage der Überlassung der Verwaltungsakten an einen Privatgutachter).
 
Zu berücksichtigen ist nämlich Folgendes: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob jemand zum Führen von Fahrzeugen geeignet ist, ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, das heißt des Erlasses des Widerspruchsbescheids. Im Falle einer Entziehung der Fahrerlaubnis muss demnach die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen in dem genannten Zeitpunkt noch gegeben sein. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Betroffene alles unternehmen, um seine gegenwärtig nicht mehr vorhandene Fahreignung wiederherzustellen. Ist die Kraftfahreignung dann im Zeitpunkt der Entscheidung der Widerspruchsbehörde wiederhergestellt, muss die Entziehungsverfügung, die ursprünglich rechtmäßig gewesen sein kann, aufgehoben werden. Hierauf hat der Betroffene einen Anspruch. Die Fahrerlaubnisbehörde ist vor diesem Hintergrund unter Wahrung der Rechte des Betroffenen nicht berechtigt, die Wiederherstellung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu behindern oder zu verhindern. Sie kann ihre eventuell erforderliche Mitwirkungshandlung nicht unter Verweis auf ein Verfahren auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ablehnen. Der Betroffene würde dann zum bloßen Objekt staatlichen Handelns. Dies stünde mit dem grundrechtlichen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 GG) sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht im Einklang. Die Fahrerlaubnisbehörde darf also keine Maßnahmen ergreifen, die die Wiederherstellung der Fahreignung behindern, oder sich der Mitwirkung verschließen, indem sie entweder Akten nicht dem Gutachter überlässt (OVG Koblenz, NJW 1997, 2342) oder die erforderliche Zustimmung nach § 11 X Nr. 3 FeV versagt.
 
Die Frage der Erteilung der Zustimmung kann sich durchaus – wie das vorliegende Verfahren zeigt – auch in einem Verfahren auf Entziehung der Fahrerlaubnis stellen. Da § 46 FeV, der die Rechtsgrundlage für die Entziehung einer Fahrerlaubnis bildet, nicht nur auf einzelne Absätze des § 11 FeV, sondern auf diese Vorschrift vollumfänglich verweist, ist Absatz 10 dieser Vorschrift auch im Entziehungsverfahren zu beachten.
 
Nach § 11 X FeV kann der Nachweis der Wiederherstellung der Fahreignung durch Teilnahme an einem Kurs nach § 70 FeV geführt werden, wenn der betreffende Kurs nach § 70 FeV anerkannt ist (X Nr. 1), auf Grund eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer Begutachtungsstelle für Fahreignung die Teilnahme des Betroffenen an dieser Art von Kursen als geeignete Maßnahme angesehen wird, seine Eignungsmängel zu beheben, (X Nr. 2) und die Fahrerlaubnisbehörde der Kursteilnahme nach Nr. 2 zugestimmt hat. Aus dem Wortlaut der Nr. 3 ergibt sich eindeutig, dass die Behörde ihre Zustimmung vor der Kursteilnahme des Betroffenen erklärt haben muss („zugestimmt hat“). Liegt ein medizinisch-psychologisches Gutachten nach Nr. 2 des § 11 X FeV vor, das die Teilnahme an einem nach § 70 FeV anerkannten Kurs zur Behebung von festgestellten Eignungsmängeln empfiehlt, so hat in der Regel die Fahrerlaubnisbehörde ihre Zustimmung zu erteilen. Lehnt sie trotz entsprechender gutachtlicher Empfehlung die Zustimmung zur Kursteilnahme ab, so muss sie dies mit Rücksicht auf die Bedeutung und grundrechtliche Relevanz (Art. 2 GG) der Entscheidung für den Betroffenen in qualifizierter Weise begründen.
 
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Ast. durch Vorlage des auf Veranlassung der Ag. eingeholten medizinisch-psychologischen Gutachtens des TÜV Pfalz vom 22. 11. 2004 glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung nach § 11 X Nr. 3 FeV hat. Die Gutachter haben in ihrer Expertise dargelegt, aus welchen Gründen der Ast. zurzeit zum Führen von Fahrzeugen ungeeignet ist. Dieses Gutachten bildet zu Recht die Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse B sowie das Verbot, Fahrräder zu führen. Die Ag. hält damit das Gutachten für insoweit nachvollziehbar und hegt keine Zweifel an seiner Verwertbarkeit. Die Gutachter haben aber auch ausgeführt und begründet, dass die Art der bei dem Ast. aufgezeigten Eignungsmängel die Möglichkeit eröffne, die noch feststellbaren Defizite durch einen anerkannten und evaluierten Rehabilitationskurs für alkoholauffällige Kraftfahrer entsprechend § 70 FeV zu beseitigen. Sie haben nach erfolgreicher Teilnahme an der genannten Nachschulungsmaßnahme, wenn der Ast. in der Zwischenzeit nicht erneut nachteilig in Erscheinung getreten sei, keine Zweifel an seiner Kraftfahreignung. Die Gutachter verfügen für diese Einschätzung anders als das Gericht und die Fahrerlaubnisbehörde über die notwendige Fachkompetenz. Will also die Ag. dieser Empfehlung der Gutachter nicht folgen, so hat sie hierfür Gründe vorzutragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gutachten für nachvollziehbar gehalten wird, Zweifel an seiner Richtigkeit nicht bestehen und es zur Grundlage einer Entziehungsverfügung gemacht wird. Die Ag. hat jedoch vorliegend keine Gründe aufgezeigt, die Bedenken gegen die ausgesprochene Empfehlung begründen können. Der Ast. kann daher beanspruchen, dass die Ag. die begehrte Zustimmung erteilt.
 
Dieses Begehren kann er nach den obigen Ausführungen auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erfolgreich geltend machen, ohne sich auf ein Wiedererteilungsverfahren verweisen lassen zu müssen. Die Teilnahme an dem von den Gutachtern empfohlenen Kurs nach § 70 FeV ohne Zustimmung der Ag. könnte nämlich nicht den gewünschten Zweck erfüllen, da Voraussetzung hierfür nach § 11 X Nr. 3 FeV die vorherige Zustimmung der Fahrerlaubnisbehörde ist. Vor diesem Hintergrund ist auch die Vorwegnahme der Hauptsache insoweit gerechtfertigt.

Ablesen des Handy-Displays durch Kfz-Führer gilt als gleiche Benutzung wie bei einem Telefonat

Die Frage der Benutzung eines Mobiltelefons i.S. von § 23 I lit.a StVO beurteilt sich allein danach, ob das Mobiltelefon in der Hand gehalten wird oder nicht. Unter Benutzung i.S. des § 23 I lit.a StVO ist somit jegliche Nutzung eines Mobiltelefons zu verstehen.

OLG Hamm
Beschluß vom 6.Juli 2005
Az.: 2 Ss OWi 177/05

Zum Sachverhalt:
 
Das AG hat gegen den Betr. wegen Verstoßes gegen das Handy-Verbot im Straßenverkehr eine Geldbuße in Höhe von 50 Euro verhängt. Der Antrag des Betr. auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde als unbegründet verworfen.

Aus den Gründen:
 
II. … Die Zulassung zur Fortbildung des formellen Rechts und zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung scheidet schon deshalb aus, weil der Betr. nur zu einer Geldbuße in Höhe von 50 Euro verurteilt worden ist (§ 80 II OWiG). Es war aber auch nicht geboten, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 I, II OWiG).
 
Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt vorliegend nicht zur Aufdeckung einer Rechtsfrage, die noch offen, zweifelhaft oder bestritten ist (Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rdnr. 3 m. w. Nachw). Das Vorbringen in dem Zulassungsantrag lässt eine solche Rechtsfrage nicht erkennen. Insbesondere ist der Wortlaut des § 23 I lit. a StVO nicht klärungsbedürftig.
 
Das AG hat unter anderem folgende Feststellungen getroffen:
 
„ … Am 19. 7. 2004 um 17.55 Uhr befuhr der Betr. die V-Straße in L. in Fahrtrichtung K. mit dem Pkw … Er hatte zu diesem Zeitpunkt sein Mobiltelefon in der Hand und schaute auf das Display des Mobiltelefons … Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der geständigen Einlassung des Betr. Dieser erklärte, er habe zum Tatzeitpunkt kein Telefonat geführt, sondern lediglich die Uhrzeit auf dem Display des Mobiltelefons abgelesen. Dazu habe er das Gerät in die Hand genommen.“
 
Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 23 I lit. a StVO. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er „hierfür das Mobiltelefon aufnimmt oder hält“. Zur Auslegung des Begriffs „Benutzung“ im Sinne dieser Vorschrift hat der erkennende Senat bereits in seinem Beschluss vom 25. 11. 2002 (NJW 2003, 912 = NZV 2003, 98) ausgeführt, dass nicht differenziert wird, auf welche Weise das Mobiltelefon benutzt wird. Es ist vielmehr jegliche Nutzung untersagt, bei der das Mobiltelefon in der Hand gehalten wird. Ziel des Gesetzgebers war es zu gewährleisten, „dass der Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobil- oder Autotelefons beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat. Die Benutzung des Mobiltelefons schließt daher neben dem Gespräch im öffentlichen Fernnetz sämtliche Bedienfunktionen wie das Anwählen, die Versendung von Kurznachrichten oder das Abrufen von Daten im Internet etc. ein. Der Fahrzeugführer darf das Mobil- oder Autotelefon benutzen, wenn er dazu das Telefon oder den Telefonhörer nicht aufnehmen oder halten muss“ (Begr. zur ÄnderungsVO v. 11. 12. 2000, VerkBl 2001, 8).
 
Unter den Begriff der „Benutzung“ i.S. des § 23 I lit. a StVO fällt demzufolge auch die Nutzung eines Mobiltelefons als „Organisator“, wenn es dabei in die Hand genommen wird. Davon erfasst wird auch das vorliegende Ablesen der Uhrzeit vom Display des Mobiltelefons. Auch hierbei handelt es sich um eine „Handhabung bei der Bedienung des Geräts". Entscheidend ist, dass der Betr. das Handy aufgenommen hat und „nicht beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hatte". Gerade dies wollte der Gesetzgeber verhindern, so dass die durch das AG vorgenommene Auslegung der gesetzgeberischen Intention bei Einführung der neuen Vorschrift entspricht, die gerade im Hinblick darauf erfolgt ist, die mit der Bedienung eines Mobiltelefons verbundenen Gefahren auf ein hinnehmbares Maß zu reduzieren. Soweit der Betr. das Ablesen der Uhrzeit vom Display des Mobiltelefons mit dem Ablesen der Uhrzeit von dem Ziffernblatt einer am Handgelenk getragenen Uhr gleichstellen will, ist dieser Vergleich nicht zutreffend. Von Letzterem gehen die beschriebenen Gefahren gerade nicht aus, da die Hände hierzu am Lenkrad verbleiben können.

Pflichtverletzung beim Überfahren einer roten Ampel bei Verlassen auf den Vordermann

Verlässt sich ein Kfz-führer bei der Annäherung an eine Lichtzeichenanlage auf das Verhalten bzw. die Einschätzung seines Vordermannes und überfährt deshalb das schon mehr als eine Sekunde andauernde Rotlicht, so handelt es sich nicht um ein bloßes Augenblicksversagen, sondern um eine gravierende Pflichtverletzung, die die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigt.

BayObLG
Urteil vom 27.Juli 2004
Az.: 1 ObOWi 310/04

Falsch platzierter Getränkebecherhalter im Fahrzeug als Konstruktionsfehler

Bei der Konstruktion bzw. Plazierung eines Getränkebecherhalters in einem Kfz muss der Hersteller darauf achten, dass keine empfindlichen Bedienteile unter dem Becherhalter angebracht sind oder die Bedienteile durch heruntertropfende / überschwappende Flüssigkeit nicht beschädigt werden können.

Ist der Getränkebecherhalter jedoch in solch einer Konstruktion im Fahrzeug vorhanden oder fehlt sie ganz, ist von einem Eigenverschulden des Fahrzeugbenutzers nur auszugehen, wenn er auf die Gefahr der Beschädigung hingewiesen wurde.

LG Köln
Urteil vom 23. Februar 2005
Az.: 10 S 273/04

Zum Sachverhalt:

Der Kl. erwarb im Jahre 2001 einen Pkw des Typs A, der am 15. 6. 2000 erstzugelassen worden war. Für das Fahrzeug bestand ein B-Garantie-Schutzbrief, welcher vom Erstkäufer unter dem 15. 10. 2001 abgeschlossen worden war. Der B-Garantie-Schutzbrief erstreckte sich auf das zweite und dritte Jahr nach Gewährleistungsbeginn (15. 6. 2000) bis maximal 50000 km Gesamtfahrleistung. Im November 2001 trat am Klimaanlagenmodul des kl. Fahrzeugs ein Defekt dergestalt auf, dass die einzelnen Druckknöpfe nicht mehr betätigt werden konnten und die gesamte Klimaregelung nicht mehr funktionierte. Bei einem Kilometerstand des Pkw von 18566 wurde das Klimaanlagenmodul ausgetauscht, wodurch Kosten gemäß Rechnung der Firma C-GmbH & Co. KG vom 17. 12. 2001 in Höhe von insgesamt 712,25 Euro entstanden. Ein von der Werkstatt gestellter Garantieantrag wurde von der Bekl. abgelehnt. Der Kl. nimmt die Bekl. auf Erstattung der Austauschkosten aus dem Garantie-Schutzbrief in Anspruch.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

Die Bekl. haftet nach dem vom Erstkäufer des Pkw am 15. 10. 2001 erworbenen und auf den Kl. übertragenen B-Garantie-Schutzbrief für den im November 2001 aufgetretenen Defekt am Klimaanlagenmodul des kl. Fahrzeugs und ist dem Kl. daher zum Ersatz der ihm entstandenen Kosten für den Austausch des Klimaanlagenmoduls in Höhe von 712,25 Euro verpflichtet.

Wie das AG auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigenbüros � zutreffend festgestellt hat, beruhte der Defekt an der Klimaanlage des kl. Pkw nicht auf einem Material- oder Herstellungsfehler des Klimaanlagenmoduls selbst, sondern darauf, dass von außen Flüssigkeit auf das Klimaanlagenbedienteil gelaufen und in das Bedienteil eingedrungen war, die nach dem Austrocknen klebrige Rückstände hinterlassen und zur Funktionsuntüchtigkeit des Bedienteils geführt hat.

Für den infolge der eingedrungenen Flüssigkeit entstandenen Defekt des Klimaanlagenbedienteils ist die Bekl. gleichwohl unter dem Gesichtspunkt einer fehlerhaften Konstruktion des Pkw des Kl. verantwortlich. Denn sie hat diesen Pkw über dem Klimaanlagenbedienteil und dem darüber befindlichen Radiogerät mit zwei ausziehbaren Getränkebecherhaltern ausgestattet. Nach den Feststellungen des Sachverständigen, wonach überwiegend die linken Bedienknöpfe im Fahrzeug des Kl. verklebt waren, steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass Flüssigkeit aus einem in dem linken dieser Getränkebecherhalter befindlichen Becher von außen auf das Klimaanlagenbedienteil gelaufen und in dieses eingedrungen ist.

Nach Auffassung der Kammer stellt es aber einen Konstruktionsfehler dar, wenn Getränkebecherhalter in Fahrzeugen so angebracht sind, dass ein darunter liegendes Bedienteil für die Klimaanlage durch überschwappende oder herunterlaufende zuckerhaltige Getränke beschädigt wird. In einem fahrenden Auto ist es nämlich selbst bei größter Sorgfalt nicht in jedem Fall zu vermeiden, dass Flüssigkeit, die in einem im Auto abgestellten Becher transportiert wird, überschwappt. Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung des AG, dass es in erster Linie der Sorgfalt des Benutzers eines Getränkebecherhalters obliegt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass keine Flüssigkeit aus den in der Halterung abgestellten Bechern in das Klimaanlagenbedienteil gelangt. Denn ein Autofahrer, der – wie vorliegend – in der Bedienungsanleitung seines Fahrzeugs darauf hingewiesen wird, dass er – um Verbrühungen zu vermeiden – keine Heißgetränke benutzen darf, darf – da nur bei überschwappenden Heißgetränken die Gefahr von Verletzungen besteht – im Umkehrschluss darauf vertrauen, dass überschwappende Kaltgetränke unproblematisch auch während der Fahrt in den Becherhaltern transportiert werden können. Insbesondere drängt sich dem technisch nicht geschulten Verbraucher unter diesen Umständen nicht die Notwendigkeit der Verwendung eines Deckels für die in der Halterung abgestellten Getränkebecher auf. Ein Becherhalter in einem Fahrzeug muss daher vom Hersteller des Autos so konstruiert bzw. platziert werden, dass entweder keine empfindlichen Bedienteile unterhalb des Becherhalters angebracht werden oder aber die Bedienteile durch herabtropfende oder überschwappende Flüssigkeit nicht beschädigt werden können. Fehlt es an einer solchen Konstruktion, ist von einem Eigenverschulden des Fahrzeugbenutzers nur auszugehen, wenn er in geeigneter Form auf die Gefahr der Beschädigung des Klimaanlagenbedienteils durch überschwappende Flüssigkeit hingewiesen worden ist, so dass sich ihm die Verwendung von Becherdeckeln aufdrängen musste.

Da nach den Feststellungen des Sachverständigen davon auszugehen ist, dass von dem linken Getränkehalter Flüssigkeit in das Klimaanlagenbedienteil gelaufen ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die vom Sachverständigen festgestellten Verklebungen des Klimaanlagenmoduls auf den oben beschriebenen Konstruktionsfehler zurückzuführen sind. Danach ist die Bekl. beweispflichtig dafür, dass sich dieser Fehler in concreto nicht ausgewirkt hat. Hierzu hat die Bekl. nicht substanziiert vorgetragen. Insbesondere das bloße Bestreiten der Behauptung mit Nichtwissen, dass sich der Trinkbecher in der Halterung befunden hat, reicht insoweit nicht aus.

Die Voraussetzungen für eine Haftung der Bekl. nach dem vom Erstkäufer des kl. Pkw erworbenen und auf den Kl. übertragenen B-Garantie-Schutzbrief sind erfüllt �

Da der Kl. das defekte Klimaanlagenmodul durch einen B-Vertragshändler bereits hatte austauschen lassen, bevor er den Garantieanspruch gegenüber der Bekl. geltend gemacht hat, ist die Bekl. dem Kl. zum Ersatz der diesem für den Austausch in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet.

Fehlerhafter Türschluss bei Kleinwagen kein den Rücktritt vom Kaufvertrag rechtfertigender Mangel

Schließen bei einem Kleinwagen – wie bei sämtlichen Fahrzeugen des entsprechenden Typs, nicht aber bei vergleichbaren Fahrzeugen anderer Hersteller – die beiden Seitentüren nicht bündig, sondern mit einem optisch kaum wahrnehmbaren Versatz von 1,7 bzw. 1,8 mm zur angrenzenden Karosserie ab, ohne dass dies den Türschluss als solchen beeinträchtigt, so liegt hierin, selbst wenn dieser Versatz durch eine Änderung der Türeinstellung nicht beseitigt werden kann, kein den Rücktritt vom Neuwagenkaufvertrag rechtfertigender erheblicher Mangel.

OLG Düsseldorf
Urteil vom 8. Juni 2005
Az: I-3 U 12/04

Zum Sachverhalt:

Der Kl. verlangt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen zweitürigen Pkw P 1,4 l. Dieses Fahrzeug kaufte der Kl. von der Bekl. als Neuwagen mit Vertrag vom 24. 1. 2003 zu einem Preis von 15200 Euro. Die Übergabe erfolgte am selben Tag. Der Kl. rügte gegenüber der Bekl., die Seitentüren schlössen nicht bündig. Daraufhin wurden von einer Drittfirma, der Firma W, zweimal Arbeiten an den Türen durchgeführt, um einen bündigen Abschluss zu erreichen. Der Kl. hat zu den Türen zunächst vorgetragen, diese stünden im Verhältnis zur seitlichen Wagenfront deutlich sichtbar auf. Hinsichtlich der fehlenden Bündigkeit der Türen hat der Kl. sodann behauptet, bei beiden Türen, vor allem bei der Beifahrertür, habe sich der Mangel so dargestellt, dass speziell im unteren Bereich des Türblatts dieses quasi in die Karosserie hineingelaufen sei, so dass von vorne betrachtet die Kante des hinteren Kotflügels deutlich erkennbar gewesen sei. Dies sei ihm dadurch aufgefallen, dass Schmutzanhaftungen an den hinteren Kotflügeln vermehrt und deutlich sichtbar gewesen seien, was auf eine starke Luftverwirbelung in diesem Bereich hingedeutet habe. Nach den ersten Einstellarbeiten durch die Firma W sei die Karosseriebündigkeit im unteren Teil zwar etwas besser gewesen, jedoch hätten die Türen im oberen Bereich aus der Karosserie heraus gestanden. Auch durch die weiteren Verstell- bzw. Einstellarbeiten der Firma W sei eine Karosseriebündigkeit der Türen nicht erzielt worden, vielmehr funktioniere der Türschluss nun nicht mehr ordnungsgemäß. Darüber hinaus lägen die Dichtungen im Bereich des Türrahmens nicht mehr an der Tür an, was zu deutlichen Fahrt- und Windgeräuschen im Wageninneren führe.

Das LG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

I. Ein hier allein in Betracht kommender Anspruch aus § 346 I i.V. mit §§ 434 I, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs steht dem Kl. nicht zu. Die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt des Kl. sind nicht gegeben.

1. Zunächst weist das klägerische Fahrzeug keinen Mangel nach § 434 I 1 BGB auf. Der Kl. legt nicht dar, dass zur Bündigkeit der Türen mit den angrenzenden Karosserieteilen, deren Fehlen er mit der Berufung allein noch als Mangel rügt, zwischen den Parteien ausdrücklich etwas vereinbart worden ist. Wenn er geltend macht, bei der heutigen Fertigungstechnik und den von den Herstellern generell herausgestellten hohen Qualitätsansprüchen könne die Karosseriebündigkeit als grundlegende Vereinbarung in einem Kfz-Kaufvertrag angesehen werden, behauptet er keine entsprechende Vereinbarung i.S. des § 434 I 1 BGB. Hierfür ist es nämlich erforderlich, dass eine bestimmte Vereinbarung zu der Beschaffenheit zwischen den Parteien tatsächlich getroffen wurde. Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung muss zwar nicht in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, vielmehr genügen etwa Angaben auf einem an dem zum Verkauf stehenden Pkw angebrachten Schild, jedoch kann nicht einfach die normale Beschaffenheit als vereinbart unterstellt werden, etwa im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung. Denn sonst würde § 434 I 2 BGB jeder Bedeutung beraubt, und die dort niedergelegten Kriterien könnten umgangen werden (Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, Stand: April 2004, § 434 Rdnr. 40). Damit behauptet der Kl. mit seinem Vortrag, der bündige Anschluss der Türen sei als grundlegende Vereinbarung anzusehen, nur, dass dies zur üblichen Beschaffenheit eines Neuwagens gehöre.

2. Das klägerische Fahrzeug ist auch nicht etwa deshalb mangelhaft, weil es von anderen Fahrzeugen seines Typs abweicht. Gemessen am Stand der Serie, der ein Neufahrzeug angehört, muss es gem. § 243 I BGB von mittlerer Art und Güte sein (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rdnr. 188). Das ist bei dem vom Kl. erworbenen Fahrzeug der Fall. Aus dem Sachverständigengutachten ergibt sich, dass sämtliche untersuchten Fahrzeuge dieses Typs ähnliche, überwiegend sogar größere Überstände aufweisen. Somit hat dieser Überstand auch nicht zur Folge, dass der Pkw des Kl. als Gebrauchtwagen einen Wertverlust gegenüber anderen Fahrzeugen dieses Typs erleidet. Soweit der Kl. geltend macht, die Prospektdarstellung des Herstellerwerks sehe den nicht bündigen Anschluss der Türen als konstruktives Merkmal nicht vor, ist sein Vorbringen nicht entscheidungserheblich. Zwar gehören Angaben des Herstellers zu den Eigenschaften des Produkts nach § 434 I 3 BGB zur Beschaffenheit gemäß Satz 2 Nr. 2 dieser Vorschrift, jedoch lässt sich dem Vortrag des Kl. nicht entnehmen, dass in den Prospekten des Herstellers bestimmte, vom Zustand des klägerischen Fahrzeugs abweichende Angaben gemacht worden sind. Ebenso wenig hat der Kl. vorgetragen, dass die Türen der in den Prospekten abgebildeten Fahrzeuge anders als bei seinem Pkw vollständig bündig eingebaut sind.

3. Es kann offen bleiben, ob der vom Kl. gekaufte Pkw deshalb nicht die übliche Beschaffenheit aufweist, weil die Seitentüren bei vergleichbaren Kleinwagen anderer Hersteller vollständig bündig schließen. Selbst wenn dies so sein sollte, wäre der vom Kl. gerügte fehlerhafte Türschluss als unerheblich einzustufen, so dass ein Rücktritt vom Vertrag nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen wäre.

a) Auszugehen ist hierbei davon, dass für die Feststellung, ob eine Kaufsache die übliche Beschaffenheit aufweist, auf das redliche und vernünftige Verhalten eines Durchschnittskäufers abzustellen ist. Dieser Beurteilungsmaßstab schließt überzogene Qualitätsanforderungen ebenso aus wie ein unter dem Durchschnitt liegendes Qualitätsniveau. Vergleichsmaßstab sind Sachen der gleichen Art wie die Kaufsache. Danach muss ein Neuwagen nach Typ, Ausstattung, Preis usw. an seinesgleichen gemessen werden. So darf ein Fahrzeug der Oberklasse nicht mit einem preiswerten Kleinwagen verglichen werden (Reinking/Eggert, Rdnr. 188). Dieser Vergleich ist nicht auf die Serie des betroffenen Fahrzeugtyps zu beschränken, so dass es nicht entscheidend sein kann, ob sich der gekaufte Wagen innerhalb der Fertigungstoleranzen eines bestimmten Typs eines bestimmten Herstellers befindet. Maßgebend ist vielmehr der Entwicklungsstand aller in dieser Fahrzeugklasse vergleichbaren Kraftfahrzeuge (OLG Oldenburg, DAR 2000, 219; OLG Düsseldorf [22. ZS], NJW-RR 1997, 1211; OLG Köln, NJW-RR 1991, 1340 [1341]). Eine Beschränkung der Gewährleistung auf den Standard des Herstellers für sein Produkt würde demgegenüber bedeuten, dass für Konstruktions- oder Fertigungsfehler einer ganzen Serie keine Gewährleistung geleistet werden müsste (OLG Köln, NJW-RR 1991, 1340 [1841]).

b) Selbst wenn nach diesen Grundsätzen die verkaufte Sache einen Sachmangel aufweist, der Verkäufer die Leistung also nicht vertragsgemäß erbracht hat, ist nach § 323 V 2 BGB ein Rücktrittsrecht ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung des Verkäufers nur unerheblich ist. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht auf einen Verstoß gegen Verhaltenspflichten und dessen Erheblichkeit an, sondern nur auf die objektive Störung, also den Mangel (Ernst, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 323 Rdnr. 243). Wenn dieser Mangel unerheblich ist, so besteht kein Rücktrittsrecht (Westermann, in: MünchKomm, § 437 Rdnr. 11). Um die Unerheblichkeit eines Mangels annehmen zu können, ist es nicht erforderlich, dass der Mangel mit geringem Aufwand beseitigt werden kann. Denn auch wenn relativ geringe Reparaturkosten dafür sprechen, dass ein Mangel unerheblich ist (Senat, NJW-RR 2004, 1060), so ist dies nicht das einzige Kriterium. Auch Mängel, die nicht beseitigt werden können, sind dann unerheblich, wenn es sich um Bagatellen handelt, die nur zu einer allenfalls äußerst geringfügigen optischen Beeinträchtigung führen und keinerlei Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit zur Folge haben. Auch in diesen Fällen sind die Schadensersatz- und Minderungsansprüche zur Wahrung der Interessen des Käufers ausreichend. Strittig bei der Festlegung der Erheblichkeitsschwelle ist, ob diese anzusetzen ist wie bei § 459 I BGB a.F. (so Faust, in: Bamberger/Roth, § 437 Rdnr. 26) oder aber deutlich höher liegt (so Ernst, in: MünchKomm, § 323 Rdnr. 243).

c) Auf dieser Grundlage ist auch nach den strengeren Anforderungen des § 459 I BGB a.F. der vom Kl. gerügte fehlerhafte Türschluss als unerheblich einzustufen. Die vom Sachverständigen ermittelten geringfügigen Überstände der Seitenwandvorderkante/Stirnseite des Fahrzeugs gegenüber der Türkante (1,7 und 1,8 mm) und die Überstände der Türrahmen sind so unbedeutend, dass sie von einem Durchschnittskäufer allenfalls als ein geringfügiger Mangel angesehen werden. Die im Gutachten enthaltenen Lichtbilder zeigen, dass diese Überstände optisch nahezu gar nicht auffallen und nur bei genauester Betrachtung wahrgenommen werden können. So hat denn auch der Kl. den ursprünglich von ihm gerügten Überstand, der dann durch die Arbeiten der Firma W noch verringert wurde, nicht etwa sofort bei der Übergabe des Fahrzeugs erkannt und gerügt, sondern erst deutlich später, woraufhin am 18. 3. 2003, also mehr als sieben Wochen nach der Übergabe, die Firma W erstmals Einstellungsarbeiten an den Türen vorgenommen hat. Hierbei hat der Kl. nach eigenem Vortrag den Überstand auch nicht direkt bemerkt. Er macht vielmehr geltend, der nicht bündige Anschluss der Türen sei ihm nur dadurch aufgefallen, dass die Schmutzanhaftungen am hinteren Kotflügel vermehrt und deutlich sichtbar gewesen seien, was auf eine starke Verwirbelung in diesem Bereich zurückzuführen sei. Diese minimale optische Beeinträchtigung, die keinerlei weiteren Folgen hat, also weder zu einer Schwergängigkeit der Türen führt noch dazu, dass diese nicht vollständig an den Türdichtungen anliegen, was erstinstanzlich noch gerügt worden ist, stellt bei einem Kleinwagen allenfalls einen unbedeutenden Mangel dar. Selbst wenn andere Fahrzeuge dieser Klasse einen bündigen Türanschluss aufweisen sollten, wäre die Abweichung des Pkw P von diesem Standard so gering, dass eine vollständige Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht gerechtfertigt wäre.

(Mitgeteilt vom 3. Zivilsenat des OLG Düsseldorf)

Auf Privatanwesen abgestelltes Kfz nicht „in Betrieb“

Ein auf einem Privatparkplatz abgestelltes Fahrzeug ist nicht mehr "im Betrieb" i.S. der §§ 7, 18 StVG. Eine Haftung besteht weder nach diesen Vorschriften noch nach allgemeinen Deliktsrecht, wenn eine an einem Haus angebrachte, automatisch gesteuerte Sonnenmarkise wetterbedingt ausfährt, auf den Alkoven eines auf einem Privatgelände geparkten Wohnmobils auftrifft und dadurch Schaden erleidet.

OLG Karlsruhe
Urteil vom 29. Juni 2005
Az: 1 U 247/04


Zum Sachverhalt:

Der Kl., Eigentümer eines Anwesens, verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung einer an seinem Haus angebrachten Markise. Der Bekl. zu 1 stellte am Abend des 1. 9. 2003 ein – von der Zweitbekl. angemietetes – Wohnmobil auf einem Privatparkplatz vor dem Haus des Kl.ab. Er hatte zuvor den Pächter der Erdgeschossräume, den Zeugen S, der dort eine Kunstgalerie betreibt, telefonisch um Erlaubnis gefragt und diese erhalten. Am nächsten Morgen fuhr die über dem Schaufenster der Galerieräume montierte Markise auf Grund der Sonneneinstrahlung automatisch aus und traf auf den Alkoven des geparkten Wohnmobils. Während dieses keine Schäden erlitt, wurde die Markise erheblich beschädigt.

Im ersten Rechtszug wurde die Klage gegen den erstbekl. Fahrer, die zweitbekl. Halterin und den drittbekl. Haftpflichtversicherer des Wohnmobils gerichtet. Das LG hat der Klage gegen den Bekl. zu 1 stattgegeben. Ansprüche gegen die Bekl. zu 2 und 3 seien nicht gegeben, da die Beschädigung nicht beim Betrieb eines Fahrzeugs erfolgt sei. Die Berufung des Bekl. zu 1 hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Der Kl. hat gegen den Bekl. zu 1 keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB. Den Bekl. zu 1 trifft kein Verschulden an der Beschädigung der Markise.
a) Nach § 276 BGB hat derjenige für einen verursachten Schaden einzustehen, der entweder vorsätzlich oder fahrlässig handelte. Ein vorsätzliches Verhalten des Bekl. zu 1 scheidet von vornherein aus. Dem Bekl. zu 1 ist aber auch kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen. Fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dabei gilt im Zivilrecht kein individueller, sondern ein auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteter objektiver Sorgfaltsmaßstab (vgl. BGH, NJW 2000, 2812). Maßstab für das Verschulden ist, welche Sorgfalt von einem Handelnden in der Lage des Bekl. zu 1 erwartet werden konnte. Welches Verhalten im Konkreten verlangt werden kann, bestimmt sich nach dem Maß von Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises, hier also eines ein Wohnmobil auf einem Privatparkplatz abstellenden Fahrers, zu fordern ist (vgl. BGH, NJW 1972, 151).
b) Der Bekl. zu 1 hat vor dem Abstellen seines Wohnmobils den nutzungsberechtigten Zeugen S um Erlaubnis gefragt. Dieser Zeuge, der einen Teil der Kosten der Markise bei deren Erstmontage im Jahr 2002 getragen hatte, hat dem Bekl. zu 1 das Parken ausdrücklich gestattet. Er hat keinen Hinweis auf die ihm bekannte wetterbedingte Ausfahrautomatik der Markise und eine daraus folgende Kollisionsgefahr erteilt. Am Haus befand sich auch kein Warnhinweis auf die sich selbst bewegende Markise. Ohne eine solche Warnung braucht im Allgemeinen niemand damit zu rechnen,dass der Ausfahrvorgang automatisch erfolgt und deshalb bei dem Parken vor dem Haus ein größerer Abstand zu wahren ist. Automatisch sich nach der Wetterlage regulierende Sonnenschutzeinrichtungen sind nicht so weit verbreitet, dass von jedermann verlangt werden könnte, mit deren Vorhandensein zu rechnen.
c) Entgegen der Ansicht des Kl. musste der Bekl. zu 1 auch nicht auf Grund seiner Mieterstellung im kl. Haus wissen, dass die Markise automatisch ein- und ausfuhr. Ihn trifft keine Beobachtungspflicht hinsichtlich der vom Zeugen S betriebenen Galerie. Er musste daher auch nicht bemerken, auf welche Weise die Markise bewegt wurde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es für einen Außenstehenden, wie den Bekl. zu 1, nicht erkennbar ist, ob die Markise beim Ausfahren sich selbst bewegt oder ob möglicherweise jemand im Innern diesen Vorgang mittels eines Schalters steuert.
2. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Bekl. zu 1 besteht auch nicht nach § 18 StVG. Eine Einstandspflicht scheitert – ungeachtet der Verschuldensfrage – schon daran, dass der Schaden, wie das LG mit zutreffender Begründung der – inzwischen rechtskräftigen – Abweisung der gegen die zweitbekl. Halterin und den drittbekl. Pflichtversicherer gerichteten Ansprüche aus § 7 StVG, § 3 PflVG ausgeführt hat, nicht beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs eingetreten ist. Allerdings ist das Haftungsmerkmal �bei dem Betrieb� entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 I StVG umfasst daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (vgl. BGHZ 105, 65 [66] = NJW 1988, 3019; BGHZ 107, 359 [366] = NJW 1989, 2616; BGHZ 115, 84 [86] = NJW 1991, 2568; BGH, NVwZ-RR 2005, 381 = VersR 2005, 566 [567]). Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. An diesem erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (BGH, NJW 2005, 2081 m.w. Nachw.).
Ansprüche nach dem Straßenverkehrsgesetz sind nur dann gegeben, wenn sich bei dem Schaden die spezifischen Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs ausgewirkt haben (vgl. dazu Wussow/Baur, UnfallhaftpflichtR, 15. Aufl., Kap. 17 Tz. 6 m.w. Nachw.; vgl. auch BGH, NJW 2005, 2081m.w. Nachw.). Zwar kann ein sich im Verkehrsraum befindendes Kraftfahrzeug (oder ein Anhänger) noch dem Schutzbereich des § 7 StVG unterfallen. So gelten beispielsweise ordnungswidrig im Verkehrsraum abgestellte Fahrzeuge (z.B. unerlaubt in der zweiten Reihe oder auf der falschen Seite haltend oder in eine Fahrbahn hineinragend) als �im Betrieb� (vgl. Hentschel, StraßenverkehrsR, 37. Aufl., § 7 StVG Rdnr. 5 m.w. Nachw.; OLG Karlsruhe, NZV 1990,189). Mit dem verkehrsmäßig ordnungsgemäßen Abstellen eines Kraftfahrzeugs auf einem Privatgrundstück endet jedoch der Betrieb (vgl. Geigel/Kunschert, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Rdnr. 56 m.w. Nachw.). Der Erstbekl. hat das Wohnmobil am späten Abend des 1. 9. 2003 von der öffentlichen Straße entfernt und vollständig auf dem Privatgrundstück des Kl. abgestellt. Als in den Morgenstunden des 2. 9. die Markise ausfuhr, parkte das Fahrzeug dort noch immer bei abgestelltem Motor.

Motorrad als Neufahrzeug

Die Grundsätze für die Einordnung eines Fahrzeuges als "neues" Fahrzeug, die von der Rechtsprechung für Autos entwickelt wurden, gelten auch für Motorräder. Ist das Motorrad in diesem Sinne nicht mehr neu, kann der Käufer die gesetzlichen Gewährleistungsrechte geltend machen. (hier für ein Motorrad, das 16 Monate vor der Auslieferung hergestellt, aber als "neu" verkauft worden war).

LG Berlin, Urteil vom 12. 8. 2004 – 18 O 452/03

Dem Kl. steht gegenüber der Bekl. als Rechtsnachfolgerin der BMW T-GmbH ein Anspruch auf Zahlung in aus dem Urteilstenor ersichtlicher Höhe Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Motorrads sowie Herausgabe sämtlicher Fahrzeugpapiere und Fahrzeugschlüssel aus § 346 I BGB zu, da die Voraussetzungen des Rücktritts gem. §§ 437 Nr. 2, 440, 434 I 2 Nr. 2, 323 BGB vorliegen.

1.1. Der Kl. erwarb von der Rechtsvorgängerin der Bekl. mit Kaufvertrag vom 13./28. 3. 2002 das streitgegenständliche Motorrad. Der Kl. ist auch Eigentümer dieses Fahrzeugs. …

1.2. Das vom Kl. erworbene Motorrad ist mangelbehaftet. Die Lagerung des Motorrads über 16 Monate vor der Auslieferung an den Kl. stellt einen Mangel i.S. des § 434 I 2 Nr. 2 dar.

Nach dem Wortlaut der Bestellung vom 13. 3. 2002 („neues zweirädriges Kraftfahrzeug“) sowie der Lieferbestätigung vom 28. 3. 2002 („Neufahrzeug“) schuldete die Rechtsvorgängerin der Bekl. dem Kl. die Lieferung und Übereignung eines Neufahrzeugs.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH zum Verkauf von Pkw liegt im Verkauf eines Neuwagens durch einen Kraftfahrzeughändler in der Regel die konkludente Zusicherung, dass das verkaufte Fahrzeug „fabrikneu“ ist (BGH, NJW 2000, 2018; NJW 1980, 2127). Ein unbenutztes Kraftfahrzeug ist regelmäßig noch fabrikneu, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (BGH, NJW 2004, 160). Zu begründen ist dies mit der Tatsache, dass jedes Kraftfahrzeug einem Alterungsprozess unterliegt, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs einsetzt. Grundsätzlich verschlechtert sich der Zustand eines Fahrzeugs durch Zeitablauf auf Grund von Materialermüdung, Oxydation und anderen physikalischen Veränderungen. Selbst eine Aufbewahrung unter optimalen Bedingungen vermag dies nur zu verlangsamen, aber nicht zu verhindern (BGH, NJW 2004, 160 [161]).

Der durch die Bekl. geltend gemachten Unterscheidung zwischen Personenkraftwagen und Motorrädern vermag sich das Gericht angesichts der Übertragung dieser Grundsätze auf jedes Kraftfahrzeug durch den BGH nicht anzuschließen. Somit sind auch Motorräder erfasst, zumal die von der Bekl. geltend gemachte Lagerungsmethode die typischen Alterungsprozesse durch Materialermüdung nicht aufzuhalten vermag. Die Bekl. trägt mit der Darlegung der üblichen Lager- und Überführungsmethoden für zweirädrige Kraftfahrzeuge vom Typ BMW aber auch substanziiert keine Tatsachen für die Annahme einer Ausnahme vom Regelfall, dass bei einer Lagerzeit von mehr als zwölf Monaten eine „Fabrikneuheit“ eines Kraftfahrzeugs nicht mehr gegeben ist, in dem hier zu entscheidenden Fall vor, da sie nicht im Einzelnen dartut, wie bei dem hier streitgengenständlichen Fahrzeug die Überführung und Lagerung geschehen sein sollen.

Auf die Frage, ob der Kl. durch den Verkaufsberater der Rechtsvorgängerin der Bekl. darüber aufgeklärt worden ist, woher das Motorrad bezogen wurde, wie lange es bereits lagerte und dass es sich nicht um ein unmittelbar durch die BMW-AG neu hergestelltes Fahrzeug handelt, kommt es dabei nicht an. Denn der Kl. durfte angesichts des Verkaufs als Neufahrzeug davon ausgehen, dass das ihm gelieferte Motorrad nicht länger als zwölf Monate zwischengelagert worden war.

Auch der Vortrag der Bekl., dass das streitgegenständliche Modell des Krades erst ab April 2001 durch die Vertragshändler der BMW-AG hätte verkauft werden dürfen, ist unerheblich, da dies keinen Einfluss auf den Beginn der Zwölf-Monats-Frist hat, nach der ein Kraftfahrzeug nicht mehr als fabrikneu gilt. Der spätere Verkaufszeitpunkt ist insoweit dem jeweiligen Werk und damit der Verkäuferseite zuzurechnen, die dadurch ein höheres Risiko auf sich nimmt, innerhalb von zwölf Monaten seit Herstellung nicht alle produzierten Kraftwagen als „neuwertig“ verkaufen zu können. Ansonsten konnte ein Kraftfahrzeughersteller durch beliebige Verschiebung von Erstverkaufsdaten die Gewährleistungsrechte der Käufer auf Grund von möglicher Materialermüdung umgehen. Eben diese setzt jedoch unanhängig von dem durch den Hersteller festgesetzten Erstverkaufszeitpunkt ein.

Auch ist für die Annahme eines Mangels irrelevant, dass der Kl. nicht versucht hat, das Fahrzeug bei der Bekl. in Zahlung zu geben und dort den Preis für ein tatsächlich fabrikneues Fahrzeug zu erhalten. Bei einem Mangel handelt es sich insoweit um eine objektive Gegebenheit, die nicht davon abhängig ist, ob Dritte sie als solche ansehen oder trotz des Mangels noch bereit sind, für die Kaufsache eine bestimmte Summe aufzubringen.

Unfallersatztarif: Keine Darlegung der Preiskalkulation durch Geschädigten

Mit einer ganzen Reihe von Urteilen hat der Bundesgerichtshof erst in jüngster Zeit die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall klargestellt.

Daß die von ihm geforderte Darlegung der Kalkulationsansätze für den Geschädigten regelmäßig schwierig ist, hat jetzt das Amtsgericht Chemnitz veranlaßt, der Rechtsprechung des BGH eine klare Absage zu erteilen. Das erleichtet dem Geschädigten die Geltendmachung der Mietwagenkosten ganz erheblich.

Allerdings erwähnt auch das Amtsgericht, daß selbst das ihm übergeordnete Landgericht dies anders sieht.

Es bleibt also abzuwarten, ob sich die Ansicht des Amtsgerichts Chemnitz überhaupt durchsetzen kann.

Amtsgericht Chemnitz, 21 C 5078/04 Urteil vom 12.5.2005

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat das Amtsgericht Chemnitz durch den Richter am Amtsgericht Bode aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2005
für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 844,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 16. Juli 2004 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger 1/5, die Beklagten 4/5 als Gesamtschuldner .

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteiles zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die jeweils andere Seite Sicherheit in Höhe von 120 % des vollstreckten Betrages leistet.
Wert des Verfahrens; 1.080,00 EUR

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 22. Juni 2004 gegen 10.45 Uhr in Chemnitz ereignet hat. Der Unfallhergang sowie die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig; im Streit stehen allein ausstehende Mietwagenkosten in Höhe von 1.079,96 EUR. Das klägerische Fahrzeug war zur Instandsetzung der Unfallschäden vom 28. Juli bis zum 09. August 2004 in der Werkstatt. Dabei ist der Reparaturauftrag am 29. Juni 2004 erteilt worden; der Gutachter hat am gleichen Tag das Fahrzeug besichtigt und am 30. Juni 2004 sein Gutachten erstellt; die Ersatzteillieferungen erfolgten vom 01. Juli 2004 bis zum 06. Juli 2004. Reparaturbeginn war der 28. Juli 2004, ausgeliefert worden ist das Fahrzeug an den Kläger am 09. August 2004.

Im Reparaturzeitraum hat der Kläger bei der Firma XXX Autovermietung ein Fahrzeug der Marke Audi A6 Avant TDI gemietet. Die Mietwagenfirma hat dem Kläger unter Abrechnung nach Klasse 7 nach EURO-Mobil 11/01 insgesamt für 13 Tage 2.120,48 EUR brutto in Rechnung gestellt. Die Beklagte zu 2 hat aus diesem Betrag bislang lediglich 1.040,52 EUR ausgeglichen. Der Restbetrag wird mit der Klage geltend gemacht.

Der Kläger behauptet, die Verzögerung in der Reparaturausführung ursprünglich war eine Rückgabe des Fahrzeuges am 06. August 2004 vereinbart gewesen – habe auf einer von ihm nicht zu vertretenden Verzögerung im Reparaturablauf der Werkstatt beruht.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 1.079,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 16. Juli 2004 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Kläger in Bezug auf die Reparaturdauer gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe. Der Unfall habe sich bereits im Juni 2004 ereignet; der Kläger habe sein Fahrzeug sodann am 28. Juli 2004 – einem Mittwoch – zur Reparatur gegeben. Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Kläger, um nicht Gefahr zu laufen, 2 Wochen in die Reparaturzeit fallen zu lassen, das Fahrzeug an einem Montag in die Werkstatt hätte bringen müssen. Die Beklagten haben weiter – unbestritten – vorgetragen, dass ein vergleichbares Fahrzeug für eine Anmietdauer von 13 Tagen zu einem Preis von 692,10 EUR im Normaltarif erhältlich gewesen wäre. Unter Bezugnahme auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind die Beklagten der Auffassung, dass es hinsichtlich des den ausgeglichenen Betrag überschießenden Teilbetrages an der Erforderlichkeit im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB fehle.
Wegen des weiteren Parteivortrages im Übrigen wird auf die vorbereitenden und zu den Akten gereichten Schriftsätze und ihre Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten umfang begründet. Die Beklagten schulden dem Kläger als Gesamtschuldner (§ 426 ff. BGB) den tenorierten Betrag aus §§ 7, 17, StVG, 823 Abs. l BGB, l, 3 PflVG.

Im Einzelnen:

1.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig; Einwendungen hiergegen sind nicht erhoben.

2.
Der Höhe nach hat sich der Kläger aufgrund einer Verletzung seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) so behandeln zu lassen, als habe er das Fahrzeug nur für 11 Tage angemietet.

a)
Zutreffend ist der Einwand der Beklagten, der Kläger wäre verpflichtet gewesen, zur Vermeidung eines – weiteren – Wochenendaufenthaltes seines Fahrzeuges in der Werkstatt dieses bereits an einem Montag, also etwa am 26. Juli 2004 oder 02. August 2004 in die Werkstatt zu verbringen. Auch unter Berücksichtigung einer hohen Auslastung der Werkstatt wäre in diesem Fall das Fahrzeug jedenfalls so repariert worden, dass nicht noch ein Wochenende hierüber hätte verstreichen müssen. Dies war für den Kläger bei Ablieferung des Fahrzeuges auch evident und für ihn unter Anwendung der ihm zumutbaren und möglichen Sorgfalt erkennbar. Es ist auch weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass es dem Kläger unmöglich gewesen wäre oder unzumutbare Schwierigkeiten bereitet hätte, so zu verfahren. Insbesondere ist unstreitig geblieben, dass der Reparaturzeitpunkt als solcher, da das Fahrzeug nach dem Verkehrsunfall weiterhin uneingeschränkt fahrbereit war, im Wesentlichen im Belieben des Klägers stand, der bei der Werkstatt deswegen auf einen anderen Einlieferungstermin hätte dringen können und müssen und die Terminsvorgabe der Werkstatt so nicht hätte hinnehmen dürfen.
b)
Dies vorangestellt sind von den Mietwagenkosten 2 Tage in Abzug zu bringen. Ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Unfallersatztarifliste der Autovermietung Czernig fallen in der gewählten Fahrzeugklasse für 11 Tage Mietkosten in Höhe von 1.625,00 EUR an. Zuzüglich der Mehrwertsteuer (260,00 EUR) ergibt sich ein Betrag in Höhe von 1.885,00 EUR. Eigenersparnis ist nicht abzuziehen, weil der Kläger unbestritten vorgetragen hat, dass sein Vertragspartner eine Typklasse niedriger abgerechnet hat.
Nachdem die Beklagten auf diesen Betrag unstreitig 1.040,52 EUR gezahlt haben, bleiben noch 844,48 EUR zur Zahlung fällig.

3 .
Mit ihren im Übrigen gegen die Klageforderung gerichteten Einwendungen vermögen die Beklagten nicht durchzudringen:

a)
Es entspricht seit langem der gefestigten Rechtsmeinung des erkennenden Gerichts, dass den Unfallgeschädigten nach einem Verkehrsunfall eine Erkundigungspflicht nach etwaigen, günstigeren Anbietern von Mietwagen nur dann trifft, wenn sich ihm aufgrund des an seinem Fahrzeug entstandenen Schadens – oder aufgrund anderer Umstände, etwa aufgrund eines Hinweises der Haftpflichtversicherung des Schädigers auf die besondere Problematik des Unfallersatzwagengeschäftes – evident aufdrängen muss, dass durch die Anmietung des von ihm zunächst beabsichtigten Fahrzeuges ein unverhältnismäßig hoher Schaden droht (vgl. Amtsgericht Chemnitz, Urteil vom 26. Februar 2003, 21 C 2967/02; Urteil vom 26. Februar 2004, 21 C 5032/03; Urteil vom 16. September 2004, 21 C 1309/04). Von dieser Auffassung abzuweichen, sieht das Gericht auch nach Überprüfung keinen Anlass.

Entscheidend bleibt für das erkennende Gericht, dass der durchschnittliche Unfallgeschädigte, der erstmals in seinem Leben mit einem Verkehrsunfall und dessen Folgen konfrontiert wird und der nicht über besondere Rechts- oder Marktkenntnisse verfügt, ohne weiteres davon ausgeht und ausgehen darf, dass sich im Mietwagenbereich – wie dies aus allen anderen Bereichen des Wirtschaftslebens bekannt ist – den Marktmechanismen entsprechende, zwischen allen Anbietern etwa vergleichbare Preise ergeben. Dass durch Inanspruchnahme eines Fahrzeuges eines bestimmten Anbieters ein unverhältnismäßiger hoher Schaden entstehen könnte bzw. er durch Anmietung eines Fahrzeuges eines anderen Anbieters einen wesentlich geringeren Schaden verursachen könnte, ist dem durchschnittlichen Unfallgeschädigten weder bekannt, noch von ihm ohne weiteres erkennbar. Deswegen muß sich dem durchschnittlichen Geschädigten ohne besondere Rechts- oder Marktkenntnisse eine Notwendigkeit oder gar Verpflichtung, vor der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges Preiserkundigungen bei mehreren Anbietern einzuziehen, nicht aufdrängen. Der gegenteiligen Auffassung auch des Landgerichts Chemnitz vermag sich das Gericht auch weiterhin nicht anzuschließen.

Das vorliegend dem Kläger die Mietwagenproblematik als solche – etwa aufgrund eines Hinweises der Beklagten zu 2 – bekannt gewesen war oder sich ihm anhand des Schadens an seinem Fahrzeug hätte aufdrängen müssen, dass ein unverhältnismäßiger hoher Schaden drohte, behaupten die Beklagten selbst nicht.

b)
Die von den Beklagten vertretene Auffassung, der Kläger hätte ein Fahrzeug zum Normaltarif anmieten können und sollen, erachtet das Gericht auch weiterhin als völlig abwegig. Es ist weder vorgetragen, noch für das Gericht auch nur ansatzweise erkennbar, dass ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall in der Lage wäre, ein Fahrzeug zum Normaltarif anzumieten:

Bei entsprechender Nachfrage ist er verpflichtet, dem Autovermieter wahrheitsgemäß Auskunft darüber zu erteilen, dass er ein Unfallersatzfahrzeug benötigt. Lügt er auf diese Frage hin, macht er sich seinem Vertragspartner gegenüber einer Vertragsverletzung schuldig, da dieser auf der Grundlage dieser Angabe seine Preisbildung kalkuliert. Insoweit setzt sich der Geschädigte, der den Autovermieter in diesem Punkt belügt, der Gefahr zivilrechtlicher Inanspruchnahme, unter Umstände sogar der Gefahr der Strafverfolgung aus. Dass es dem Geschädigten andererseits bei wahrheitsgemäßer Angabe der Tatsachen möglich sein könnte, gleichwohl ein Auto zum Normaltarif zu erhalten, erscheint dem Gericht neben jeglicher Lebensrealität zu liegen. Der Autovermieter, der Kenntnis von den tatsächlichen Umständen und mithin davon hat, dass es sich um ein Unfallersatzfahrzeug handelt, wird zu Normaltarifen mit ihm schlicht und einfach nicht kontrahieren.

c)
Nicht durchzudringen vermögen die Beklagten auch, soweit sie dem Kläger unter Bezugnahme auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ansinnen wollen, zu den kalkulatorischen und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen des Unfallersatzwagentarifes vorzutragen (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2004, VI 2R 151/03; vom 26. Oktober 2004 VI ZR 300/03 und zuletzt bestätigt durch Urteil vom 15. Februar 2005, VI ZR 160/04). Denn der diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsmeinung des Bundesgerichtshofes vermag sich das erkennende Gericht aus vielerlei Gründen nicht anzuschließen:

aa)
Bedenklich erscheint dem Gericht bereits, soweit der Bundesgerichtshof für die Frage der Erforderlichkeit im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB darauf abstellt, ob sich der geltend gemachte Schadensbetrag nach Marktmechanismen entwickelt, die von Angebot und Nachfrage bestimmt sind. Alle dem Gericht hierzu vorliegenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes lassen eine weiterführende, rechtliche Begründung des postulierten Zusammenhanges zwischen Erforderlichkeit im Sinne von § 249 Abs. l BGB und den Marktmechanismen vollständig vermissen.

Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als es aus Sicht des erkennenden Gerichtes doch gerade dem Schadensersatzrecht immanent ist, dass der Schädiger oftmals zur Schadensbeseitigung erforderliche Kosten zu ersetzen hat, die sich nach keinerlei Marktmechanismen bilden; zu denken sei hier etwa an die Kosten von Krankenhausbehandlungen (vgl. § 116 SGB X) oder auch öffentlichrechtlicher Abgaben, wie z.B. Um- und Abmeldekosten von Fahrzeugen, Rechtsanwaltsgebühren (BGH, NJW 1959, 1631), die Mehrwertsteuer (§ 249 Abs.2 S.2 BGB) oder auch die Kosten des KFZ-Sachverständigen (vgl. zu dieser Problematik Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 249, Rdnr.40 m.w.N.). All diesen Kosten ist gemeinsam, dass sie sich zwar auch nach bestimmten Kriterien und Maßstäben orientieren und bilden, mit Marktwirtschaft im Sinne einer Preisentwicklung nach Angebot und Nachfrage indes nicht das Geringste zu tun haben.

Für einige dieser Kostenarten werden höhenmäßige Begrenzungen auch diskutiert (vgl. etwa für die Gutachterkosten AG Hagen, NZV 2003, 144) oder sind sogar anerkannt (Krankenbehandlungskosten vgl. BGH, NJW 1969, 2281) . Das indes auch . nur für eine dieser Kostenarten irgendjemand aus fehlenden Marktmechanismen den Schluß gezogen hätte, diese Kosten seien deswegen dem Geschädigten nur dann zu ersetzen, wenn er darlegt und nachweist, dass die Kosten durch die Besonderheiten des Unfalles marktwirtschaftlich "gerechtfertigt" seien, ist dem Gericht nicht bekannt.

Hinzukommt folgendes: Aus der Sicht der erkennenden Gerichts ist durchaus nicht von vornherein von der Hand zu weisen, dass sich auch der Unfallersatzwagentarif marktwirtschaftlich, nämlich nach Angebot und Nachfrage, bildet. Denn auch, wenn die verlangten Unfallersatzwagentarife teilweise erheblich über den "Normaltarifen" angesiedelt sind, unterscheiden sich die Unfallersatztarifspreise der jedenfalls im Einzugsbereich des erkennenden Gerichts tätigen Vermieter nicht so erheblich voneinander, wie es zu erwarten wäre, wenn nicht auch hier letztlich Marktmechanismen eine Rolle spielen und die jeweiligen Anbieter berücksichtigen müssten und berücksichtigen würden, wie die Mitbewerber – mindestens am regionalen Markt – ihre Preis gestalten.

bb)
Danach ist nicht davon auszugehen, dass die Frage marktwirtschaftlicher Preisgestaltung ein rechtlich taugliches Tatbestandsmerkmal zur Bestimmung der Erforderlichkeit i.S.v. § 249 Abs.2 S.l BGB ist.

Doch selbst, wenn der höchstrichterlichen Rechtsprechung bis zu diesem Punkt noch gefolgt werden könnte, verläßt diese Rechtsprechung dort, wo sie von dem Geschädigten verlangt, zu den betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen der Gestaltung und Berechnung des Unfallersatztarifes vorzutragen (und diese ggf. zu beweisen) den Boden anerkannten Prozeßrechts:

Der Geschädigte hat nach einem Verkehrsunfall von der Preiskalkulation seines Autovermieters regelmäßig keine Kenntnis und kann sich diese Kenntnis unter Anwendung der ihm zumutbaren und möglichen Sorgfalt auch nicht beschaffen. Denn dass das Vermietungsunternehmen ihm gegenüber auskunftspflichtig darüber sein könnte, wie es seine Preise kalkuliert, erscheint dem Gericht nicht einsichtig. Eine solche Information schuldet das Vermietungsunternehmen weder als vertragliche Haupt-, noch als Nebenpflicht. Und selbst wenn, stünden einem diesbezüglichen Informationsanspruch des Kunden erhebliche und letztlich wohl auch durchgreifende Geheimhaltungsinteressen des Unternehmens entgegen. Damit kann sich der Geschädigte die geforderten Informationen zur Preiskalkulation und Notwendigkeit der Unfallersatzwagentarife regelmäßig überhaupt nicht beschaffen.

Und selbst, wenn man einen rechtlich höherrangigen Informationsanspruch des Geschädigten noch bejahen wollte, erscheint es dem Gericht unverhältnismäßig, ihn – bevor er seinerseits den Schädiger bzw. dessen Versicherung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann – darauf zu verweisen, seinen Vertragspartner auf Auskunftserteilung verklagen zu müssen. Denn freiwillig wird kaum ein Autovermieter seine Preiskalkulation offenlegen.

Den Geschädigten gleichwohl auf einen diesbezüglichen Sachvortrag und Nachweis festzulegen, verlangt ihm mithin Unmögliches ab und stellt damit eine verfassungwidrige, unzumutbare Rechtsschutzerschwerung dar (vgl. BVerfG vom 10. November 2004, l BvR 179/03).

cc)
Erkennbarer Hintergrund der bereits zitierten und vieler anderer, ober- und höchstrichterlicher Entscheidungen ist vielmehr, dass der Versicherungswirtschaft – und, ihr folgend, vielen Gerichten – die im Unfallersatzwagenbereich verlangten und gezahlten Entgelte subjektiv als zu hoch erscheinen. Dies mag nachvollziehbar sein, berechtigt die Rechtsprechung jedoch zur Rechtsüberzeugung des erkennenden Gerichts nicht, unter Überschreitung ihrer Auslegungsspielräume rechtspolitisch tätig zu werden. Dies wäre vielmehr allein Sache des Gesetz- oder eines Verordnungsgebers. So lange diese(r) indes untätig bleibt, haben die Beteiligten der Unfallschadensprozesses und haben auch die Gerichte hinzunehmen, dass die Autovermietungen unternehmen, was ihnen nach dem fundamentalsten Prinzip der Marktwirtschaft zukommt: Zu versuchen, für eine Dienstleistung den höchsten, am Markt überhaupt nur zu realisierenden Preis zu erhalten.
Begrenzt wird dieses grundsätzlich legitime Gewinnstreben in diesem Bereich allein durch die gesetzlichen Regelungen von § 138 BGB – was im übrigen nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch durchaus ausreichend ist.

Dessen Grenzen sind hier indes weder erreicht, noch überschritten :

(1) Für eine Nichtigkeit wegen Wuchers (§ 138 Abs.2 BGB, vgl. LG Bonn, NJW-RR 1999, 464) fehlt jeder Vortrag der Beklagten, insbesondere ist weder vorgetragen, noch erkennbar, dass der Vermieter eine geschäftliche Unerfahrenheit oder wirtschaftliche Zwangslage des Klägers gekannt und ausgenutzt hätte.

(2) Aufgrund Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs.l BGB ist der Vertrag gleichfalls nicht nichtig. Anders, als etwa das AG Böblingen (Schaden-Praxis 2004, 375) meint, ist für die Frage der sittenwidrigen Relation zwischen Leistung und Gegenleistung nämlich nicht auf einen Vergleich zwischen Unfallersatz- und Normaltarifen abzustellen. Denn dies würde voraussetzen, dass der Geschädigte den Normaltarif überhaupt für sich realisieren könnte, was er, wie bereits ausgeführt, nicht kann. Als Vergleichsmaßstab tauglich sind allein die Unfallersatztarife anderer Anbieter, die sich – wie die vom Kläger vorgelegten Preislisten zeigen – durchaus in demselben Rahmen bewegen, in dem auch der streitgegenständlichen Vermieter des Klägers abgerechnet hat.

dd)
Dies vorangestellt sieht das Gericht auch keinerlei Veranlassung, den i. S. v. § 249 Abs. 2 S. l BGB erforderlichen Schadensbetrag etwa durch Sachverständigengutachten ermitteln zu lassen. Erforderlich ist vielmehr – bis zur Grenze von § 138 BGB und unter Maßgabe von § 254 BGB – was der Autovermieter seinem Vertragspartner für die gewährte Dienstleistung in Rechnung stellt und der Geschädigte ihm deswegen vertraglich schuldet.

Es kommt für das erkennende Gericht kraft vorstehender Gründe deswegen auch nicht darauf an, ob oder ob nicht der Kläger, hätte er denn eine Erkundigungspflicht gehabt, bei Erkundigungen bei verschiedenen Autovermietern zutreffende oder überhaupt Auskünfte zu den verlangten Entgelten erhalten hätte.

ee)
Die vorstehenden Ausführungen stellen den Geschädigten auch keineswegs, wie teilweise zu der Entscheidung des BGH in NJW 1996, 1958 vertreten wurde (Palandt-Heinrichs, aaO., Rdnr.31) von allen Sorgfaltspflichten frei. Wenn sich ihm aus dem Unfallschaden oder aufgrund anderer Hinweise aufdrängen muß, dass durch die Anmietung ein unverhältnismäßig hoher Schaden droht, ist er auch nach Auffassung des erkennenden Gerichts – und zwar unabhängig von der Anmietdauer und insoweit weitergehend als die bisher herrschende Rechtsprechung – verpflichtet, Preisvergleiche anzustellen und zu versuchen, den Schaden zu minimieren. Aber den seit langem bestehenden Streit zwischen Versicherungswirtschaft und Vermietungsunternehmen auf dem Rücken des bereits durch den Unfall – unverschuldet und rechtswidrig – Geschädigten auszutragen, erscheint dem Gericht als völlig unangemessen.

Nachdem die Beklagten weitere, erhebliche Einwendungen gegen die Klageforderung nicht erheben, waren sie im übrigen antragsgemäß zur Zahlung zu verurteilen.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 BGB, die Entscheidung zur vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.