Mundartliche Bezeichnung von Polizeibeamten als „Bullen“ stellt keine Beleidigung dar

Zum Sachverhalt:

Am 3. 11. 2004 gegen 10.20 Uhr erschienen vor dem Anwesen der Angekl. zwei uniformierte Polizeibeamte in Begleitung von zwei Amtstierärzten. Die Angekl., die bis dahin geschlafen hatte, öffnete, nachdem die Beamten geläutet hatten; der noch völlig schlaftrunkenen Angekl. erklärten die beiden Polizeibeamten, der Hund der Angekl., an dem diese sehr hing, habe betäubt werden müssen, weil er Wild gerissen habe. Sodann erschien auch die Tochter der Angekl. – völlig schlaftrunken – und fragte ihre Mutter: „San däs d´ Bullen?“. Die Angekl. antwortete an ihre Tochter gerichtet: „Ja, des san d´ Bullen“. Die Angekl. bedient sich üblicherweise mundartlicher Umgangssprache. Die betroffenen Polizeibeamten und das Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz haben form- und fristgerecht Strafantrag gestellt.

Das AG hat gegen die Angekl. wegen Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt. Die Berufung der Angekl. führte zum Freispruch.

LG Regensburg
Urteil vom 6. Oktober 2005
Az.: 3 Ns 134 Js 97458/04

Aus den Gründen:

1. Die Äußerung „Bulle“, gerichtet an Polizeibeamte, stellt vorliegend keine Ehrverletzung i.S. von § 185 StGB dar. Dieser Begriff ist insbesondere in der umgangssprachlich geprägten Mundart – allgemein bekannt – nicht als Gleichsetzung eines Polizeibeamten mit einem Tier, das reizbar und angriffslustig zu blinder und unüberlegter Gewalt neigt, gleichzusetzen. Es stellt lediglich ein umgangssprachliches Synonym für „Polizeibeamter“ dar, ohne dass damit eine Herabsetzung des Polizeibeamten verbunden ist.

Dieser Bedeutungswandel wird durch die allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz des Ausdrucks „Bulle“ gerade in verbreiteten und beliebten Fernsehsendungen wie „Der Bulle von Tölz“ deutlich. In diesem Sinne sah das KG im Urteil vom 18. 8. 1983 (JR 1984, 165) das Wort „Bulle“ nicht mehr regelmäßig als ehrverletzend an (vgl. auch die zust. Anm. von Otto, JR 1984, 166; s. aber auch das Urteil des LG Essen v. 17. 4. 1980 [!], NJW 1980, 1639). Die Entscheidung des BayObLG vom 22. 12. 1989 (BayObLG, NJW 1990, 1742) befasst sich unter anderem mit der Kombination des Ausdrucks „Bulle“ mit „Schwein“ und ist deshalb auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In dieser Kombination ist der ehrverletzende Charakter der Äußerung unzweifelhaft. Auch das Urteil des BayObLG vom 18. 2. 1988 (NStZ 1988, 365 = JR 1989, 72) betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Dort ging es um die Frage, ob die Verwendung des Ausdrucks „Bullen-Auftrieb“ ehrverletzenden Charakter hat. Dies ist – anders als im vorliegenden Fall – wegen der Kombination der Ausdrücke und der dadurch assoziierten Nähe zum Tier in Übereinstimmung mit dem BayObLG zu bejahen.

Letztlich entscheidend waren folgende Überlegungen:

Wertausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale wie „Beleidigung“ unterliegen im besonderen Maße dem Wandel gesellschaftlicher Bewertung. Schutzgut des § 185 StGB ist nicht ein irgendwie definierter Ehrbegriff, sondern – auf den Fall bezogen – der konkrete Achtungsanspruch des Polizeibeamten in der konkreten Situation. Dieser Achtungsanspruch aber wird durch die Wirklichkeit des sozialen Lebens begründet und – insbesondere – begrenzt. In Bezug auf den von § 185 StGB bezweckten Ehrschutz ist nicht jede anstößige oder geschmacklose Äußerung sanktionsbedürftig; strafrechtlicher Sanktion bedarf eine Äußerung nur dann, wenn sie elementare Verhaltenserwartungen, so wie sie zum Zeitpunkt der Tat bestanden, enttäuscht (Jakobs, StrafR AT 2/2).

2. Hinzu kommt die konkrete Situation – hierauf stellt die Entscheidung des KG (JR 1984, 165) entscheidend ab -, in der die Äußerung gefallen ist. Die Angekl. wandte sich nicht unmittelbar an die Polizeibeamten, sondern beantwortete die – rhetorische – Frage der Tochter, ob es sich bei den anwesenden Beamten um „Bullen“ handele.

Gerade letzter Gesichtspunkt lässt auch die Einlassung der Angekl. glaubhaft erscheinen, sie habe durch ihre Äußerung nicht einmal mit bedingten Vorsatz die Ehre der Polizeibeamten verletzt. Die Angekl. war, da schlaftrunken, nicht voll orientiert und nahm ohne jede Überlegung den von ihrer Tochter verwendeten Begriff „Bulle“ auf. Dass hierdurch die vor ihr stehenden Polizeibeamten in ihrer Ehre verletzt würden, nahm die Angekl. nicht einmal in Kauf; hiermit rechnete sie nicht.

Darlegungs- und Beweislast für Vermögensvermischung liegt beim Insolvenzverwalter

Der Insolvenzverwalter des Vermögens einer GmbH ist entsprechend § 93 InsO befugt, eine etwaige Durchgriffshaftung eines Gesellschafters für die Gesellschaftsverbindlichkeiten (§ 128 HGB analog) wegen "Vermögensver-mischung" geltend zu machen.

Die Durchgriffshaftung eines GmbH-Gesellschafters wegen "Vermögensver-mischung", die zu einem Wegfall des Haftungsprivilegs gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG führt, ist keine Zustands- sondern eine Verhaltenshaftung; sie trifft einen Gesellschafter nur, wenn er aufgrund des von ihm wahrgenommenen Einflusses als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter für den Vermögensvermi-schungstatbestand verantwortlich ist (Klarstellung zu BGHZ 125, 366, 368 f.).

Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer unkontrollierbaren Vermischung des Gesellschafts- mit dem Privatvermögen der Gesellschafter ist im Grundsatz der klagende Insolvenzverwalter; den oder die Gesellschafter trifft aber eine sekundäre Darlegungslast für das Gegenteil. Das bloße Fehlen einer "doppelten Buchführung" reicht als Nachweis für eine "Vermö-gensvermischung" nicht aus.

Der Insolvenzverwalter kann sich gegenüber einem aus Durchgriffshaftung in Anspruch genommenen GmbH-Gesellschafter, der keine Gelegenheit zu einem Widerspruch im Sinne von § 178 Abs. 1 InsO hatte, auf die Rechts-kraftwirkung der Eintragung der Gläubigerforderungen in die Insolvenztabelle (§ 178 Abs. 3 InsO) nicht berufen.

BGH
Urteil vom 14. November 2005
Az.: II ZR 178/03

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofes nachlesen.

Keine Kündigung wegen Domainregistrierung für Konkurrenzunternehmen

Die Registrierung einer Internet-Domäne für einen Arbeitnehmer mit einer Bezeichnung, die darauf schließen lässt, dass sie für den Internet-Auftritt eines noch zu gründenden Konkurrenzunternehmens verwendet werden soll, stellt keinen Verstoß gegen das für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbsverbot dar.

Auch die unentgeltliche Überlassung einer solchen Internet-Domäne an ein Konkurrenzunternehmen stellt keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot dar.

Die Gründung eines Konkurrenzunternehmens stellt eine zulässige Vorbereitungshandlung da, solange dieses nicht eine nach außen wirkende werbende Tätigkeit aufgenommen hat.

LAG Köln
Urteil vom 12. April 2005
Az.: 9 Sa 1518/04

Die vollständige Entscheidung können Sie hier nachlesen.

Haftung bei Einbindung in fremde Internet-Präsentation (hier verneint)

Zur Störhaftung im Internet bei der Einbindung von Seiten durch einen Partner- Webmaster.

Der Betreiber einer Internet-Präsentation haftet jedenfalls solange nicht auf Unterlassung persönlichkeitsverletzender Darstellungen, solange er von der Übernahme seiner eigenen Inhalte durch einen Dritten, auch wenn dieser Werbepartner ist,  keine Kenntnis hat.
(Leitsatz von schwarz-anwaelte.de)

Kammergericht
Urteil vom  10. Februar 2006
Az.: 9 U 105/05

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Kammergerichts nachlesen.

Auslobung eines Luxussportwagens im Rahmen eines Preisrätsels

Dem Markeninhaber stehen keine berechtigten Gründe i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG zu, sich der Auslobung der Markenware als Gewinn, versehen mit einem Zeichen des Sponsors des Gewinns, zu widersetzen, wenn der Verkehr in der Anbringung des Zeichens neben der Marke lediglich einen Hinweis auf die Sponsoreneigenschaft sieht und auch nicht der Eindruck erweckt wird, zwi-schen Sponsor und Markeninhaber bestünden geschäftliche Beziehungen. Die mit dem Versprechen einer Luxusware als Gewinn einhergehende Werbe-wirkung der Großzügigkeit des auslobenden Unternehmens ist eine der Natur der Sache nach gegebene Folge des konkreten Gewinnspiels. Diese Transfer-wirkung fällt auch dann nicht aus dem rechtlich zulässigen Rahmen, wenn ein Luxusfahrzeug einer bekannten Marke ausgelobt wird.

BGH
Urteil vom 3. November 2005
Az.: I ZR 29/03

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofes nachlesen.

Keine Verdoppelung der Einlagepflicht der Gesellschafter einer „auf Vorrat“ gegründeten GmbH

Auch bei dem mit einer "Treuhandabrede" verbundenen Hin- und Herzahlen eines Bareinlagebetrages leistet der Inferent unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung nichts. Die "Treuhandabrede" ist unwirksam.

Mit der Auskehrung des vermeintlich treuhänderisch zurückgewährten Bar-einlagebetrages an die Gesellschaft tilgt der Inferent die offene Einlage-schuld (vgl. Sen.Urt. v. 21. November 2005 – II ZR 140/04, z.V.b. in BGHZ = ZIP 2005, 2203).

Die Gründer einer "Vorrats-GmbH" haften nicht für die Entnahme des von ihnen ordnungsgemäß eingezahlten Stammkapitals durch die Erwerber der Geschäftsanteile nach Anmeldung des Erwerbs bei der Gesellschaft (§ 16 Abs. 1, 3 GmbHG).

BGH
Urteil vom 9. Januar 2006
Az.: II ZR 72/05

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofes nachlesen.

Bei Insolvenz innerhalb eines Jahres nach Rückzahlung an den Gesellschafter haftet dieser zwingend

Ist im letzten Jahr vor Anbringung des Insolvenzantrags von der Gesellschaft eine Leistung auf ein Gesellschafterdarlehen erbracht worden, das zuvor eigen-kapitalersetzenden Charakter gehabt hat, ist dem Gesellschafter der Nachweis abgeschnitten, dass im Zahlungszeitpunkt das Stammkapital der Gesellschaft nachhaltig wieder hergestellt und damit die Durchsetzungssperre entfallen war; vielmehr wird der Eigenkapitalersatzcharakter zum Stichtag unwiderleglich ver-mutet (Bestätigung von BGHZ 90, 370, 380 f.).

BGH
Urteil vom 30. Januar 2006
Az.: II ZR 357/03

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Kein Schadensersatz bei ungewöhnlichem Verlauf (Schreckschuß im Theater)

Kommt es in Fällen, in denen keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten.

In diesem Fall hatte der Kläger geltend gemacht, ein vorhandener Tinitus habe sich durch einen Schuß mit einer Schreckschußpistole während einer Theateraufführung erheblich verschlimmert, nachdem er sich in den Jahren zuvor deutlich verbessert habe. Die Klage wurde abgewiesen.

BGH, Urteil vom 8. November 2005 – VI ZR 332/04

Führerscheinentzug wegen Falschparken möglich

Hartnäckige Verstöße gegen Parkvorschriften können zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen. So eine aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW, im Fall eines Autofahrers, der in der Zeit von Oktober 2003 bis September 2005 jeweils 27 Mal gegen Parkvorschriften verstoßen hat. Für jeden Verstoß wurde ein Bußgeld verhängt und ein Punkt in das Verkehrszentralregister in Flensburg eingetragen. Außerdem hatte der Autofahrer im Juli 2002 und im August 2003 jeweils die zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten; dafür erhielt er vier bzw. drei Punkte im Verkehrszentralregister.

Nach Auffassung der Richter war eine daraufhin erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis offensichtlich rechtmäßig. Die Hartnäckigkeit, mit welcher der Autofahrer gegen Parkvorschriften verstoße, spreche bei einer interessenbezogenen Abwägung eindeutig gegen ihn.

OVG NRW
Beschluss vom 18. Januar 2006
Az. 16 B 2137/05

Die vollständigen Entscheidungen können Sie auf der Seite des Oberverwaltungsgerichts NRW nachlesen.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden können Sie hier nachlesen.