OLG: nicht verjährt!>BGH: verjährt!?>OLG: verjährt!>BGH: nicht verjährt!?>OLG: ?

Das kann man wohl einen dramatischen Start ins Leben nennen. Neben – und wegen – Problemen bei der Geburt beschäftigt ein mittlerweile 17 Jahre alter junger Mann in einem wahren Auf und Ab die höchstrichterlichen Gerichte.

Das Kind war 2003 geboren und es gab Probleme bei der Geburt (Einzelheiten in den verlinkten BGH Entscheidungen), so dass wohl auch Folgeschäden blieben. Man war sich dann wohl erst nach ein paar Jahren bewusst, dass man Schadensersatzansprüche geltend mach könntee. Das war jedenfalls noch in unverjährter Zeit. Mit der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses und der behandelnden Ärztin gab es ein – übliches? – Hin und Her, bis dann im Oktober 2010 die Klage eingereicht worden ist. Da muss natürlich die Frage der Verjährung geprüft werden.

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„Ist der Ruf erst ruiniert, …

lebt’s sich gänzlich ungeniert“, sagt der Volksmund. Diesen Effekt verstärken manche Kläger, indem sie Sachen über Jahre „am Laufen halten“, über die sonst wahrscheinlich mehr oder weniger Gras gewachsen wäre.

Wir hatten schon einmal über jemanden berichtet, der erst durch sein gerichtliches Einschreiten Zustände ans Licht gebracht hat, die aus Sicht des Betroffenen vielleicht besser nicht an die Öffentlichkeit geraten wären.

Der aktuelle Fall ist insoweit ein bisschen anders, weil der Betroffene seinen Fall in einem Jahre dauernden Prozess in der – zumindest juristischen – Öffentlichkeit gehalten hat, von dem er sich selbst sicher gewünscht hat, dass er gar nicht dorthin kommt.

Der langjährige Grünen Bundestagsabgeordnete Volker Beck hatte einmal zum sexuellen Strafrecht mit Kindern Positionen vertreten, die er später längst aufgegeben hatte.

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Gehörsverletzungen ohne Ende

Gefühlt mehrfach die Woche muss der Bundesgerichtshof Entscheidungen von Instanzgerichten aufheben, weil diese den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt haben.

Besonders krass ist, wenn der BGH ausführen muss, dass es sich die Vordergerichte relativ leicht gemacht haben und den Sachverhalt völlig verdreht festgestellt haben und darauf ihr Urteil gründen.

So in einem aktuellen Fall. Angeblich hat ein Zeuge eine Mail geschrieben, er könne sich nicht erinnern. Es war aber ganz anders.

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Tief Luft holen, sonst reicht sie nicht bis zum Ende des Satzes

„Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 24.April 2015 wird zurückgewiesen, weil die angefochtene Entscheidung jedenfalls von der Annahme des Berufungsgerichts getragen wird, die Art der Schadensberechnung im Privatgutachten lasse nicht den Rückschluss zu, dass das Angebot der Klägerin im Vergabeverfahren auszuschließen gewesen wäre, so dass es auf die Frage der Reichweite der Bindungswirkung der im Nachprüfungsverfahren ergangenen Entscheidung des Vergabesenats nicht ankommt und die Rechtssache auch sonst weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).“

schreibt der Bundesgerichtshof in einer gestern im Internet veröffentlichten Entscheidung. Da bleibt auch inhaltlich einem Juristen „die Spucke weg“. Da hat sich der BGH aber überhaupt keine Mühe gegeben, sich verständlich auszudrücken.

BGH: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern!?

Ein besonders krasses Beispiel, daß man auf hoher See und deutschen Gerichten immer in Gottes Hand ist, liefert jetzt der BGH ab. Und behauptet dazu noch, er habe nie etwas anderes gesagt.

Der 8. Senat veröffentlicht heute mit dem amtlichen Leitsatz:

Zitat:
Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war, und ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20 % der gerichtlichen Überprüfung entzogen (Fortführung von BGH, Urteile vom 13. Januar 2011 – IX ZR 110/10, NJW 2011, 1603; vom 8. Mai 2012 – VI ZR 273/11, juris). BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 – VIII ZR 323/11 –

und in den Gründen erläutert er:

Zitat:
Der IX. Zivilsenat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er ebenfalls dieser Auffassung sei und sich aus seinem Urteil vom 13. Januar 2011 (IX ZR 110/10, aaO Rn. 18) nichts anderes ergebe.

Der 9. Senat hatte damals wörtlich in den Gründen ausgeführt:

Zitat:
b) Die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr ist einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Für Rahmengebühren entspricht es allgemeiner Meinung, dass dem Rechtsanwalt bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 v.H. (sog. Toleranzgrenze) zusteht. Hält sich der Anwalt innerhalb dieser Grenze, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher von dem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen. Mit der Erhöhung der in jedem Fall angemessenen Regelgebühr um 0,2 haben die Rechtsanwälte des Klägers die Toleranzgrenze eingehalten.

Die beiden Alternative unterscheiden sich eindeutig, daß in dem oberen Fall „nicht entzogen“ und im unteren Fall „ist entzogen“ formuliert ist. Da muß man schon sehr blind sein, wenn sich daraus nichts anderes ergeben soll.

Wir hatten schon die Erfahrung gemacht, daß ein ansonsten sehr kämpferischer Kfz-Haftpflichtversicherung in der Frage nachgegeben hatte. Der hatte nämlich die Entscheidung des 9. Senats genau so verstanden wie wir.

Der BGH zu Ingo Steuer

Ein Thema, das nicht nur viele Chemnitzer interessieren wird: die Gründe des Bundesgerichtshofs, warum die Bundesrepublik Deutschland Ingo Steuer als Trainer von Sportsoldaten akzeptieren muß.

Der Bundesgerichtshof hat jetzt den vollen Wortlaut seines Urteils veröffentlicht.

Ein Schiff zur Schwester – rechtlich gesehen.

Das ist doch mal ein ganz anderes – seltenes – Thema: Die Schwesterschiffklausel in der Schiffkaskoversicherung. Wer mehrere Autos hält, der kennt womöglich das Problem, daß von dem einen an dem anderen Auto verursachte Schäden im Zweifel nicht versichert sind. Das scheint in der Schiffsversicherung anders zu sein. Da sind wir zugegebenermaßen keine Experten, eine achtwöchige Erfahrung des Autors als Leichtmatrose auf einem Frachtschiff auf Rhein, Ruhr und Neckar ist noch die intensivste Berührung mit dieser Problematik. Und jetzt mußte sich sogar der BGH damit befassen.

Bei Kenntnis von einer fehlerhaften Leistungsbeschreibung kein Ersatz des Vertrauensschadens

An einer echten Chance im Sinne von § 126 GWB fehlt es, wenn die Leistungsbeschreibung fehlerhaft war und deshalb mangels Vergleichbarkeit die abgegebenen Angebote nicht gewertet werden können.

Ist dem Bieter bekannt, dass die Leistungsbeschreibung fehlerhaft ist, und gibt er gleichwohl ein Angebot ab, steht ihm wegen dieses Fehlers der Ausschreibung ein Anspruch aus culpa in contrahendo auf Ersatz des Vertrauensschadens nicht zu.

BGH,
Urteil vom 1. August 2006
Az.: X ZR 146/03

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofs nachlesen.

3. Prüffähigkeit von Rechnungen

Der Auftraggeber kann sich nicht auf die fehlende Prüffähigkeit berufen, wenn die Rechnung auch ohne die objektiv unverzichtbaren Angaben seinen Kontroll- und Informationsinteressen genügt.

Eine prüffähige Rechnung muss diejenigen Angaben enthalten, die nach dem geschlossenen Vertrag und objektiv unverzichtbar sind, um die sachliche und rechnerische Überprüfung des Honorars zu ermöglichen.

In dem Fall, dass die Rechnung nur in Teilen prüffähig ist, kann der Architekt die Zahlung eines Guthabens verlangen, das unter Berücksichtigung eventueller Voraus- und Abschlagszahlungen bereits feststeht.

Wenn der Auftraggeber nicht spätestens innerhalb einer Frist von 2 Monaten nach Zugang der Rechnung Einwendungen vorgebracht hat, ist er gegen die Prüffähigkeit der Schlussrechnung ausgeschlossen.

Die Verjährung der Honorarforderung beginnt grundsätzlich mit der Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung.

Kann der Auftraggeber sich nicht auf die fehlende Prüffähigkeit berufen, weil die Rechnung seinen Kontroll- und Informationsinteressen genügt, beginnt die Verjährung, wenn dieser Umstand für den Architekten erkennbar nach außen zutage tritt.

Die Verjährung einer auf eine nicht prüffähige Honorarschlussrechnung gestützten Forderung beginnt spätestens, wenn die Frist von 2 Monaten abgelaufen ist, ohne dass der Auftraggeber substantiierte Einwendungen gegen die Prüffähigkeit vorgebracht hat. Ist die Rechnung nur teilweise prüffähig, beginnt die Verjährung der Honorarschlussforderung grundsätzlich erst mit der Erteilung einer insgesamt prüffähigen Schlussrechnung.

BGH
Urteil vom 27. November 2003
VII ZR 288/02