Bauherr haftet für Vorhandensein eines Grundstücks

1. Die Nichtannahme der Bauleistungen führt zum Gläubigerverzug.
2. Eine subjektive Unmöglichkeit im Rahmen des Gläubigerverzugs gibt es nicht.
3. Ansprüche, die eine Kündigung voraussetzen, sind im Sinne des Verjährungsrechts erst entstanden, wenn die Kündigung tatsächlich erklärt und wirksam geworden ist.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.06.2008 – 19 U 179/06

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

….

wegen Forderung

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2008 unter Mitwirkung von Vors. Richter am Oberlandesgericht ***, Richter am Oberlandesgericht ***, Richterin am Oberlandesgericht ***

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 10. November 2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aufgrund eines von der Klägerin gekündigten Werkvertrags.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 10. November 2006 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Beklagte in vollem Umfang verurteilt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte macht geltend, die Kündigung der Klägerin nach § 9 Nr. 1 VOB/B sei unberechtigt gewesen. Die Klägerin habe ihren Mann *** (fortan: Erblasser) bis zu dessen Tod nie in Annahmeverzug gesetzt. Sie selbst habe sich zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht in Annahmeverzug befunden, weil es ihr unmöglich sei, das Baugrundstück *** zur Verfügung zu stellen. Sie sei nie Eigentümerin dieses Grundstücks geworden und habe keine Möglichkeit, es zu erwerben. Diese Unmöglichkeit habe sie auch nicht zu vertreten.

Beim Tode des Erblassers habe noch keine Unmöglichkeit vorgelegen; daher könne der Erblasser auch eine Unmöglichkeit nicht zu vertreten haben. Erst mit dem Tod des Erblassers sei sein Gesellschaftsanteil gemäß § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags seinem Sohn *** angewachsen, der daher Alleineigentümer des Grundstücks *** geworden sei. *** sei weder willens noch verpflichtet oder auch nur in der Lage gewesen, eine Bebauung zu ermöglichen, weil der übernommene Gesellschaftsanteil mit einem Negativsaldo von 695.000,00 DM zu bewerten gewesen sei.

Nachdem die Unmöglichkeit erst mit dem Tod des Erblassers eingetreten sei, hafte die Beklagte nur dann, wenn sie selbst ein Verschulden an der Unmöglichkeit treffe. Dies sei nicht der Fall, weil die Beklagte weder den Tod des Erblassers noch den Abschluss des Gesellschaftsvertrags zu vertreten habe. Der Erblasser selbst habe die Unmöglichkeit auch nicht zu vertreten, nachdem er zu keinem Zeitpunkt in Annahmeverzug geraten sei und aufgrund der eingetretenen Unmöglichkeit nunmehr ein Annahmeverzug nicht mehr möglich sei.

Im übrigen sei der Anspruch jedenfalls verjährt. Es gelte die zweijährige Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 1 Ziff. 1 BGB a.F. Gemäß § 199 BGB a.F. komme es für den Verjährungsbeginn auf die objektive Kündigungsmöglichkeit an; diese habe spätestens am 9. Jan. 2001 bestanden, nachdem der Klägerin zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen sei, dass das Bauvorhaben nicht mehr durchgeführt werde. Unter diesen Umständen endete die Verjährungsfrist gemäß § 201 BGB a.F. spätestens am 31. Dezember 2003; das Übergangsrecht nach Art. 229 § 6 EGBGB habe hierauf keinen Einfluss. Die Zustellung des Mahnbescheides erst am 6. August 2004 könne daher die Verjährung nicht mehr hemmen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 10. Nov. 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet, dass das Grundstück *** alleiniger Vertragsgegenstand gewesen sei; das Gebäude habe auch nach den vertraglichen Absprachen auf jedem beliebigen anderen Grundstück errichtet werden können. Die Klägerin bestreitet weiterhin, dass es der Beklagten unmöglich sei, das Grundstück *** oder ein anderes geeignetes Grundstück für eine Bebauung zur Verfügung zu stellen. Selbst wenn dies der Fall sei, habe sie die Unmöglichkeit jedenfalls zu vertreten. Die entscheidende Ursache habe der Erblasser mit dem Gesellschaftsvertrag gesetzt; insbesondere habe er es unterlassen, die Gesellschaft in die Bebauungspflicht einzubeziehen. Daher lägen die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 9 Nr. 1 VOB/B vor.

Der Anspruch sei nicht verjährt. Entscheidend sei die Erklärung der Kündigung und die Rechnungserteilung. Dies sei nicht unbillig, da auch dem Erblasser bzw. der Beklagten ein Kündigungsrecht zugestanden hätte.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1) Zwar leidet das landgerichtliche Urteil an einem erheblichen Verfahrensfehler, weil es nicht innerhalb von fünf Monaten nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung verkündet worden ist (arg. § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 315 Abs. 2 ZPO; § 517 ZPO). Der Verfahrensfehler ist jedoch geheilt, nachdem der Senat aufgrund erneuter mündlicher Verhandlung entschieden hat.

2) Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von noch 35.164,09 € als pauschalierter Schadensersatz zu. Der Anspruch folgt aus § 11 Nr. 3 des zwischen der Klägerin und dem Erblasser geschlossenen Werkvertrags vom 7. April/4. Mai 1999. Der Vertrag ist auf die Beklagte als Alleinerbin des Erblassers im Wege der Erbfolge übergegangen.

a) Die Klägerin hat den Werkvertrag wirksam gekündigt. Die Kündigungsvoraussetzungen von § 9 Nr. 1 lit. a VOB/B sind erfüllt. Die VOB/B ist wirksam vereinbart. Die Klägerin hat die Beklagte in Annahmeverzug gesetzt, indem sie sie mit Schreiben vom 11. Februar 2004 aufforderte, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen und die Bauvoraussetzungen zu schaffen (§ 295 BGB; BGH, NJW 2003, 1601). Die Beklagte ist dieser Aufforderung unstreitig nicht nachgekommen. Daraufhin hat die Klägerin mit Schreiben vom 25. Mai 2004 den Werkvertrag gekündigt und ihren Anspruch mit Rechnung vom gleichen Tag gegenüber der Beklagten abgerechnet.

b) Die formalen Voraussetzungen des § 9 Nr. 2 VOB/B sind erfüllt. Die Klägerin hat die Kündigungsgründe auch nicht zu vertreten.

c) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass es ihr nicht möglich ist, ein Grundstück für das Bauvorhaben zur Verfügung zu stellen. Dies gilt selbst dann, wenn der Werkvertrag vom April 1999 sich tatsächlich ausschließlich auf ein Grundstück *** bezogen haben sollte.

(1) Soweit die Beklagte geltend macht, es sei ihr nicht möglich, der Klägerin ein Grundstück zur Verfügung zu stellen, ist dies schon aus Rechtsgründen unerheblich.

Für den Annahmeverzug eines Gläubigers, der eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung nicht erbringen kann, ist es regelmäßig ohne Belang, ob er diese Unterlassung zu vertreten hat oder nicht. Ein Gläubiger kommt vielmehr in Annahmeverzug, ohne dass er die Nichtannahme oder Nichtmitwirkung zu vertreten hat (Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl. § 293 Rn. 10). Insbesondere ist es unerheblich, ob der zur Mitwirkung verpflichtete Gläubiger die Unterlassung der Mitwirkungsleistung zu vertreten hat (BGH, NJW-RR 1994, 1469 zur unterlassenen Beibringung eines Pflichtenheftes zur Erstellung eines EDV-Programms). Ist der Gläubiger nur durch ein in seinem eigenen Bereich liegendes Unvermögen gehindert, die ihm angebotene Leistung anzunehmen, steht dies dem Annahmeverzug nicht entgegen (BGHZ 24, 91, 96). Schließlich spielt die Frage der Berechtigung der Annahmeverweigerung beim Annahmeverzug ebensowenig eine Rolle wie die Frage des Verschuldens (BGH, WM 1988, 1131). Demgemäß setzt auch der Entschädigungsanspruch bei einem aufgrund Annahmeverzugs des Bestellers aufgelösten Werkvertrag nach § 645 Abs. 1 Satz 2 BGB, dessen Berechnung nach den Grundsätzen erfolgt, die für einen gekündigten Werkvertrag gelten (BGH, NJW 1999, 2036), kein Verschulden des Bestellers voraus. Entsprechendes gilt für die Ansprüche nach § 9 Nr. 3 VOB/B.

(2) Im übrigen steht nach dem unstreitigen Sachverhalt fest, dass die Beklagte ihr Unvermögen jedenfalls zu vertreten hat. Der von der Beklagten behauptete Eigentumsverlust geht ausschließlich auf Handlungen des Erblassers und Bestellers zurück. Bei Vertragsschluss war der Erblasser Alleineigentümer des Grundstücks ***. Allein sein Verhalten hat dazu geführt, dass das Grundstück nach dem Erbfall nicht im Eigentum der Beklagten als Alleinerbin steht. Dabei hat der Vertragspartner auch solche Abreden zu vertreten, die – wie die Anwachsungsklausel des GbR-Vertrags – einen solchen Eigentumsverlust erst im Todesfall begründen. Aufgrund der von Gesetzes wegen eintretenden Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) ist ein vor dem Erbfall liegendes Verhalten des Erblassers dem Erben uneingeschränkt zuzurechnen.

d) Die §§ 323 ff. BGB a.F. sind nicht einschlägig. Die Gestellung eines Baugrundstücks begründet zwar möglicherweise eine Mitwirkungspflicht des Bestellers. Eine solche Pflicht des Bestellers steht jedoch nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis mit den Hauptpflichten des Werkvertrags.

e) Die Höhe des Anspruchs ist unstreitig; die Pauschalierung des Anspruchs durch die Klägerin ist rechtlich zulässig und auch der Höhe nach wirksam (BGH, NJW 2006, 2551).

3) Der Anspruch der Klägerin ist nicht verjährt.

a) Die Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs begann im Streitfall frühestens mit der Kündigung des Bauvertrags durch die Klägerin.

Der Beginn der Verjährungsfrist hängt im Streitfall nicht von der objektiven Kündigungsmöglichkeit ab. § 199 BGB a.F. greift im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ein, weil die Norm nur Fälle erfasst, in denen allein dem Gläubiger ein Kündigungsrecht zusteht (BGHZ 151, 47ff. zur Kündigung eines Sparkontos). Bei einem Werkvertrag ist es aber beiden Parteien möglich, den Vertrag durch Kündigung zu beenden. Im übrigen gilt für einen VOB/B-Vertrag auch hinsichtlich der Ansprüche nach Kündigung durch den Auftragnehmer, dass die Verjährung erst mit Erteilung einer Schlussrechnung nach § 16 Nr. 3 VOB/B zu laufen beginnt (BGH, NJW 1987, 382). Unter diesen Umständen ist die Sonderregelung des § 199 BGB a.F. schon deswegen nicht anwendbar, weil sie sich nicht auf Ansprüche erstreckt, die von einer Rechnungserteilung abhängen (BGH, WM 1977, 1053).

Damit kommt es für den Verjährungsbeginn auf die Fälligkeit der jeweiligen Forderung an (einhellige Meinung, vgl. zu § 198 BGB a.F. Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 198 Rn. 1; zu § 199 BGB n.F. Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl., § 199 Rn. 3). Demgemäß sind Ansprüche, die eine Kündigung voraussetzen, im Sinne des Verjährungsrechts – sofern wie im Streitfall § 199 BGB a.F. nicht eingreift – erst entstanden, wenn die Kündigung tatsächlich erklärt und wirksam geworden ist (BGHZ 151, 47ff.). Dies war hier im Jahr 2004 der Fall. Der Mahnbescheid vom August 2004 hat die Verjährung daher rechtzeitig gehemmt.

b) Die ursprünglichen Leistungsansprüche aus dem Bauvertrag waren zum Zeitpunkt der Kündigung durch die Klägerin ebenfalls noch nicht verjährt, so dass die Verjährungseinrede der Beklagten auch nicht unter dem Aspekt durchgreift, dass die Klägerin die Kündigung erst zu einem Zeitpunkt erklärt hat, zu dem sie die Hauptansprüche wegen Verjährung nicht mehr durchsetzen konnte.

Soweit die Klägerin Schadensersatzansprüche geltend macht, entstanden diese erst mit der Kündigung. Soweit sie sich auf eine pauschalierte Vergütung stützen sollte, hingen die Vergütungsansprüche von der Erteilung einer Schlussrechnung ab. Damit waren auch die der Klägerin zustehenden, ursprünglichen Leistungsansprüche aus dem Werkvertrag auf Zählung einer Vergütung zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht verjährt.

4) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weit die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.