Ein Rechtsanwalt genügt seiner Begründungspflicht bei einem Antrag auf Terminverlegung nicht mit der Vorlage eines ärztlichen Attestes, das ihm bescheinigt, der Anwalt ist " akut erkrankt und ist nicht reisefähig".
OLG Köln 13. Zivilsenat, Beschluss vom 5. August 2004 , Az: 13 U 35/04
Unser Kommentar:
Die Entscheidung verrät viel darüberwie viele Richter über Rechtsanwälte denken. Das sind alles Drückeberger, die Krankheiten nur vorschieben, um sich vor unliebsamen Terminen zu drücken. Daß dem nicht so ist, könnten sie bei ausreichender Aufmerksamkeit und Beobachtung der Tätigkeit der deutschen Anwaltschaft schnell feststellen. Was geht es den Richter an, welche Krankheit ein Rechtsanwalt hat, wenn ein Arzt festgestellt hat, daß er / sie „akut erkrankt und nicht reisefähig“ ist. Wir sind sicher, daß es sie gar nichts angeht.
Es ist eine Frage der Achtung der Menschenwürde des Anwalts, daß Atteste nur dann hinterfragt werden, wenn den Richtern konkrete Anhaltspunkte für ein Gefälligkeitsattest vorliegen (Sie könnten das vom Arbeitsrecht lernen: „a) Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet nur eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.
b) Zweifel an der Richtigkeit des ärztlichen Attestes können nicht darauf gestützt werden, daß die ärztliche Bescheinigung keine Diagnose enthält. Eine Befundangabe in der dem Arbeitgeber vorzulegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung widerspricht der ärztlichen Schweigepflicht und der gesetzlichen Regelung gemäß § 3 I 1 LohnFG und ist daher grundsätzlich unzulässig.
c) Berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind dann angezeigt, wenn die ärztliche Diagnose auf keinem objektiven Befund, sondern auf den bloßen Angaben des Ar-beitnehmers beruht“; LAG Stuttgart: Zweifel an Richtigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung NJW 1975 2266).
Den Anwälten steht genau so viel Menschenwürde wie Arbeitnehmern zu!
Die Richter hätten der Kollegin also schon allein auf ihre Angaben hin glauben können, daß sie krank ist.
Daß Sie den Sachverhalt gerade umdrehen, läßt den Geschmack aufkommen, daß sie sich selbst an die Regel aus dem Sprichwort "Was ich selber denk‘ und tu‘, das trau ich jedem and’ren zu" orientieren. Ein fairer Umgang miteinander ist das jedenfalls nicht.
Dazu würde es dann passen, daß der Tenor in denkbar schlechtem Deutsch gefaßt ist ("wird für unbegründet erklärt"), wenn er in der uns vorliegenden Fassung direkt vom Gericht stammt. In gutem Deutsch muß es schlicht heißen "ist unbegründet".
Die Entscheidung lautet:
Tenor
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 29.06.2004 gegen den Vorsitzenden Richter am OLG F, den Richter am OLG I und den Richter am LG Dr. N wird für unbegründet erklärt.
Gründe
Die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten leiten zu Unrecht die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter daraus her, dass diese den Ablehnungsantrag der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.06.2004 gegen den Vorsitzenden Richter am OLG F – unter Mitwirkung des abgelehnten Richters – als unzulässig verworfen und in der Sache (durch Erlass eines die Berufung der Klägerin zurückweisenden Versäumnisurteils; der Verwerfungsbeschluss ist in Ziffer 2. jenes Versäumnisurteils enthalten) entschieden haben. Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht ohnehin kein selbständiges Ablehnungsrecht in eigener Person zu (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 42 Rz. 2 m.w.Nachw.) und die Klägerin kann bei vernünftiger Betrachtung nicht deshalb, weil die abgelehnten Richter das gegen den Vorsitzenden Richter am OLG F gerichtete Ablehnungsgesuch vom 16.06.2004 als rechtsmissbräuchlich bewertet und sich deshalb nicht gehindert gesehen haben, unter Mitwirkung dieses Richters sowohl über jenes Ablehnungsgesuch als auch in der Sache selbst zu entscheiden, die Besorgnis hegen, die zur Entscheidung berufenen Richter stünden der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber. Eine sachlich urteilende Partei würde sich nicht der Erkenntnis verschließen, dass die mit einer akuten Erkrankung der Rechtsanwältin M begründeten Anträge vom 15.06.2004 auf Verlegung des Verhandlungstermins vom 16.06.2004 nicht den Anforderungen entsprachen, welche die Rechtsprechung hieran stellt, und dass das Ablehnungsgesuch deshalb als der rechtsmissbräuchliche Versuch gewertet werden konnte, "die beantragte Terminsverlegung, die der Senat mit Rücksicht auf den nur substanzlos angegebenen Vertagungsgrund abgelehnt hat, auf dem Weg über eine Befangenheitsablehnung doch noch zu erzwingen" (wie es in der Begründung des Verwerfungsbeschlusses heißt).
in mit krankheitsbedingter Verhinderung des Prozessbevollmächtigten begründeter Terminsverlegungsantrag muss die nicht vorhersehbare Verhinderung schlüssig darlegen. Die Vorlage eines inhaltlich unergiebigen ärztlichen Attestes genügt hierzu nicht; die ärztliche Bescheinigung muss vielmehr so substantiiert sein, dass das Gericht aufgrund der darin enthaltenen Angaben in der Lage ist, die Frage der Reise- und/oder Verhandlungsfähigkeit selbst zu beurteilen (vgl. BVerwG, NJW 2001, 2735).Wird ein Antrag auf Terminsverlegung erst "in letzter Minute" gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, werden solche Angaben auch ohne gerichtliche Aufforderung verlangt (z.B. BFH vom 17.05.2000 – IV B 86/99 -, BFH/NV 2000, 1353). Im vorliegenden Fall sind die Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 15.06.2004 – per Fax – darauf hingewiesen worden, "dass der Verhandlungstermin am 16.06.2004 bestehen bleibt, weil eine Verhinderung von Frau Rechtsanwältin M nicht hinreichend dargelegt ist". Das stattdessen mit weiterem Faxschreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15.06.2004 eingereichte ärztliche Attest vom selben Tage genügt diesen Anforderungen ersichtlich nicht, weil es sich in der unsubstantiierten Erklärung erschöpft: "Frau M ist vom 15.06.2004 bis 16.06.2004 akut erkrankt und ist nicht reisefähig" und nicht einmal erkennen lässt, dass diese Bescheinigung auf einer eigenen Untersuchung der Anwältin und nicht etwa allein auf deren Angaben beruht. Die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten konnten daher nicht ernsthaft erwarten, dass dem Terminsverlegungsantrag nunmehr stattgegeben werden würde (ausweislich der Akten wurden sie denn auch aufgrund einer am Morgen des 16.06.2004 um 9.40 Uhr getroffenen Verfügung des Senatsvorsitzenden telefonisch davon unterrichtet, dass der – um 14.15 Uhr jenes Tages anberaumte – Verhandlungstermin bestehen blieb).
Aus den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass die Ermessensausübung durch den Senatsvorsitzenden, den Vorsitzenden Richter am OLG F, bei der Behandlung der Terminsverlegungsanträge jedenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Eine sachlich urteilende Partei würde denn auch hierauf nicht mit einem Ablehnungsgesuch reagiert, sondern sich – und ihre Prozessbevollmächtigten – gefragt haben, warum es an einer inhaltlich ergiebigeren Darstellung der krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit der Rechtsanwältin M (wie nunmehr in dem ergänzenden ärztlichen Attest vom 16.07.2004 nachgeholt) gemangelt hat. Es ist anerkannt, dass der abgelehnte Richter zu einer eigenen Entscheidung bzw. zu einer Mitwirkung an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch und in der Sache selbst befugt ist, wenn es sich um ein missbräuchliches Ablehnungsgesuch handelt. Das ist in der Rechtsprechung insbesondere dann vielfach bejaht worden, wenn die Verweigerung einer Terminsverlegung – selbst wenn sie zu Unrecht erfolgt sein mochte – zum Anlass genommen wurde, durch Anbringung eines auf diese Verweigerung gestützten Ablehnungsgesuchs – gewissermaßen in letzter Minute – eine Terminsverlegung doch noch zu erzwingen (LSG Schleswig, Beschluss vom 28.12.2001 – L 3 SF 25/01 SAB -, abrufbar in Juris; OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 1042; OLG Naumburg, NJW-RR 2002, 502; OLG Köln, OLGR 2003, 107). Anders verhält es sich nur dann, wenn sich der Partei den Umständen nach der Eindruck aufdrängen konnte oder musste, die Entscheidung trage nicht den in der Rechtsprechung anerkannten Maßstäben für eine Verweigerung der beantragten Terminsverlegung Rechnung und werde von verfahrensfremden Zwecken geleitet.
Davon kann hier ersichtlich keine Rede sein. Da vielmehr die mit anwaltlicher Verhinderung begründeten Verlegungsanträge vom 15.06.2004 selbst den aufgezeigten Maßstäben nicht entsprachen, konnte ein von den Prozessbevollmächtigten – nicht nur im Namen der Klägerin, sondern bezeichnenderweise auch noch aus vermeintlich eigenem Recht – stattdessen zur Verhinderung des Termins angebrachtes Ablehnungsgesuch bedenkenfrei als missbräuchlich angesehen und deshalb unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unzulässig verworfen werden. Da gegen diese Entscheidung keine sofortige Beschwerde möglich ist (vgl. BGH,WM 2003, 848), konnte sie zugleich mit der Sachentscheidung getroffen werden. Soweit die mit Schriftsatz vom 29.06.2004 gleichwohl eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin – nach gerichtlichem Hinweis auf die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels gemäß Verfügung vom 4.07.2004 – als Gegenvorstellung behandelt werden soll, ist hierüber nicht im vorliegenden Ablehnungsverfahren zu befinden. Zur Entscheidung über die Gegenvorstellung ist der Senat vielmehr unter Mitwirkung der erfolglos abgelehnten Richter berufen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.