Die namensmäßige Verwendung eines Namens als Internetdomain (hier müller.de) darf nur durch eine Person erfolgen, die selbst den Namen trägt. Dritte dürfen die Namensdomain auch dann nicht für sich registrieren, wenn sie (angeblich) im Auftrag eines Namensträgers handeln.
Landgericht Essen, Urteil vom 26. Mai 2004, Az. 44 0 166/03
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Freigabe der Internetdomain „müller.de“.
Am 01.03.2004 war es erstmals möglich, Domains mit Umlauten registrieren zu lassen. Die Klägerin, die den Nachnamen „Müller“ trägt, wollte am selben Tag die Domain „müller.de“ für sich bei der DENIC registrieren lassen. Sie wollte als Mediengestalterin für Digital- und Printmedien einen Internetauftritt unter eigenen Namen gestalten. Dieses war ihr jedoch nicht möglich, da die Domain „müller.de“ bei der DENIC bereits auf die Beklagte registriert war. Die Beklagte ist bei der DENIC als Domaininhaberin eingetragen. Die Klägerin bean-tragte bei der DENIC einen sogenannten Dispute-Eintrag. Dieser bewirkte nach den Regi-strierungsbedingungen der DENIC, dass die Beklagte die Domain nicht mehr auf Dritte übertragen kann. Die DENIC entsprach dem Antrag der Klägerin. Die Beklagte gab bislang keine Löschungserklärung gegenüber der DENIC ab.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe die streitgegenständliche Domain auf der Doma-in-Handelsplattform „sedo“ zum Verkauf angeboten. Sie meint, die Verpflichtung der Be-klagten zur Freigabe der Domain folge aus § 12 BGB. Die Beklagte sei unberechtigte Do-main-Inhaberin, da sie nicht Trägerin des Namens „Müller“ sei. Auch wenn die Beklagte von einem Berechtigten mit der Reservierung der Domain beauftragt worden sein sollte, könne dies nicht die Klägerin in der Durchsetzung ihres eigenen Rechts beeinträchtigen.
Mit Versäumnisurteil vom 08.06.2004 ist die Beklagte antragsgemäß verurteilt worden, durch schriftliche Erklärung die Internetdomain „müller.de“ gegenüber der zuständigen Vergabe-stelle, der DENIC e. G. …, zu löschen.
Gegen dieses, der Beklagten am 23.06.2004 zugestellte Urteil, hat die Beklagte mit am 07.07.2004 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Sie behauptet, von Rechtsanwalt Müller Anfang 2004 den Auftrag erhalten zu haben, die Domain „müller.de“ für ihn zu reservieren und dann bei Erfolg ein Web-Layout einzurichten. Da die Beklagte die Website erst noch habe gestalten müssen, habe sie die Domain bei der Handelsplattform „sedo“ im rahmen des von der Firma sedo angebotenen Domain-Parking Programms geparkt. Sie meint, es sei nicht ersichtlich, warum die Klägerin ein höheres In-teresse an der Domain habe als Rechtsanwalt Müller, für den sie die Registrierung vorge-nommen habe.
Entscheidungsgründe:
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus § 12 BGB zu. Danach kann derjeni-ge, dessen Recht zum Gebrauch eines Namens von einem anderen dadurch verletzt wird, dass dieser unbefugt den gleichen Namen gebraucht, von dem anderen Beseitigung der Be-einträchtigung verlangen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Klägerin steht als Trä-gerin des bürgerlichen Namens „Müller“ ein Recht zum Gebrauch des Namens zu.
Die Beklagte hat sich den Namen der Klägerin angemaßt. Eine Namensanmaßung liegt vor, wenn ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht und dadurch ein schutzwürdiges Interesse des Namensträgers verletzt (Heinrichs in Palandt, 63. Auflage, § 12 Rn. 19). Das hat die Beklagte getan, indem sie die Domain „müller.de“ auf sich als Inhaberin bei der DE-NIC registrieren ließ. Wer den Namen eines anderen als Domain-Namen gebraucht, verletzt dessen Namensrecht, wobei der Gebrauch des Namens bereits in der Registrierung als Do-main-Name liegt und nicht erst in der weitergehenden Benutzung (BGH, CR 2003, 845, 845; BGH NJW 2002, 2031, 2033; Heinrichs a.a.O. Rn. 21).
Der Gebrauch des Namens der Klägerin erfolgte auch unbefugt.
Eigene Rechte an dem Namen „Müller“ stehen der Beklagten unstreitig nicht zu. Es kann auch dahin stehen, ob die Beklagte von ihrem Prozessbevollmächtigten , Herrn Rechtsan-walt Müller, mit der Registrierung der Domain beauftragt worden ist. Denn auch für den Fall, dass sich der Vortrag der Beklagten bestätigte, könnte sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf solche Vereinbarungen berufen. Ein Namensträger kann zwar einem anderen gestatten, sei-nen Namen zu benutzen (Heinrichs a.a.O. Rn. 17). Aufgrund der Unübertragbarkeit des Na-mensrechts kann eine schuldrechtliche Abrede aber kein eigenes Namensrecht des zur Nut-zung des Namensberechtigten begründen ( Heinrichs a.a.O.). Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen, wonach sich derje-nige, der zur Geltendmachung der Rechte des Namensträgers ermächtigt wird, gegenüber Dritten auf die Priorität des von ihm benutzten Rechts berufen darf (vgl. Heinrichs a.a.O.). Damit sich die Beklagte auf eine entsprechende Vereinbarung berufen könnte, müsste dem-jenigen, von dem die Beklagte ihr Recht zur Benutzung des Namens ableiten will, gegenüber der Klägerin ein prioritäres Recht zustehen. Dem Rechtsanwalt Müller steht aber im Verhält-nis zur Klägerin keine Priorität in Bezug auf die Domain „müller.de“ zu. Die Priorität eines Rechts an einer Domain kann sich nur nach den für die Registrierung von Domains für alle Antragsteller verbindlichen Richtlinien und Bedingungen der DENIC richten. Die DENIC nimmt die Registrierungen nach dem zeitlichen Eingang der Anträge vor ( vgl. §2 Abs. ! DE-NIC Registreirungsbedingungen). Rechtsanwalt Müller selbst ist zu keiner Zeit als Domain-Inhaber registriert worden. Die Registrierung durch die Beklagte konnte nicht für ihn wirken, da sie im eigenen Namen gehandelt hat und nicht als Stellvertreterin auftrat. Damit ist die Beklagte Domain-Inhaberin. Demgegenüber hat sich die Klägerin im Verhältnis zu Rechts-anwalt Müller die Priorität gesichert, indem sie einen Dispute-Eintrag beantragte. Denn mit Eintragung des „Disputes“ hat die Klägerin ein Recht auf Nutzung der Domain gegenüber der DENIC deutlich gemacht (vgl. § 6 Abs. 2 Registrierungsbedingungen), was der Namensträ-ger, von dem die Beklagte ihr Recht herleiten will, nicht getan hat.
Das Ergebnis, dass sich die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht darauf berufen kann, aufgrund einer Vereinbarung mit einem berechtigten Namensträger zur Reservierung der Domain beauftragt gewesen zu sein, erweist sich auch aus Folgendem als richtig. Das Na-mensrecht der Klägerin ist ein absolutes Recht. Dieses absolute Recht kann nicht aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit einem Dritten, an der die Klägerin gar nicht beteiligt ist, beschränkt werden. Darauf würde es aber hinauslaufen, könnte die Beklagte die Klägerin wegen einer Vereinbarung mit einem Dritten daran hindern, von ihrem Namensrecht durch Registrierung einer Domain auf ihren Namen Gebrauch zu machen. Eine schuldrechtliche Vereinbarung hat nur Wirkung im Verhältnis der vertragsschließenden Parteien und kann sich nicht zu Lasten der Klägerin auswirken.
Für dieses Ergebnis sprechen auch Gründe der Rechtssicherheit und der Transparenz. Die Eintragung der Domain-Inhaberschaft bei der DENIC dient dazu, dass klar ersichtlich ist, wer der jeweilige Inhaber einer Domain ist. Dritte können so erkennen, ob sie durch die Registrie-rung einer Domain in ihren Namens- oder Kennzeichenrechten verletzt werden und danach entscheiden, ob sie dagegen vorgehen. Diese klare Zuordnung und Transparenz würde ent-wertet werden, wenn sich die als Inhaber der Domain Registrierten auf schuldrechtliche Ver-einbarung berufen könnten, die außerhalb des Registrierungsverfahrens stehen und für Dritte nicht ersichtlich sind. Es würde Gefahr geschaffen, dass diese Möglichkeit dann miss-braucht wird und entsprechende schuldrechtliche Vereinbarungen im Fall des Streits über eine Domain nur behauptet oder im Nachhinein geschlossen werden. Dies sollte im Interes-se der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit vermieden werden.
Es besteht auch kein tatsächliches Bedürfnis dafür, dass sich Dritte auf schuldrechtliche Vereinbarungen mit berechtigten Namensträgern berufen können. Es gibt andere Möglich-keiten, nach denen z.B. Web-Designer oder Provider für ihre Kunden gegenüber der DENIC auftreten können, ohne dass sie als Domain-Inhaber eingetragen sein müssen. So kann eine Eintragung als sogenannter Admin-C vorgenommen werden. Nach den Registrierungsrichtli-nien der DENIC ist dieser gegenüber der DENIC ein in sämtlichen Angelegenheiten Bevoll-mächtigter. Eine solche Lösung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bun-desgerichtshofs, wonach in erster Linie die Träger des Namens ein berechtigtes Interesse daran haben, mit dem eigenen Namen im Internet aufzutreten ( BGH, CR 2003, 845, 846). Aufgrund der oben gezeigten Alternative stehen dem schutzwürdige Interessen der Beklag-ten nicht entgegen.
Die Benutzung des Namens „Müller“ durch die Beklagte in Form der Registrierung der Inter-net-Domain „müller.de“ führt auch zu einer Zuordnungsverwirrung. Wie der Bundesgerichts-hof bereits entschieden hat, wird eine Zuordnungsverwirrung im Falle der Verwendung eines fremden Namens als Internet-Adresse ausgelöst ( BGH, CR 2003, 845, 845; BGHZ 149, 191, 199). Es reicht aus, dass der Dritte, der den fremden Namen verwendet, als Namens-träger identifiziert wird, dass es zu einer Verwechslung mit dem Namensträger kommt, ist nicht erforderlich (BGH, CR 2003, 845, 845). Wie der Bundesgerichtshof weiter ausführt, tritt eine derartige Identifizierung auch dann ein, wenn ein Dritter den fremden Namen namens-mäßig im Rahmen einer Internet-Adresse verwendet, das der Verkehr in der Verwendung eines unterscheidungskräftigen, nicht sogleich als Gattungsbegriff verstandenen Zeichens als Internet-Adresse einen Hinweis auf den (bürgerlichen) Namen des Betreibers des jeweili-gen Internet-Auftritts sehe (BGH; CR 2003, 845, 845). Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Betreiber der Domain ist als Domain-Inhaberin die Beklagte, die den Namen „Müller“ unstreitig nicht trägt. An dieser Zuordnungsverwirrung könnte auch eine schuldrecht-liche Berechtigung zum Gebrauch des Namens nichts ändern. Denn ob eine solche besteht und ggf. mit welcher Person eine entsprechende Vereinbarung geschlossen wurde, ist für denjenigen, der das Internet nutzt, nicht ersichtlich.
Darüber hinaus wird das schutzwürdige Interesse der Klägerin als Namensträgerin durch die Verwendung der Domain „müller.de“ durch die Beklagte auch in besonderem Maße beein-trächtigt. Denn die mit dieser Bezeichnung gebildete Internet-Adresse kann nur einmal ver-geben werden. Auch wenn die Klägerin es hinnehmen müsste, wenn ein anderer Namens-träger sich die Domain registrieren ließe, so muss sich nicht auch dulden, dass sie durch einen Nichtberechtigten von der Nutzung ihres eigenen Namens ausgeschlossen wird (vgl. BGH, CR 2003, 845, 846). Aus den oben bereits dargestellten Gründen handelt es sich bei der Beklagten im Bezug auf die Domain „müller.de“ im Verhältnis zur Klägerin um eine Nichtberechtigte.