Zuschlag auf wirtschaftlichstes Angebot nach Sachverständigen-Gutachten

Wirtschaftlich günstigstes Angebot bei niedrigsten Endkosten

Richtlinie 71/305 EWG Art. 29 I, II

EuGH
Urteil vom 18.10.2001
Rs. C-19/00 ( SIAC Construction Ltd ./. County Council of the Country of Mayo)

Leitsatz:

Art. 29 I und II Richtlinie 71/305 EWG des Rates vom 26.07.1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge in der durch die Richtlinie 89/440/EWG des Rates vom 18.07.1989 geänderten Fassung erlaubt es einem öffentlichen Auftrageber, der sich dafür entschieden hat, den Zuschlag für einen Auftrag dem wirtschaftlich günstigsten Angebot zu erteilen, den Auftrag dem Bieter zu erteilen, der das Angebot abgegeben hat, dessen Endkosten nach dem Gutachten eines Sachverständigen vermutlich die niedrigsten sind, sofern die Gleichbehandlung der Bieter gewahrt ist, was voraussetzt, dass die Transparenz und die Objektivität des Verfahrens gewährleistet sind, und insbesondere, dass dieses Zuschlagskriterium in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen klar benannt ist und das Sachverständigengutachten in allen wesentlichen Punkten auf objektive Faktoren gestützt ist, die in der fachlichen Praxis als für die vorgenommene Beurteilung maßgeblich und geeignet betrachtet werden.

Öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts

 
1. Öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts kann auch eine juristische Person des Privatrechts sein, wenn sie neben von ihr verfolgten gewerblichen Zwecken im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen hat; für das aus § 57 a Abs. 1 Nr. 2 Haus-haltsgrundsätzegesetz (= § 98 Nr. 2 GWB) ersichtliche Beherrschungskriterium reicht es aus, dass die letztlich hinter dem privatrechtlich organisierten Unternehmen stehende Gebietskörperschaft ihre Einflussmöglichkeiten auf dessen Vergabeentscheidungen mittelbar über Dritte ausüben kann.

2. Ein Unternehmen, das in einem ausdrücklich so bezeichneten "beschränkten Vergabeverfahren" der Sache nach ausschreibungspflichtige Dienstleistungen zum Gegenstand einer europaweiten Ausschreibung macht, unterwirft die potentiellen Bieter und sich selbst auch dann den Regeln der VOL/A, wenn die Kriterien eines "öffentlichen" Auf-traggebers auf es nicht zutreffen; es kann sich der Geltung dieses mit seiner eigenen Ausschreibung geschaffenen Rechtsrahmens nicht später dadurch einseitig entziehen, dass es in den Verdingungsunterlagen verlautbart, die Bieter hätten keinen Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen der VOL/A durch den Auftraggeber.

3. Die Wirksamkeit eines Angebots setzt grundsätzlich nicht voraus, dass die rechtsgeschäftliche Befugnis des das Angebot Unterzeichnenden hierzu der Vergabestelle mit dem Angebot selbst nachgewiesen wird.

4. Dem preisgünstigsten Bieter darf im Rahmen der Wertung nach § 25 Nr. 3 S. 1 VOL/A der Auftrag nur dann vorenthalten werden, wenn teurere Angebote bei anderen zulässigen Wertungskriterien einen ihren Preisnachteil kompensierenden konkreten Vorteil aufweisen; eine unter Verstoß hiergegen erfolgte Auftragsvergabe löst Ansprüche des Bestbieters auf Ersatz seines positiven Interesses auch dann aus, wenn der tatsächlich erteilte Auftrag im Detail von der vorangegangenen Ausschreibung abweicht, solange diese Änderungen nur die wirtschaftliche und technische Identitat des Beschafffungsvorhabens nicht berühren.

 
OLG Dresden
Urteil vom 09.03.2004
Az.: 20 U 1544/03

Spielraum bei Verhandlungsverfahren nach VOL/A

 
Auch im Verhandlungsverfahren darf das Beschaffungsvorhaben nicht so abgeändert werden, daß es dem Gegenstand der Ausschreibung nicht mehr entspricht.
 

amtlicher Leitsatz:

1. Ungeachtet der darin eröffneten Spielräume zur Konkretisierung des Auftragsinhalts erlaubt es ein Verhandlungsverfahren nach VOL/A nicht, im Ergebnis der mit dem Bieter geführten Gespräche andere Leistungen zu beschaffen als mit der Ausschreibung angekündigt; die Identität des Beschaffungsvorhabens, so wie es die Vergabestelle zum Gegenstand der Ausschreibung gemacht hat, muss gewahrt bleiben.

2. Von einem einheitlich ausgeschriebenen Auftrag können auch im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens nicht nach Ablauf der Angebotsfrist Teile der zu erbringenden Leistung dergestalt abgespalten werden, dass ihre Verwirklichung nach Auftragserteilung zusätzlich von der Ausübung einer an keine inhaltlichen Voraussetzungen gebundenen einseitigen Option des Auftraggebers abhängt; das gilt jedenfalls dann, wenn der verbleibende "Festauftrag" gegenüber dem ursprünglichen Ausschreibungsinhalt ein gegenständlich anderes Vorhaben ("aliud") darstellt.

 
OLG Dresden
Beschluss vom 03.12.2003

WVerg 15/03

Übergang ins Verhandlungsverfahren

 
Wenn die Vergabestelle das Scheitern des Vergabeverfahrens zu verantworten hat, kann sie nicht ohne weiteres anschließend in ein Verhandlungsverfahren übergehen.

amtlicher Leitsatz:

1. Antragsbefugt im Vergabenachprüfungsverfahren ist auch ein Unternehmen, das am Vergabeverfahren tatsächlich nicht beteiligt war, wenn es nach seinem Vorbringen möglich erscheint, dass der Vergabeverstoß gerade in seiner Nichtbeteiligung liegt.

2. Ein vom Antragsteller nicht unterschriebener Nachprüfungsantrag kann bis zur Entscheidung der Vergabekammer durch Nachholung der Unterschrift mit Wirkung für die Zukunft zulässig gemacht werden.

3. § 3a Nr. 2a VOL/ rechtfertigt nicht ohne weiteres den Übergang ins Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung, wenn der Vergabestelle das Scheitern des vorangegangenen Verfahrens zuzurechnen ist, weil die von ihr zu verantwortenden ursprünglichen Ausschreibungsbedingungen die Auftragserfüllung praktisch möglich gemacht haben und (auch) deshalb keine (wirtschaftlichen) Angebote eingegangen sind.

4. Jedenfalls wird an einem nachfolgenden Verhandlungsverfahren dann diejenigen Unternehmen zu beteiligen, die die Vergabestelle selbst im vorangegangenen Verfahren als zur Erfüllung des zu vergebenden Auftrags geeignet angesehen hat.

OLG Dresden
Beschluss vom 16.10.2001
WVerg 7/01