„Kraft meiner Wassersuppe“ – BVerfG und BGH und deutsche Sprache

Eigentlich erwartet man von obersten deutschen Gerichten eine überzeugende Argumentation, die das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof in zwei aktuellen Fällen aber eher vermissen lassen und durch ihr eigenes Sprachverständnis ersetzen.

Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt der Bild-Zeitung untersagt, eine ehemalige Fürther Landrätin als „durchgeknallt“ zu bezeichnen. Vermutlich hatte der Zeitungsautor noch eine Entscheidung im Sinn, als dasselbe Gericht es durchgehen lies, das ein Staatsanwalt als „durchgeknallt“ bezeichnet wurde.

Das sei damals eine andere Situation gewesen, nämlich eine spontane Äußerung in einem Strafverfahren und kein zivilprozessuales Verfahren und damit nicht vergleichbar, meint das Gericht jetzt. Jedenfalls ist „durchgeknallt“ plötzlich eine ehrverletzende und nicht zu rechtfertigende Äußerung. Das erstaunt ob der Tatsache, dass diese Äußerung nur eine von mehreren ist, deren Kritikgehalt mindestens ebenso heftig scheint. Die aber zulässig sein sollen …

Das Gericht setzt sich nicht groß mit seiner eigenen ständigen Rechtsprechung auseinander, dass es nicht zulässig ist, eine von mehreren Äußerungen aus dem Zusammenhang zu reißen. Es reißt einfach selbst den Begriff aus dem Zusammenhang heraus und findet dann dazu seine Würdigung.

Auch eine sprachliche Auseinandersetzung findet nicht statt. „Durchgeknallt“ ist eben unzulässig und fertig. Ein kurzer Blick auf duden.de hätte die eher harmlose Bedeutung des Begriffes deutlich gemacht. Eine sorgfälitge Begründung sieht jedenfalls anders aus, als das Gericht sie jetzt gefunden hat.

Ähnlich „qualifiziert“ äußert sich jetzt der BGH in einer Entscheidung, die sich mit besonders an Kinder gerichteter Werbung auseinander setzen sollte. Eine Auseinandersetzung, die nach Meinung ihrer Kritiker misslungen ist. Es ging um folgende Aussagen:

Pimp deinen Charakter-Woche (Überschrift) 

Ist Dein Charakter bereit für kommende Abenteuer und entsprechend gerüstet?
Es warten tausende von Gefahren in der weiten Welt von Taborea auf Dich und
Deinen Charakter. Ohne die entsprechende Vorbereitung kann die nächste
Ecke im Dungeon der letzte Schritt gewesen sein.
Diese Woche hast Du erneut die Chance Deinen Charakter aufzumotzen!
Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen
das gewisse ‚Etwas‘!
Von Montag, den 20. April 17:00 bis Freitag, den 24. April 17:00 hast du die
Chance,
Deinen Charakter aufzuwerten!“

enthält danach überwiegend „kindertypische“ Begriffe, womit das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Außer kindertypisch sollen nach dem Leitsatz noch das Duzen und gebräuchliche Anglizismen sein, was dann zur Untersagung des Satzes führt:

„Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‚Etwas‘“

Einen Anglizismus findet man in diesem Satz überhaupt nicht und auch sonst ist das wohl eher ein banaler Werbespruch als spezifische Kinderwerbung. Und wenn „Du“ und Anglizismen im Online – Bereich kindertypisch sind, dann wäre das halbe Internet kindertypisch. Das sieht eher nach „an der Realität vorbei“ aus als nach einem wohl begründeten Urteil.