Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte – Bundesverfassungsgericht und doch kein Ende? 

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.06.2006 konnte eigentlich davon ausgegangen werden, daß die Diskussion über den Rechtschutz im Unterschwellenbereich beendet gewesen sei. Eine Entscheidung des OVG NRW vom 12.01.2007 zeigt dagegen, daß dies noch nicht der Fall ist:

Das OVG NRW hat am 12.01.2007 (15 E 1/07) entschieden, daß gegen Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte und damit außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 97 ff. GWB grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

In dem durch das OVG NRW zu entscheidenden Fall hatte ein Bieter, dessen Angebot im Rahmen eines Vergabeverfahrens im Unterschwellenbereich von der Wertung ausgeschlossen worden war, vor dem VG Gelsenkirchen Rechtsschutz gesucht. Er beantragte der Vergabestelle im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Zuschlag vorerst nicht zu erteilen und die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung seines Angebots zu wiederholen. Das Verwaltungsgericht sah den Verwaltungsrechtsweg für eröffnet an. Hiergegen erhob die Vergabestelle Beschwerde zum OVG.

Das OVG NRW hat die Beschwerde zurückgewiesen und sowohl die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs für Vergaben außerhalb des Anwendungsbereichs des Vergaberechts als auch die Einordnung der Vergabe öffentlicher Aufträge als zweistufigen Vorgang bestätigt.

Nach dieser Entscheidung befasse sich die erste Stufe mit einem ein streng formalisierten Auswahlverfahren auf der Grundlage der Vorgabe der Verdingungsordnungen, dessen Ergebnis als hoheitliche Entscheidung verwaltungsgerichtlich überprüfbar sein müsse.

Das Gericht führte aus, daß der öffentlich-rechtliche Charakter des auf der ersten Stufe zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bestehenden Gleichordnungsverhältnisses daraus folge, dass dieses Sonderregelungen unterworfen sei, die nur für Träger öffentlicher Aufgaben gelten. Es sei unerheblich, dass die erste Verfahrensstufe ihren Abschluss nicht in einer eigenständigen formalisierten Entscheidung finde. Dies sei kein Strukturmerkmal zweistufiger Rechtsverhältnisse. Darüber hinaus müsse beachtet werden, dass die Einhaltung der Verdingungsordnungen den Trägern öffentlicher Gewalt durch Verwaltungsvorschriften verbindlich vorgegeben sei. Nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG könne dies im Außenverhältnis auch von den Bietern gefordert werden.

Diese Frage sei auch nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 13.06.2006 (1 BvR 1160/03) gewesen. Mithin hindere diese Entscheidung nicht, den Verwaltungsgerichtsweg für eröffnet zu halten. Jedoch wurde durch das OVG die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung habe.

 

Die Entscheidung im Volltext können Sie auf der Seite des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen nachlesen.

Geltendmachung von Vergaberechtsverstößen im Unterschwellenbereich

Redaktionelle Anmerkung: Die Entscheidung ist durch neuere Rechtsprechung überholt. Diese wird hier ebenfalls  in Kürze erscheinen.

 

Das OVG Rheinland-Pfalz hatte mit Beschluss vom 25.05.2005 (Az.: 7 B 10356/05) entschieden, dass für die Geltendmachung von Vergaberechtsverstößen im Unterschwellenbereich die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs gegeben ist. Diese Entscheidung ist nunmehr aus formalen Gründen für wirkungslos erklärt worden.

Beschluss vom 13.07.2005, Verwaltungsgericht Koblenz (AZ.: 6 L 2617/04)

 

Mit Beschluss vom 13.07.2005 hat das Verwaltungsgericht Koblenz (AZ.: 6 L 2617/04) einen Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz vom 25.05.2005 für wirkungslos erklärt. Zuvor hatten sich die Parteien des anhängigen Rechtsstreits verglichen und die übereinstimmende Erledigung erklärt. Das OVG hatte seine Entscheidung mit der Anwendung einer "Zwei-Stufen-Theorie" begründet. Nach dieser gehe dem Abschluss des privatrechtlichen Vertrages im Vergaberecht, d. h. der Annahme eines Angebots durch den Zuschlag als zweiter Stufe, grundsätzlich eine erste Stufe in Form des eigenständigen hoheitlichen Vergabeverfahrens voraus. Dieses Vergabeverfahren unterliege öffentlich-rechtlichen Bindungen und mithin auch der verwaltungsgerichtlichen Überprüfbarkeit. Es müsse berücksichtigt werden, dass eine hoheitliche Vergabeentscheidung nicht mit deren Vollzug, also dem Vertragsschluss durch Zuschlag verbunden und damit einheitlich privatrechtlich beurteilt werden dürfe, wenn hierdurch vollendete Tatsachen geschaffen werden. Es genüge in derartigen Fällen nicht, potentielle Bieter auf Sekundärrechtsschutz zu verweisen. Insoweit müsse primärrechtlicher Rechtsschutz auch außerhalb der §§ 97 ff. GWB gegeben sein.

Das VG Koblenz hat nunmehr mit Beschluss vom 13.07.2005 das vorliegende Verfahren "Beschaffung von Rüstungsgütern durch das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung" nach übereinstimmender Erledigungserklärung durch die Beteiligten eingestellt. Gleichzeitig wurden die Beschlüsse vom 31.01.2005 (VG) sowie vom 25.05.2005 (OVG Rheinland-Pfalz) für wirkungslos erklärt.

Die beiden vorgenannten Entscheidungen sind damit juristisch nicht mehr existent (vgl. § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Es ist jedoch zu beachten, dass es sich bei der Entscheidung des VG Koblenz um eine rein prozessuale Entscheidung gehandelt hat. Es dürfte sich nämlich an der Rechtsauffassung des OVG Rheinland-Pfalz – dass für die Geltendmachung von Vergaberechtsverstößen auch die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs gegeben ist – mit der vorliegenden Entscheidung nichts geändert haben. Mit Blick auf ähnlich gelagerte Sachverhalte bleibt also die weitere obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage des vergaberechtlichen Rechtsschutzes unterhalb der EU-Schwellenwerte abzuwarten.