Artikel 9 – Vertragsstrafen

Richtige Vereinbarung von Vertragsstrafen und angemessene Obergrenzen.

In Verträgen, welche durch die öffentliche Ausschreibung geschlossen werden, sind Vertragsstrafen nicht von vornherein Vertragsbestandteil, können aber nach § 11 VOL/B Gegenstand der Vereinbarung sein. Wenn nun solche in der Ausschreibung durch die öffentliche Hand vereinbart werden sollen, muß die entsprechende Regelung entweder in den BVB, ZVB oder anderen, Vertragsbestandteil werdenden Ausschreibungsunterlagen, enthalten sein.

Jedoch reicht allein eine solche Einbeziehung in den Vertrag nicht aus. Die Vertragsstrafen müssen nach der Rechtssprechung auch eine Reihe von Bedingungen erfüllen, um überhaupt wirksam vereinbart zu sein. So kommt es nämlich des Öfteren vor, daß überhaupt keine wirksame Vereinbarung vorliegt, bzw. eine solche durch die Gerichte aufgehoben wird.

Damit man weiß, wann eine solche Vereinbarung auch wirksam ist, muß man sich erst einmal den Charakter der Vertragsstrafe verdeutlichen. Diese stellt keinen Selbstzweck dar, sondern soll den Auftragnehmer anhalten, die von ihm geschuldete Leistung vertragsgemäß zu erfüllen. Weiterhin stellt sie auch einen „pauschalierten Schadensersatz“ dar, womit bis zur Höhe der fällig gewordenen Vertragsstrafe ein solcher Schaden durch den Auftraggeber nicht nachgewiesen werden muß.

Nach § 12 VOL/A sollen Vertragsstrafen nur für die Überschreitung von Ausführungsfristen ausbedungen werden. Dieser Bereich ist also der Hauptanwendungsfall.

Sind z. B. für die Überschreitung mehrerer nacheinanderfolgender Ausführungstermine Vertragsstrafen vereinbart und ist es dem Auftragnehmer nicht möglich, bei Überschreitung bereits des ersten Ausführungstermins bei aller Anstrengung die weiteren einzuhalten, so ist die Vereinbarung der weiteren Vertragsstrafen unwirksam, der Auftragnehmer muß lediglich die erste zahlen.

Auch dürfen Vertragsstrafen nur in angemessener Höhe vereinbart werden. Wenn für jeden Tag der Überschreitung ein bestimmter Satz vereinbar t ist, muß dieser auch angemessen sein. Feste Regeln gibt es dafür jedoch nicht. So hat der Bundesgerichtshof 1,5 % je Arbeitstag für unwirksam erklärt, 0,1 % je Arbeitstag und höchstens 10 % der Angebotssumme jedoch für wirksam gehalten.

Die Vertragsstrafe ist selbstverständlich nur verwirkt, wenn der Auftragnehmer mit seiner Leistung verschuldet in Verzug gerät. Liegt es dagegen am Auftraggeber, daß die Erfüllung nicht oder nicht fristgemäß erfolgen kann, z. B. weil er die zur Ausführung nötigen Konstruktionspläne nicht rechtzeitig geliefert hat, kann er selbstverständlich vom Auftragnehmer auch keine Vertragsstrafe verlangen.

Das Beispiel aus der Praxis:
Bei der Durchführung eines Lieferauftrages wurde für Verzögerungen eine Vertragsstrafe von 0,1 % je Arbeitstag, höchstens jedoch 5 % der Auftragssumme vereinbart. Bei der Lieferung sollte der Auftraggeber Begleitpersonal stellen. Aufgrund von Streiks kam es zu einer Verzögerung der Auslieferung auf Seiten des Auftragnehmers um zwanzig Tage. Diese Verzögerung wurde von ihm auch ordnungsgemäß angezeigt, so daß er ein Recht auf die angemessene Verschiebung des Lieferzeitpunktes hatte. Zum neu festgesetzten Liefertermin konnte der Auftraggeber jedoch nicht das von ihm zu stellende Personal aufbringen, um die Lieferung zu begleiten. Daher mußte die Lieferung um weitere zehn Tage verschoben werden.

Zu diesem neu vereinbarten Termin konnte der Auftragnehmer jedoch nicht das notwendige Transportfahrzeug stellen, so daß erst fünf Tage später die Lieferung erfolgte.

Der Auftraggeber machte nun 3,5 % der Auftragssumme als Vertragsstrafe geltend. Diese berechnete er aus den zwanzig Tagen Verzögerung durch den Streik, die daran anschließenden zehn Tage Verzögerung wegen ihm fehlenden Personals und den weiteren fünf Tagen aufgrund des nicht bereitgestellten Transportfahrzeuges.

Der Auftraggeber konnte jedoch lediglich für die vom Auftragnehmer verschuldeten fünf Tage Verzögerung Vertragsstrafe verlangen. Sowohl die ersten zwanzig als auch die nachfolgenden zehn Tage hatte dieser nicht zu verschulden. Somit konnte der Auftraggeber vom Auftragnehmer lediglich 0,5 % der Auftragssumme fordern.