Geltendmachung von Vergaberechtsverstößen im Unterschwellenbereich

Redaktionelle Anmerkung: Die Entscheidung ist durch neuere Rechtsprechung überholt. Diese wird hier ebenfalls  in Kürze erscheinen.

 

Das OVG Rheinland-Pfalz hatte mit Beschluss vom 25.05.2005 (Az.: 7 B 10356/05) entschieden, dass für die Geltendmachung von Vergaberechtsverstößen im Unterschwellenbereich die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs gegeben ist. Diese Entscheidung ist nunmehr aus formalen Gründen für wirkungslos erklärt worden.

Beschluss vom 13.07.2005, Verwaltungsgericht Koblenz (AZ.: 6 L 2617/04)

 

Mit Beschluss vom 13.07.2005 hat das Verwaltungsgericht Koblenz (AZ.: 6 L 2617/04) einen Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz vom 25.05.2005 für wirkungslos erklärt. Zuvor hatten sich die Parteien des anhängigen Rechtsstreits verglichen und die übereinstimmende Erledigung erklärt. Das OVG hatte seine Entscheidung mit der Anwendung einer "Zwei-Stufen-Theorie" begründet. Nach dieser gehe dem Abschluss des privatrechtlichen Vertrages im Vergaberecht, d. h. der Annahme eines Angebots durch den Zuschlag als zweiter Stufe, grundsätzlich eine erste Stufe in Form des eigenständigen hoheitlichen Vergabeverfahrens voraus. Dieses Vergabeverfahren unterliege öffentlich-rechtlichen Bindungen und mithin auch der verwaltungsgerichtlichen Überprüfbarkeit. Es müsse berücksichtigt werden, dass eine hoheitliche Vergabeentscheidung nicht mit deren Vollzug, also dem Vertragsschluss durch Zuschlag verbunden und damit einheitlich privatrechtlich beurteilt werden dürfe, wenn hierdurch vollendete Tatsachen geschaffen werden. Es genüge in derartigen Fällen nicht, potentielle Bieter auf Sekundärrechtsschutz zu verweisen. Insoweit müsse primärrechtlicher Rechtsschutz auch außerhalb der §§ 97 ff. GWB gegeben sein.

Das VG Koblenz hat nunmehr mit Beschluss vom 13.07.2005 das vorliegende Verfahren "Beschaffung von Rüstungsgütern durch das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung" nach übereinstimmender Erledigungserklärung durch die Beteiligten eingestellt. Gleichzeitig wurden die Beschlüsse vom 31.01.2005 (VG) sowie vom 25.05.2005 (OVG Rheinland-Pfalz) für wirkungslos erklärt.

Die beiden vorgenannten Entscheidungen sind damit juristisch nicht mehr existent (vgl. § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Es ist jedoch zu beachten, dass es sich bei der Entscheidung des VG Koblenz um eine rein prozessuale Entscheidung gehandelt hat. Es dürfte sich nämlich an der Rechtsauffassung des OVG Rheinland-Pfalz – dass für die Geltendmachung von Vergaberechtsverstößen auch die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs gegeben ist – mit der vorliegenden Entscheidung nichts geändert haben. Mit Blick auf ähnlich gelagerte Sachverhalte bleibt also die weitere obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage des vergaberechtlichen Rechtsschutzes unterhalb der EU-Schwellenwerte abzuwarten.

Überprüfung Antragsbefugnis durch das Bundesverfassungsgericht

Entscheidend für das Vorliegen der Antragsbefugnis im Vergabeverfahren ist die Eignung der gerügten Vergaberechtsverstöße, eine Chancenbeeinträchtigung (auf den Zuschlag des antragstellenden Bieters) begründen zu können. An die Darlegung des entstandenen oder drohenden Schadens im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB werden keine sehr hohen Anforderungen gestellt.

 

BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004 – 2 BvR 2248/03

Damit der Bieter bei öffentlichen Ausschreibungen die Einhaltung der Verfahrensvorschriften vor Gericht nachprüfen lasssen kann, hat er das sogenannte Rechtsschutzbedürfnis nachzuweisen. Dazu muss er im Antrag an das Gericht darlegen, dass sich bei den gerügten Vergaberechtsverstößen die Aussichten auf den Zuschlag zumindest verschlechtern könnten.

In der letzten Zeit ist durch einige Vergabekammern und Gerichte dieses Merkmal immer mehr ausgeweitet worden. So mussten die Antragsteller nachweisen, dass sie bei korrekter Anwendung der Vergabevorschriften den Auftrag erhalten hätten. Verständlicherweise ist dies nur schwer möglich, da dazu Berechnungen und Kalkulationen erforderlich waren, welche nicht immer ohne Mitarbeit des Ausschreibenden durchgeführt werden konnten. Dadurch wurde die Beweislast umgekehrt, die Bieter konnten den drohenden Schaden (durch den Vergabeverstoß den Auftrag nicht zu erhalten) nur schwer nachweisen.

Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben, in welchem dieses vom Bieter gefordert hatte im Einzelnen darzustellen, inwieweit sein ursprüngliches Angebot auch bei einem fehlerfreien Verfahren im Vergleich zu dem Angebot des Mitbieters ausreichende Chancen auf den Zuschlag gehabt hätte.

So ist es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes ausreichend wenn geltend gemacht wird, dass durch unklare Ausschreibungsunterlagen ein Verstoß gegen die Chancengleichheit vorliege. Bei einer derartigen Rüge aber ist ein (drohender) Schadenseintritt im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ohne weiteres dargelegt. Es dürfe an die Darlegung des entstandenen oder drohenden Schadens im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB keine sehr hohen Anforderungen gestellt werden.

Fazit: Diese Entscheidung stellt die Anforderungen an die Darlegung des Zusammenhanges zwischen Vergabeverstoß und drohendem Schadenseintritt im Antrag auf Nachprüfung der Vergabeentscheidung wieder vom Kopf auf die Füße. Die Gerichte sind in letzter Zeit von einem zu hohen Prüfungsmaßstab ausgegangen, die dadurch aufgestellte Hürde drohte zu Lasten der Bieter unüberwindlich zu werden.

Die vollständige Entscheidung finden Sie hier.