Teure Rache eines enttäuschten Liebhabers

1. Die unberechtigte Veröffentlichung und Verbreitung erotischer Fotos über das Internet ist eine unerlaubte Handlung und gibt dem Verletzten ein Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 BGB, Art. 1 I, 2 I GG) sowie auch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB).

2. Für die Höhe des Schmerzensgeldes sind neben der Art und Intention der Tatausführung insbesondere die Folgen dieser Handlung für die Kl. von Bedeutung. Insoweit hat der Bekl. selbst dargestellt, dass eine endgültige Entfernung der Bilddateien aus dem Internet nach dem derzeitigen technischen Stand nicht möglich ist, da weder die Identität desjenigen festgestellt werden kann, der die Bilder herunterlädt, noch zu ermitteln ist, wer diese Bilder erneut einstellt und damit seinerseits wieder zur Verbreitung freigibt.

LG Kiel, Urteil vom 27. 4. 2006 – 4 O 251/05

Der vom Landgericht Kiel entschiedene ist ein offenbar recht krasser Fall enttäuschter Liebe, die den sich rächenden enttäuschten Liebhaber sehr teuer zu stehen kam.

Sachverhalt:

Die Kl. war mit dem Bekl. seit November 2001 befreundet. Sie trennte sich im Dezember 2002 von ihm. Während ihrer Beziehung hatte der Bekl. von der Kl. mit seiner digitalen Kamera Fotografien gefertigt, von denen zwei die Kl. lächelnd, mit entblößter Brust auf dem Bett sitzend zeigen, mit dem An- oder Auskleiden beschäftigt, während sie auf dem dritten Foto vollkommen entblößt schlafend zu sehen ist. Diese Fotos hatte er ihr auf einer CD im November 2002 zukommen lassen. Nach Beendigung der Beziehung versuchte der Bekl. zunächst noch bis Mitte Februar 2003, die Kl. wieder für sich zu gewinnen. Als dies misslang, stellte der Bekl. die drei Fotos von der Kl. auf einer Tauschbörse ins Internet, nachdem er sie derart bearbeitet hatte, dass in der linken oberen Ecke in roter Schrift Name, vollständige Postanschrift und Telefonnummer der Kl. eingeblendet wurden und in der rechten oberen Ecke das Wort „… danach!“. Um diese Fotos anderen Mitgliedern der Tauschbörse zur Verfügung zu stellen, musste er sie eigens dafür vorsehen und in eine eigene Datei einlegen, auf die dann – weltweit unbegrenzt – der Zugriff eröffnet war, so dass jeder Betrachter die Bilder herunterladen und auch seinerseits zum Betrachten und Herunterladen wieder einstellen konnte.

Die Kl. erhielt am 17. 3. 2003 gegen 12.30 Uhr den Anruf eines ihr unbekannten Mannes, der ihr von der Internet-Veröffentlichung der Fotos berichtete und ihr diese Fotos auf ihre Bitte per E-Mail zusandte. Noch am selben Tage erstattete die Kl. gegen den Bekl. Strafanzeige und stellte Strafantrag; er wurde Anfang Februar 2004 rechtskräftig wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Auf die Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Kl. vom 23. 3. 2003 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung eines Schmerzensgeldes von 11000 Euro bis zum 14. 4. 2003 ließ der Bekl. mit anwaltlichem Schreiben vom 17. 4. 2003 erklären, er habe sämtliche Fotos der Kl. einschließlich der gespeicherten Dateien bzw. des Negativmaterials mittlerweile gelöscht und außer den drei Fotografien weitere Veröffentlichungen nicht vorgenommen, und er bot ein Schmerzensgeld von 1500 Euro an. Gleichzeitig ließ er einen entsprechenden vorformulierten Vergleichsvorschlag übersenden, der auch die geforderte Unterlassungserklärung abänderte. Als die Kl. sich hierzu nicht äußerte, überwies er auf ein erneutes Aufforderungsschreiben vom 20. 1. 2004 als abschließende Schmerzensgeldzahlung Ende Januar 2004 einen Betrag von 2000 Euro. Ein gesonderter Ausgleich der auf diesen Streitwert berechneten Anwaltskosten der Kl. von 141,94 Euro erfolgte nicht.

Zu dieser Zeit erhielt die Kl. zwei Schreiben von ihr unbekannten Männern, die mitteilten, sie hätten die Fotos mit der Anschrift der Kl. im Internet gesehen und wären an Kontakten interessiert. Nachdem die Kl. im Jahre 2004 mit ihren Kindern ausgewandert war, wurde auf Grund der Fotografien eine Namensvetterin der Kl. am 14. 10. 2005 gegen 2 Uhr nachts angerufen und mit schlüpfrigen Angeboten überzogen. Eine Recherche vom 6. 12. 2005 ergab, dass die Fotos nach wie vor im Internet zu finden waren. Die Kl. behauptet, durch die Veröffentlichung der Fotos im Internet sei sie, insbesondere wegen der Angabe von Anschrift und Telefonnummer, in den Bereich der Prostitution gerückt worden. Der Bekl. habe seinerzeit die Fotos von ihr gemacht, weil er seine neue Digitalkamera habe ausprobieren wollen. Sie habe – unstreitig – ihr Einverständnis nur unter der Bedingung gegeben, dass er die Fotos anschließend wieder lösche, und dies auch von ihm gefordert, als er ihr später die CD übersandt habe. Dies habe er ihr auch zugesagt und sie habe darauf vertraut. Den Entschluss, auszuwandern habe sie während des laufenden Strafverfahrens gegen den Bekl. gefasst im Hinblick darauf, dass die Bilder nach wie vor in der Tauschbörse bis heute verfügbar seien. Ursprünglich sei dies keineswegs geplant gewesen, vielmehr habe sie – unstreitig – ihre Kinder im August 2003 eingeschult und im Oktober 2003 in ihrer damaligen Wohnung eine Praxis eingerichtet, in der sie – ebenfalls unstreitig – bis April 2004 gearbeitet habe. Sie habe aber gefürchtet, dass bei jeder Art von Werbung für ihre Praxis die Gefahr von Nachstellungen zunehmen und sich eine Negativ-Publicity entwickeln werde. Ihre Namensvetterin erhalte, wie ebenfalls unstreitig ist, unter Bezugnahme auf die Internet-Veröffentlichungen noch heute belästigende Anrufe. Die Kl. hält ein Schmerzensgeld von mindestens 11000 Euro für angemessen.

Sie beantragt,

1. den Bekl. zu verurteilen, an sie ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszins seit dem 15. 4. 2003 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 141,94 Euro zu zahlen sowie

2. festzustellen, dass der Bekl. verpflichtet sei, ihr jeglichen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr auf Grund der unbefugten Veröffentlichung der streitgegenständlichen Nacktfotos entstehen werde, namentlich hinsichtlich der Kosten einer effizienten Entfernung der Bilddateien aus dem Internet.

Gründe 

Die Klage hatte Erfolg.

Der Kl. steht gegen den Bekl. auf Grund der unberechtigten Veröffentlichung und Verbreitung erotischer Fotos von ihr über das Internet aus unerlaubter Handlung ein Schmerzensgeld wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 BGB, Art. 1 I, 2 I GG) sowie auch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu.

Die Haftung des Bekl. steht zwischen den Parteien dem Grunde nach außer Streit. Entgegen der Ansicht des Bekl. ist jedoch der von ihm zehn Monate nach erstmaliger Aufforderung gezahlte Schmerzensgeldbetrag nicht ausreichend, sondern in Anbetracht der Schwere und insbesondere der Permanenz der Verletzung der Kl. sowie der Nichtigkeit des Anlasses und der mit einigem Aufwand umgesetzten Schädigungsabsicht des Bekl. vollkommen unangemessen.

Der Bekl. hat, allein um der Kl. Schaden zuzufügen und sie buchstäblich vor aller Welt bloßzustellen, intime Fotos der Kl. verbreitet, die niemals für eine Betrachtung durch Dritte bestimmt waren und von denen mindestens das eine, sie unbekleidet schlafend zeigende, auch ohne ihr Wissen aufgenommen worden ist. Er hat darüber hinaus diese digitalen Fotografien eigens in einer Weise bearbeitet, dass – durch das Wort „… danach!“ – nicht nur eindeutig auf einen vollzogenen Geschlechtsverkehr angespielt wurde, sondern – durch die eingestellte vollständige Postanschrift und Telefonnummer – auch noch eine ebenso eindeutige Kontaktaufforderung enthalten war. Indem er die so bearbeiteten Fotos in eine eigene Datei (mit einer gezielt sexuelle Neugier weckenden Dateibezeichnung) brachte und auf einer Tauschbörse anonym, das heißt ohne Hinweis auf seine eigene Urheberschaft, Dritten zum Betrachten wie auch zum Herunterladen präsentierte, hat er bewusst den Eindruck erweckt, die Kl. betreibe auf diese Weise Werbung für sich und sei geneigt, den Geschlechtsverkehr mit jedem beliebigen unbekannten Mann durchzuführen. Daran ändert es auch nichts, dass es sich um keine gestellten Fotos, sondern ersichtliche Amateur-Schnappschüsse handelte; vielmehr ist nicht auszuschließen, dass gerade diese Art von Fotografien auf einige Betrachter reizvoll wirkte. Eben diese Wirkung lassen auch die beiden der Kl. im Januar 2004 zugegangenen Schreiben kontaktsuchender Männer erkennen.

Die Tatsache, dass der Bekl. nicht aus kommerziellen Motiven gehandelt hat, ist entgegen seiner Ansicht kein Grund für eine Ermäßigung des Schmerzensgeldes, da er vorliegend allein von dem niedrigen Beweggrund getrieben war, sich an der Kl., die sich auf eine Fortführung der Beziehung mit ihm nicht einlassen mochte, zu rächen.

Der Bekl. kann sich auch nicht, wie mit Schriftsatz vom 23. 3. 2006 geschehen, auf eine „affektähnliche Handlung“ berufen. Abgesehen davon, dass er selbst keinerlei konkretes Ereignis nennt, das ihn plötzlich derart hätte außer sich geraten lassen, weist die Präparierung der Fotos durch Einfügung von Kommentar und Anschrift vor der Veröffentlichung deutlich auf eine sorgsame und mit Zielstrebigkeit umgesetzte Planung der Tat hin. Dass er, falls seine Angaben zutreffen, die Bilder nicht länger als 14 Stunden im Internet zur Verfügung gestellt hat, entlastet ihn nicht, da in dieser Zeit, wie er auch erkannt hatte, bereits drei Mitglieder der Tauschbörse die Fotos heruntergeladen hatten und damit die sich später verwirklichende Möglichkeit bereits eröffnet war, dass diese Bilder über das Internet verbreitet würden. Die Behauptung des Bekl., diese Eigendynamik sei ihm damals nicht klar und jedenfalls nicht beabsichtigt gewesen, hält das Gericht für eine reine Schutzbehauptung, denn der Bekl. war sowohl mit der Wirkungsweise des Internets als auch speziell mit der Funktion derartiger Tauschbörsen vertraut.

Das von dem Bekl. am 5. 4. 2003 und damit zwei Wochen nach der bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung und vorübergehenden Beschlagnahme von PC und Digitalkamera und nach Einschaltung seines Anwalts gefertigte Schreiben an die Kl. wirkt eher wie der Versuch, sich „reinzuwaschen“ als wie der Ausdruck ehrlichen Bedauerns: So wirft der Bekl. der Kl. vor, sie habe ihn mit seinen Gefühlen, Wünschen und Hoffnungen „eiskalt stehen gelassen“, was er als „herzlos und egoistisch“ empfinde und „die Schmerzen, die er ertragen habe“, hätten ihn zu der Unüberlegtheit geführt, die er „wie in einem Traumzustand“ begangen habe. Auch Sätze wie „Statt offen aufeinander zuzugehen und ehrlich miteinander zu reden, werde ich diese rechtlichen Folgen (der Verbreitung der Fotos) hinnehmen müssen. Dennoch bin ich im Rückblick sehr verletzt und enttäuscht über das Geschehene …“, sprechen eher für Selbstmitleid als Selbstkritik des Bekl. Diesen Eindruck erweckte der Bekl. auch in seiner persönlichen Anhörung, in welcher er einerseits darauf verwies, dass die Kl. ja selbst zum Bekanntwerden seiner Handlungen beigetragen habe, indem sie davon – was er schriftsätzlich als ihre „erfolgreiche Rache“ bezeichnet hat – ihren Bekannten gegenüber gesprochen habe, um sogleich anschließend zu erklären, über ihn seien Gerüchte im Zusammenhang mit Kinderpornografie aufgekommen, die dazu geführt hätten, dass man ihn geschnitten habe, und aus diesem Grunde seien die beiden letzten Jahre die schlimmsten seines Lebens gewesen.

Für die Höhe des Schmerzensgeldes sind neben der Art und Intention der Tatausführung insbesondere die Folgen dieser Handlung für die Kl. von Bedeutung. Insoweit hat der Bekl. selbst dargestellt, dass eine endgültige Entfernung der Bilddateien aus dem Internet nach dem derzeitigen technischen Stand nicht möglich ist, da weder die Identität desjenigen festgestellt werden kann, der die Bilder herunterlädt, noch zu ermitteln ist, wer diese Bilder erneut einstellt und damit seinerseits wieder zur Verbreitung freigibt. Da auch die Dateinamen frei veränderbar und zumindest teilweise auch bereits verändert worden sind, muss nach den gegenwärtigen Erkenntnissen die Kl. damit rechnen, zeitlebens von Dritten auf diesen Fotos „besichtigt“ zu werden, ohne dass sie weiß und jemals kontrollieren kann, ob und wann jemandem aus ihrem Bekanntenkreis diese Bilder bekannt geworden sind und ob das von Dritten ihr gegenüber an den Tag gelegte Verhalten auf die Kenntnis von diesen Fotos zurückzuführen ist. Entgegen der Ansicht des Bekl. ist es damit nicht entscheidend, ob und wann zuletzt die Kl. auf Grund eindeutiger Veranlassung durch die Internetveröffentlichung konkrete Angebote mit sexuellem Bezug erhalten hat, sondern ihr Leben hat sich dadurch einschneidend verändert, dass sie auch bei unspezifischen Verhaltensweisen Dritter wie der Nennung beim Vornamen durch Unbekannte, einem anzüglichen Grinsen oder – so geschehen, solange sie noch unter der auf den Fotos angegebenen Anschrift wohnte – nächtlichem Klopfen an die Fensterscheiben, Klingeln an der Haustür oder Telefonanrufen niemals sicher sein kann, ob dieses Verhalten nicht auf Grund der im Internet kursierenden Fotos veranlasst ist. Hinzu kommt, dass die Kl. fürchten muss, dass auch ihre Kinder beim Surfen im Internet auf diese Fotos stoßen. Die Gefahr konkreter Belästigungen an ihrem Wohnort dürfte zwar durch den Wegzug der Kl. zurückgegangen sein, jedoch haben sie und ihre Kinder damit auch ihr vertrautes Umfeld eingebüßt. Insoweit spielt es nur eine untergeordnete Rolle, dass die Kl. … ausgewandert ist. Auch ein Umzug innerhalb Deutschlands hätte den Verlust des sozialen Umfelds zur Folge gehabt, und dass die Kl. bei einem Umzug lediglich innerhalb der Stadtgrenzen mit weiteren konkreten Nachstellungen zu rechnen gehabt hätte, zeigen die nach ihrem unbestrittenen Vorbringen noch heute vorkommenden Anrufe bei ihrer Namensvetterin. Dass sich die Kl. auch nach ihrer Auswanderung nicht sicher vor Nachstellungen fühlt, ist im Übrigen daraus ersichtlich, dass sie ausdrücklich darum gebeten hat, ihre jetzige Anschrift nicht preiszugeben.

Insgesamt hält das Gericht in Anbetracht der Tatsache, dass die Kl. zukünftig bis auf Weiteres mit den im Internet – weltweit – kursierenden verunglimpfenden Fotos wird leben müssen, auch in Anbetracht der vorgetragenen Einkommensverhältnisse des Bekl. ein Schmerzensgeld von insgesamt 25000 Euro für angemessen. Der Bekl. kann sich zu seiner Entlastung nicht darauf berufen, für die Folgen seiner Handlung, insbesondere das wiederholte Herunterladen und Neueinstellen der Fotos durch Dritte, nur eingeschränkt verantwortlich zu sein, weil diese Dritten ihrerseits haften würden. Abgesehen davon, dass sich aus der Aufmachung der Bilder gerade nicht ergibt, dass durch das Herunterladen und das erneute Einstellen ins Netz eine unerlaubte, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen wird, lassen sich wegen der Anonymität der vom Bekl. gewählten Tauschbörse die weiteren Nutzer der Fotos – zumindest derzeit – nicht ermitteln.

Gleichwohl war auch dem Antrag der Kl. auf Feststellung der Ersatzpflicht des Bekl. für künftige Schäden stattzugeben.

Auch wenn gegenwärtig unstreitig keine technische Möglichkeit besteht, die Fotos (unter sämtlichen derzeit verwendeten Dateinamen) vollkommen und dauerhaft aus dem Internet zu entfernen, und daher derzeit etwa für eine solche Entfernung aufgewendete Kosten nicht zum Erfolg führen können, ist es nicht ausgeschlossen, dass zukünftig ein effizientes Löschungsverfahren entwickelt wird. Die Möglichkeit, dass ohne eine jetzige Feststellung der Ersatzpflicht des Bekl. dem Grunde nach die spätere Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen wegen der Erhebung einer Verjährungseinrede gefährdet wäre, rechtfertigt das erforderliche Feststellungsinteresse der Kl. Solange im Übrigen die Fotos im Internet weiterhin vorhanden sind, ist auch die Entstehung neuer Schäden bei der Kl. nicht auszuschließen.

Da der Bekl. ein Schmerzensgeld von 2000 Euro bereits bezahlt hat, war dieser Betrag von dem angemessenen Schmerzensgeldbetrag von 25000 Euro abzuziehen. Ebenfalls zu erstatten hat der Bekl. die auf den gezahlten Betrag entfallenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Kl., die – nach der seinerzeit geltenden Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung – mit 141,94 Euro zutreffend berechnet sind. Der Zinsanspruch der Kl. folgt aus §§ 286 I, 288 I BGB.

 

Wegen Unfruchtbarkeit nach Ausschabung 40.000 Euro Schmerzensgeld

40.000 Euro Schmerzengeld wegen Unfruchtbarkeit nach Ausschabung 

Wegen fehlender Risikoaufklärung vor einer folgenschweren Gebärmutterausschabung hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln einer Patientin 40.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Die heute 35-jährige Frau war nach Gerichtsangaben vom Freitag durch den Eingriff in einer gynäkologischen Klinik unfruchtbar geworden. Über das entsprechende Risiko sei die Klägerin vor der Ausschabung „nicht hinreichend“ informiert worden, befand das Gericht. Eine solche Aufklärung sei jedoch erforderlich, auch wenn das Risiko einer vollständigen Unfruchtbarkeit durch den Eingriff statistisch gesehen gering sei. (Az. 5 U 180/05)

Der Kölner Arzthaftungssenat bemängelte in seinem Urteil unter anderem, dass der in der Klinik verwendete Aufklärungsbogen keinen Hinweis auf die mit dem Eingriff verbundene Gefahr der Unfruchtbarkeit enthalten habe. Bei der zum Operationszeitpunkt 28-jährigen Patientin habe es sich um eine junge Frau mit Kinderwunsch gehandelt, die durch ihre Unfruchtbarkeit nun „erheblich in ihrer Lebensführung belastet“ sei. Deshalb hätten Klinik und operierender Arzt auf das mit dem Eingriff verbundene Risiko gesondert hinweisen müssen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

Quelle: www.aerzteblatt.de 

Arzthaftung – Aufklärungsfehler bei Übertragung der Risikoaufklärung auf nachgeordneten Arzt

BGB § 823 Abs. 1 Dd

Der Chefarzt, der die Risikoaufklärung eines Patienten einem nachgeordneten Arzt überträgt, muss darlegen, welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und zu kontrollieren.

 
Kein unbedingter Vertrauensschutz des Chefarztes bei Delegation der Aufklärung auf untergeordneten Arzt

Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld von dem Chefarzt einer chirurgischen Klinik. Dieser führte bei ihr eine Divertikeloperation am Zwölffingerdarm durch. Infolge einer Nahtinsuffizienz kam es danach zu einer schweren Bauchfellentzündung und einer eitrigen Bauchspeicheldrüsenentzündung. Ein Behandlungsfehler ließ sich nicht feststellen. Die Klägerin behauptet, über das mit der Operation verbundene Risiko einer Bauchspeicheldrüsenentzündung nicht aufgeklärt worden zu sein. In Kenntnis dieses Risikos hätte sie nicht in die Operation eingewilligt. Das Aufklärungsgespräch hatte der Chefarzt nicht selbst durchgeführt, sondern einem Stationsarzt übertragen.

Das Landgericht Itzehoe hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Schleswig hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dabei hat es offen gelassen, ob die Klägerin vor dem Eingriff ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kommt eine Haftung des Chefarztes deshalb nicht in Betracht, weil ihm ein etwaiger Aufklärungsfehler des Stationsarztes jedenfalls nicht zuzurechnen sei.

Der u. a. für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat hat das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen, weil die Feststellungen des Berufungsgerichts eine Entlastung des Chefarztes von etwaigen Aufklärungsfehlern des aufklärenden Arztes nicht tragen. Der Bundesgerichtshof hat zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen der nicht selbst aufklärende Operateur sich darauf verlassen kann, dass die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist. Die hiernach bestehenden Kontrollpflichten gelten in noch stärkerem Maß, wenn der Operateur zugleich Chefarzt und deshalb für die ordnungsgemäße Organisation der Aufklärung im Krankenhaus verantwortlich ist. Im vorliegenden Fall muss der operierende Chefarzt darlegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und die Befolgung seiner Anweisungen zu kontrollieren. Hierzu fehlt bisher jeglicher Vortrag.

BGH
Urteil vom 7. November 2006
Az.: VI ZR 206/05

Die vollständige Entscheidung hierzu können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofs nachlesen. 

Quelle:
Pressestelle des Bundesgerichtshof
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Telefax (0721) 159-5501