Privathaftpflicht bei Unfall nach ungewolltem Pkw-Start

Der in der sog. „Kleinen Benzinklausel“ in der Privathaftpflichtversicherung enthaltende Risikoausschluss für Schäden durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges greift nicht ein, wenn ein auf dem Beifahrersitz eines abgestellten PKW sitzendes 14jähriges Mädchen den im Zündschloss steckenden Schlüssel umdreht, um über die zu aktivierende Batterie das Autoradio zu betreiben, aber versehentlich den Schlüssel so weit umdreht, dass der Motor des PKW gestartet wird, dieser sich von selbst in Bewegung setzt und ein anderes geparktes Fahrzeug beschädigt. Die bloße Nutzung der Batterie als Energiequelle für einen Zweck, der mit dem Betrieb des KFZ in keinem inneren Zusammenhang steht, stellte keinen Gebrauch des Fahrzeugs durch den Führer eines PKW im Sinne der Ausschlussklausel dar.

OLG Celle
Beschluss vom 3. März 2005 
Az.: 8 W 9/05

B e s c h l u s s

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

…..

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 14. Februar 2005 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 26. Januar 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht ………. als Einzelrichter am 3. März 2005 beschlossen:

Unter Aufhebung des Beschlusses vom 26. Januar 2005 sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 18. Februar 2005 wird das Verfahren an das Landgericht Bückeburg zurückverwiesen, welches angewiesen wird, den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurückzuweisen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.


G r ü n d e

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) und begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Nach dem gegenwärtigen Sach und Streitstand steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung von Deckungsschutz aus der mit dieser geschlossenen Privathaftpflichtversicherung gem. § 1 Abs. 1 S. 1, § 149 VVG i.V.m. § 1 Ziff. 1 AHB und II Ziff. 1b) der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung zu.

1.
Nach dem Vortrag der Antragstellerin saß ihre mitversicherte Tochter ………  am 21. Juni 2003 auf dem Beifahrersitz eines von ihres Cousine gehaltenen PKW´s, als diese das Fahrzeug abgestellt und sich für kurze Zeit entfernt hatte. Die zum damaligen Zeitpunkt 14jährige Tochter der Antragstellerin drehte den im Zündschloss steckenden Schlüssel um, um eine elektrische Verbindung zur Batterie herzustellen, weil sie Autoradio hören wollte. Da sie den Zündschlüssel versehentlich zu weit drehte, wurde der Motor gestartet und der PKW fuhr wegen des eingelegten Vorwärtsganges los und beschädigte einen in der Nähe abgestellten PKW, an dem ein Schaden von 8.295,11 EUR eintrat. Der KFZHaftpflichtversicherer der Halterin des PKW erstattete den dem geschädigten Dritten entstandenen Schaden und nimmt die Tochter der Antragstellerin im Wege des Regresses auf Zahlung dieses Betrages in Anspruch. Die Antragstellerin begehrt nunmehr wegen dieses verfolgten Anspruchs Deckungsschutz aus der mit der Antragsgegnerin geschlossenen Privathaftpflichtversicherung.

Die Antragstellerin und dem folgend das Landgericht haben dies unter Berufung auf die sog. „kleine Benzinklausel“ in III. Nr. 1 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung zurückgewiesen. Diese lautet:
„Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft, Luft oder Wasserfahrzeugs wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden.“

2.
Die Voraussetzungen dieser Ausschlussklausel sind indessen nicht erfüllt, da die Tochter der Antragstellerin nicht als Führerin des PKW anzusehen ist und die entstandenen Schäden nicht im Zusammenhang mit dem Gebrauch des Fahrzeugs stehen. Diese Klausel dient der Abgrenzung zwischen den Deckungsbereichen der Privat und der KFZHaftpflichtversicherung und bezweckt einerseits – abstrakt gesehen – einen lückenlosen Deckungsanschluss zwischen den beiden Versicherungsarten sowie andererseits die Vermeidung von Doppelversicherungen (BGH 1984, 854; OLG Saarbrücken VersR 1991, 1400). Von der Privathaftpflichtversicherung sollen also grundsätzlich die Schäden abgedeckt werden, die nicht unter den Umfang der KFZHaftpflichtversicherung nach § 10 AKB fallen.

Maßgebend für die Abgrenzung ist mithin, ob der Schadensfall mit dem Gefahrenbereich, für den der KFZHaftpflichtversicherer deckungspflichtig ist, in einem inneren Zusammenhang steht, ob es sich also um typische, vom Gebrauch des Fahrzeugs selbst und unmittelbar ausgehende Gefahren handelt (BGH VersR 1994, 83, 84; OLG Düsseldorf VersR 1993, 302, 303; OLG Hamm VersR 1991, 218, 219; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Schäden, die ihre überwiegende Ursache nicht im Gebrauch des Fahrzeugs selbst haben, sondern mit diesem nur in einem rein äußeren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang stehen, werden dagegen von der KFZHaftpflichtversicherung nicht erfasst, sondern unterfallen der Privathaftpflichtversicherung.

Vorliegend fehlt es an einem Gebrauch des PKW´s durch die Tochter der Antragstellerin als dessen Führerin. Sie hat nicht etwa den Zündschlüssel des Fahrzugs umgedreht, um den Motor zu starten, mit dem PKW zu fahren oder sonst die Motorkraft in einem unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeugs zu nutzen, z.B. zum Be und Entladen, Tanken oder der Durchführung von Wartungs und Reparaturarbeiten. Hier wollte die Tochter der Antragstellerin vielmehr durch das lediglich teilweise Umdrehen des Zündschlüssels nur die Batterie des Fahrzeugs als Energiequelle in Gang setzen, um hierdurch die Inbetriebnahme des Autoradios zu ermöglichen. Diese bloße Nutzung der Batterie als Energiequelle für einen Zweck, der mit dem Betrieb eines KFZ in keinerlei innerem Zusammenhang steht, stellt indessen keinen Gebrauch eines Fahrzeugs im Sinne der Ausschlussklausel dar. Es handelt sich vielmehr um einen bloß losen, rein äußerlichen Zusammenhang mit dem eigentlichen Zweck des PKW als Fortbewegungsmittel. Dass die Tochter der Antragstellerin dann versehentlich den Zündschlüssel zu weit drehte, hierdurch den Motor startete und der PKW sich von selbst in Bewegung setzte, stellt lediglich die unwillkürliche und nicht mehr zumindest vom natürlichen Vorsatz der Tochter der Antragstellerin herbeigeführte Folge ihres Verhaltens dar, welches dann die Grundlage des zum Schadensersatz führenden Ereignisses darstellte.

Gegen eine weite Auslegung dieser sog. „Kleinen Benzinklausel“ spricht auch ihre Entstehungsgeschichte. Die in früheren Versicherungsbedingungen verwendete sog. „Große Benzinklausel“ sollte nämlich sämtliche Risiken ausschließen, die irgendwie im Zusammenhang mit einem Fahrzeug standen. Hiernach waren ausgeschlossen vom Versicherungsschutz Haftpflichtansprüche aus Schäden durch Halten, Besitz, ferner durch Inbetriebsetzen, Gebrauch oder Missbrauch von Kraftfahrzeugen, gleichgültig, durch wen oder aus welchem Anlass oder zu welchem Zweck das Kraftfahrzeug in Betrieb gesetzt oder gelenkt wurde (hierzu Stiefel/Hofmann, AKB, 17. Aufl., § 10 AKB Rdnr. 77). Mit dieser Klausel sollten mithin sämtliche Schäden vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, selbst wenn es an einem inneren Zusammenhang mit dem Betrieb des KFZ als Verkehrsmittel fehlt. Die „Kleine Benzinklausel“ ist dagegen deutlich restriktiver gestaltet und erfordert, dass der Versicherte selbst im Besitz des KFZ war oder von ihm Gebrauch gemacht hat (Stiefel/Hofmann, a.a.O.). Daran fehlt es aus den o.g. Gründen, da hier lediglich die Batterie des PKW als Energiequelle für die Verwirklichung eines Zwecks genutzt werden sollte (Radiohören), der mit dem Betrieb des KFZ in keinem inneren Zusammenhang steht.

Da Versicherungsbedingungen ferner so auszulegen sind, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse verstehen muss (BGHZ 123, 83, 85), muss es sich ihm nicht erschließen, dass hiervon auch solche Handlungen erfasst werden sollen, die ohne Fortbewegung und ohne Nutzung der Motorkraft des Fahrzeugs lediglich in einem äußeren Zusammenhang mit dem Fahrzeug zwecks Nutzung seiner Batterie als Energiequelle stehen.

Entsprechend ist auch in der Rechtsprechung die Tendenz zu beobachten, die „Kleine Benzinklausel“ in vergleichbaren Fällen restriktiv auszulegen und keinen Ausschluss des Versicherungsschutzes in der Privathaftpflichtversicherung anzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1993, 302: 13jähriger Sohn des Versicherungsnehmers löst beim Verlassen des LKW versehentlich die Handbremse; OLG Saarbrücken VersR 1991, 1400: Versicherungsnehmer setzt sich auf ein Motorrad und zieht die Handbremse, wodurch dieses im Stand umkippt; LG Dortmund VersR 1991, 1401: Versicherter nimmt im Fahrzeug Platz, um im Bedarfsfall die Fußbremse zu betätigen; LG Freiburg ZfS 1990, 137: 10jähriges Kind setzt aus Spieltrieb ein KFZ in Gang).
Soweit das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung ferner ausführt, der Vortrag der Antragstellerin, es sei nur zu einem einmaligen Drehen des Zündschlüssels gekommen, könne nicht zutreffen, weil nach dem Bericht des PHM Lohrke das Fahrzeug eine längere Strecke zurückgelegt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen lässt sich aus dem Bericht keinesfalls entnehmen, dass die Tochter der Antragstellerin etwa bewusst unerlaubt mit dem PKW gefahren wäre. Dort ist ausdrücklich nur von dem Umdrehen des Zündschlüssels durch die auf dem Beifahrersitz befindliche Tochter der Antragstellerin sowie davon die Rede, der PKW habe sich dann in Bewegung gesetzt und sei gegen das Fahrzeug des Geschädigten gerollt. Warum dies bei gestartetem Motor und eingelegtem Vorwärtsgang nicht möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich, zumal die örtlichen Verhältnisse (abschüssige Fahrbahn etc.) hier nicht weiter beschrieben sind. Zum anderen hat die Antragstellerin für den von ihr behaupteten Schadenshergang (s.o.) Beweis durch Zeugnis ihrer Tochter angetreten, so dass, falls dieser Vortrag streitig werden sollte (die Antragsgegnerin ist bisher nicht gehört worden), hierüber gegebenenfalls Beweis zu erheben werde. Eine vorweggenommene Würdigung dieses Sachverhaltes im PKHVerfahren kommt hier nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.