Lorenzos Öl ist keine Kassenleistung

 
Das SG Dresden hat entschieden, dass die Krankenkasse die Behandlung einer fortschreitenden Nervenkrankheit mit "Lorenzos Öl" nicht bezahlen muss.

Der 50-jährige Kläger aus dem Landkreis Riesa-Großenhain leidet an der erblichen Nervenkrankheit "Adrenoleukodystrophie" (ALD). Der behandelnde Arzt verschrieb die Behandlung mit Lorenzos Öl. Dieses Ölsäuregemisch erlangte eine gewisse Bekanntheit durch den gleichnamigen Hollywood-Film von 1992. Die AOK lehnte die Übernahme der Kosten in Höhe von monatlich etwa 1.000 Euro ab.

Das SG Dresden hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. 

Nach Ansicht des Gerichts ist Lorenzos Öl weder in Deutschland noch in der EU als Arzneimittel zugelassen. Es sei aber ein zulassungspflichtiges Arzneimittel. Denn es werde nicht als Ersatz für Speiseöl zur Ernährung verschrieben, sondern als Medikament seiner biochemischen Wirkung wegen.

Es spiele keine Rolle, dass das Öl in Deutschland als Diätlebensmittel vertrieben wird. Die für Arzneimittel geltenden Schutzvorschriften dürften nicht umgangen werden. Der Hersteller habe dafür zu sorgen, dass die Wirksamkeit eines Arzneimittels in klinischen Studien nachgewiesen wird. Dann könne es zugelassen werden. Diesen Aufwand könne er sich nicht ersparen, indem er das Medikament wie ein Lebensmittel aufmacht und die Krankenkassen für die Erprobung am Patienten zahlen lässt.

SG Dresden
Urteil vom 08.03.2007
Az.: S 18 KR 637/04

 

Quelle: Pressemitteilung des SG Dresden vom 19. April 2007

 

Arzthaftung – Aufklärungsfehler bei Übertragung der Risikoaufklärung auf nachgeordneten Arzt

BGB § 823 Abs. 1 Dd

Der Chefarzt, der die Risikoaufklärung eines Patienten einem nachgeordneten Arzt überträgt, muss darlegen, welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und zu kontrollieren.

 
Kein unbedingter Vertrauensschutz des Chefarztes bei Delegation der Aufklärung auf untergeordneten Arzt

Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld von dem Chefarzt einer chirurgischen Klinik. Dieser führte bei ihr eine Divertikeloperation am Zwölffingerdarm durch. Infolge einer Nahtinsuffizienz kam es danach zu einer schweren Bauchfellentzündung und einer eitrigen Bauchspeicheldrüsenentzündung. Ein Behandlungsfehler ließ sich nicht feststellen. Die Klägerin behauptet, über das mit der Operation verbundene Risiko einer Bauchspeicheldrüsenentzündung nicht aufgeklärt worden zu sein. In Kenntnis dieses Risikos hätte sie nicht in die Operation eingewilligt. Das Aufklärungsgespräch hatte der Chefarzt nicht selbst durchgeführt, sondern einem Stationsarzt übertragen.

Das Landgericht Itzehoe hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Schleswig hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dabei hat es offen gelassen, ob die Klägerin vor dem Eingriff ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kommt eine Haftung des Chefarztes deshalb nicht in Betracht, weil ihm ein etwaiger Aufklärungsfehler des Stationsarztes jedenfalls nicht zuzurechnen sei.

Der u. a. für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat hat das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen, weil die Feststellungen des Berufungsgerichts eine Entlastung des Chefarztes von etwaigen Aufklärungsfehlern des aufklärenden Arztes nicht tragen. Der Bundesgerichtshof hat zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen der nicht selbst aufklärende Operateur sich darauf verlassen kann, dass die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist. Die hiernach bestehenden Kontrollpflichten gelten in noch stärkerem Maß, wenn der Operateur zugleich Chefarzt und deshalb für die ordnungsgemäße Organisation der Aufklärung im Krankenhaus verantwortlich ist. Im vorliegenden Fall muss der operierende Chefarzt darlegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und die Befolgung seiner Anweisungen zu kontrollieren. Hierzu fehlt bisher jeglicher Vortrag.

BGH
Urteil vom 7. November 2006
Az.: VI ZR 206/05

Die vollständige Entscheidung hierzu können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofs nachlesen. 

Quelle:
Pressestelle des Bundesgerichtshof
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