Arbeitsunfähig ist noch lange nicht verhandlungsunfähig

Eigentlich sollte man meinen, dass das Erscheinen-Müssen vor Gericht für jeden Betroffenen (gleich ob Zivil- Straf- oder sonstiges Gericht) eine Ausnahmesituation bedeutet, in der man „besonders fit“ sein muss. Wer also vom Arzt „krank“ im Sinne von Arbeitsunfähigkeit geschrieben ist, ist irgendwie gehandicapt, sein Anliegen vor Gericht richtig zu verteidigen. Und selbstverständlich müssen und dürfen Richter nicht an einem Gerichtstermin teilnehmen, wenn der Arzt sie arbeitsunfähig geschrieben hat. Und Richter verhandeln nicht in ihrer eigenen Sache, sondern tun „nur“ ihre Arbeit.

Wenn also Richter bei Arbeitsunfähigkeit nicht zu einem Termin erscheinen müssen, dann müsste das doch auch für einen Betroffenen gelten!? Weit gefehlt! Es ist ständige Rechtsprechung, dass Arbeitsunfähigkeit nicht mit Verhandlungsunfähigkeit gleich zu setzen ist ( so aktuell wieder eine Entscheidung des OLG Hamm). Wer meint, er könne als krank nicht an einer Verhandlung teilnehmen, muss dem Richter darlegen, welche Krankheit er hat und warum gerade die krankheitsbedingten Einschränkungen die Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung unmöglich machen. Verschärfte Anforderungen können für Rechtsanwälte gelten. Uns hat vor Jahren ein Kollege berichtet, dass ein Gericht unterstellt hat, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Ärzten für Rechtsanwälte seien grundsätzlich kritisch zu hinterfragen …

Und Richter haben noch ganz andere Freiheiten. Vor ein paar Jahren hat ein Richter am Vortag telefonisch einen Termin verlegt. Er sei zuhaus und kümmere sich um sein Kind. Die Akte liege aber im Gericht und so könne er sich nicht vorbereiten. Deshalb müsse der Termin verlegt werden. Man mag sich gar nicht vorstellen, so würde ein Anwalt oder ein Betroffener mal einen Verlegungsantrag begründen. Wenn zwei dasselbe tun, ist es lange noch nicht dasselbe …